Mittwoch, 21. Dezember 2022

UN-Umweltdiplomatie in der Sackgasse

Die Weltnaturkonferenz in Kanada ist zu Ende. Bei Telepolis schätze ich das Ergebnis ein - es ist, wie der Engländer sagt, underwhelming - und kritisiere grundsätzlich, wie die sogenannten Staatengemeinschaft mit der ökologischen Krise umgeht.
Würden ohne die Verträge mehr Treibhausgase ausgestoßen, mehr Pestizide angewandt und größere Waldflächen abgeholzt? Zugespitzt gefragt: Ist die Umweltschutz-Diplomatie unter dem Dach der UN überhaupt Teil der Lösung oder vielmehr Teil des Problems?

Mittlerweile geht es auf der großen Bühne der Weltpolitik zu wie auf einem Bazar: Die Staaten schachern mit den natürlichen Ressourcen, als handle es sich sie ihr legitimes Eigentum. Die Regierungen treten gleichsam als Treuhänder der Biosphäre auf, damit des Lebensrechts der Menschheit, staatsrechtlich durchaus fragwürdig – niemand hat ihnen dazu ein Mandat erteilt. Im Wandertheater der Gipfeltreffen wird eine tragische Farce aufgeführt oder auch eine lächerliche Tragödie. Das Stück hat eine nicht zu unterschätzende ideologische Nebenwirkung: Es nährt die Illusion, die sogenannte Staatengemeinschaft sei fähig, auf die ökologische Krise angemessen zu reagieren.

Montag, 19. Dezember 2022

Fun fact # 60: Familie

Stewart Copeland war Schlagzeuger der englischen Popgruppe The Police. Sein Vater Miles Copeland arbeitete für die CIA und war an führender Stelle daran beteiligt, die demokratisch gewählten Regierungen in Syrien (1949) und im Iran (1953) zu stürzen.

COP15: Ein Teil des Problems

Die UN-Konferenz zum Schutz der Biodiversität ist zu Ende. Ich habe letzte Woche einen Artikel bei Telepolis zum Thema veröffentlicht, gewohnt hoffnungsfroh:
Mittlerweile kennen wir die Dramaturgie: Die UN-Konferenz wird mit einem Abkommen enden, das "Aufbruchstimmung verbreitet" und "ambitionierte Ziele setzt". Oder vielleicht auch nicht. Die Verhandlungsparteien werden sich gegenseitig loben (und damit unausgesprochen auch sich selbst) oder enttäuscht sein. Vertreter der Zivilgesellschaft werden sich zufrieden oder unzufrieden äußern, mehr war jedenfalls nicht zu erreichen…
Die COP15 in Montreal zeigt, dass die internationale Umweltschutz-Diplomatie ein Teil des Problems ist, kein Teil der Lösung. Nicht etwa deshalb, weil die formulierten Ziele zu wenig ambitioniert sind, wie die internationalen Umwelverbände nach der Konferenz wie üblich monieren. Wäre die Abschlusserklärung ambitionierter, hieße das nur, dem Papier noch mehr Geduld abzuverlangen. Die Bestimmungen sind bedeutungslos, weil der Vertrag keine Kontrollen oder Sanktionen enthält. Die jahrelangen Verhandlungen beschäftigen Wissenschaftler und Funktionäre staatlicher und zivilgesellschaftlicher Organisationen jahrelang, um schließlich in unverbindlichen Absichtserklärungen zu münden. Die USA, das Land mit dem größten Verbrauch der globalen Ressourcen, wird dem Abkommen übrigens nicht beitreten. Dass viele Teilnehmer dieses Ergebnis bejubeln, ist eine tragische Farce.

Viele Umweltschützer verteidigen die internationalen Verhandlungen als alternativlos, als das kleinere Übel gegenüber einer ungeregelten Aneignung und Zerstörung der natürlichen Ressourcen. Die UN-Abkommen lenken sie allerdings lediglich in geregelte Bahnen. Würden ohne die Verträge wirklich mehr Treibhausgase ausgestoßen, mehr Pestizide angewandt und größere Waldflächen abgeholzt? Das Wandertheater der Gipfeltreffen nährt die Illusion, die sogenannte Staatengemeinschaft sei fähig, auf die ökologische Krise angemessen zu reagieren. Die Öko-Diplomatie legitimiert die verhandelnden Staaten gleichsam als Treuhänder der Biosphäre, damit des Lebensrechts der Menschheit. was mir demokratietheoretisch zweifelhaft scheint: Niemand hat den Regierungen dazu ein Mandat erteilt.

Seit der COP27 in Ägypten drängen die Interessensgegensätze zwischen den industrialisierten und den ärmsten Ländern immer stärker in den Vordergrund. Es geht darum, wie hoch die internationalen Geldtransfers ausfallen. Die Fronten verlaufen mitnichten entlang der Grenze zwischen Globalem Süden und Globalem Norden. Die großen Agrarmächte des Südens (Brasilien, Argentinien, Indien, Indonesien) wehren sich ebenso gegen Umweltschutz-Auflagen, die ihre Exportgüter verteuern würden, wie Europa oder Japan. Andere Länder mit sehr artenreichen Naturräumen haben erkannt, dass sie Biodiversität in Geld umsetzen können. Umstritten ist der Preis.

Die subsaharischen Staaten Kamerun, Uganda und die Demokratische Republik Kongo außerdem Indonesien und Brasilien, wollten bei der COP15 erreichen, dass ein eigener internationaler Fonds für den Schutz der Biodiversität eingerichtet wird, zusätzlich zur Globalen Umweltfazilität der UN, mit bereits der Naturschutz finanziell unterstützt wird. Damit konnten sie sich nicht durchsetzen. Während der letzten Verhandlungsnacht spielten sich unwürdige Szenen ab, als trotz Protest der zentralafrikanischen Regierungen von der chinesischen Verhandlungsführung eine Einigung verkündet wurde. Ein Vertreter von Kamerun sprach daraufhin von „Betrug“, ein Vertreter Ugandas von einem „Putsch“.

Nun sollen jährlich 30 Milliarden Dollar für die Biodiversität an die Entwicklungsländer fließen. Die NGO-Szene hat sich mit aller Kraft dafür eingesetzt, diese Summe nach oben zu treiben. Aber Geldtransfer nutzt nichts, wenn er dysfunktionalen Regierungen und korrupten Behörden zugute kommt. Zahlreiche Naturschutzgebiete bestehen lediglich auf dem Papier, nun werden die Paper Parks weiter wachsen. Umweltschutz kann zudem nicht darin bestehen, die einheimische Bevölkerung aus einer vermeintlichen Wildnis fernzuhalten. Die Menschen vor Ort müssen vielmehr am Schutz von Tieren, Pflanzen und Naturräumen interessiert und einbezogen sein. Sie brauchen Alternativen zum Raubbau, konkret: eine nachhaltige (Land-)Wirtschaft, die ihnen Verdienstmöglichkeiten bietet. Und dies gilt nicht nur für die afrikanische Provinz, sondern für alle Weltregionen.

Das vorherrschende Verständnis von Ökosystemleistungen ist instrumentell. Die Biodiversität erfüllt Funktionen, die sich angeblich auch auf anderem Weg erbringen und in Geldwerten ausdrücken lassen. Die theoretische Monetarisierung der Natur macht die Bepreisung möglich, zum Beispiel den Emissionshandel. Die zugrundeliegenden Annahmen treffen aber offenkundig nicht zu:

Insekten und andere Tiere sind Glieder von Nahrungsketten und formen ökologische Nischen. Ressourcen und ökologischen Abläufe sind keine Dienstleistungen, sondern Abschnitte der stofflichen und energetischen Kreisläufen auf diesem Planeten, die sich nicht sinnvoll aufsummieren lassen. Um ihren monetären Wert zu ermitteln, müssten sie durch andere Leistungen ersetzbar sein (Substituierbarkeit), deren Preise wir kennen. Wenn es um aussterbende Gattungen und destabilisierte Kreisläufe des Erdsystems geht, sind diese Annahme abstrus.

Die Einpreisung der ökologischen Zerstörung und des „Umweltverbrauchs“ hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass es auf der großen Bühne der Weltpolitik mittlerweile zugeht wie auf einem Bazar. Die Staaten schachern mit Ressourcen, als seien sie ihr legitimes Eigentum. Aber der Schutz der Biodiversität aus der Ferne wird nicht gelingen. Wenn die Weltmächte das sechste Massensterben aufhalten wollen, müssen sie ihren eigenen Ressourcenverbrauch mindern und die Arten im eigenen Hoheitsgebiet schützen. Stattdessen wird ein System aufgebaut, in dem Länder wie die Demokratische Republik Kongo für den Schutz der Regenwälder bezahlt werden, ähnlich wie die Kompensationsmöglichkeiten beim Emissionshandel: ein ineffektives, widersprüchliches und ungerechtes System.

Donnerstag, 1. Dezember 2022