Samstag, 22. März 2014

Freitag, 21. März 2014

"Für Putin ist das alles nur Mickey Maus."

Die Spieltheorie hat den Ruf, als "Theorie der strategischen Interaktion", zur Politikberatung zu taugen. Dabei hat sie, wie der Mathematiker und Spieltheoretiker Anatole Rapoport einmal feststellte,
keinen klaren Bezug zur Wirklichkeit.
Nun befragt die FAZ den deutschen Spieltheoretiker Manfred Milinski zur Krimkrise. Herr Wissenschaftler, sagen Sie mal was Spieltheoretisches für unsere Leser!
Wenn man davon ausgeht, dass alle rationale Spieler sind und eine Kosten-Nutzen-Analyse ihrer Optionen gemacht haben, dann ist Präsident Putin offenbar zu dem Schluss gekommen, dass sein Nettogewinn höher ist, wenn er die Krim annektiert.
Vielen Dank für diesen Hinweis: Sofern der Putin rational ist, hat er auch rational gehandelt! Oder es war umgekehrt: Er hat sich eben rational verhalten, weshalb wir einen rationalen Spieler nennen dürfen. Aber sei es drum, wie soll der Westen mit Putin reden, Herr Wissenschaftler?
Jetzt müssten Obama und die europäischen Regierungschefs konsequent das umsetzen, was sie angedroht haben. Und zwar aus ganz rationalen Gründen. Der Ausschluss des russischen Präsidenten von den G8-Verhandlungen ist nur ein Anfang. Im Grunde muss es jetzt weiter gehen. Wenn nicht alle Strafmaßnahmen kommen, ist das für Putin quasi eine Einladung, weiterzumachen und die Ukraine vielleicht auch noch zu nehmen. Putin hat bis jetzt die Erfahrung gemacht, dass er Drohungen nicht ernst nehmen muss.
Sie meinen also genau so, wie es am Stammtisch redet, ja? Ein Machtpolitiker wie Putin reagiert nur auf Macht, richtig?
Wenn Putin tatsächlich an die Umsetzung der Strafmaßnahmen geglaubt haben sollte, dann reichen diese offensichtlich nicht aus, die Kosten einer Annexion für ihn hoch genug zu treiben. Wichtig ist für den weiteren Verlauf, dass das jetzt auf europäisch-amerikanischer Seite eins zu eins umgesetzt wird. Es geht jetzt darum zu fragen, welche Optionen hat Putin in Zukunft. Der Westen hat sich unter Zugzwang gesetzt. Er muss die Strafen umsetzen, sonst ist die strategische Position ein für alle mal verloren.
... jetzt müssen erstmal die angedrohten Sanktionen umgesetzt werden. Schwierig wird es, wenn Putin weiter macht und nicht mit der Krim alleine zufrieden ist. Das will man sicher ausschließen. Dann muss man die Drohungen massiv verstärken.
Also auf zur Mobilmachung! Ladet den Akku der Drohnen auf und holt schon mal die Gasmasken aus dem Keller! Irgendein Nash-Gleichgewicht wird sich schon einstellen.

Amerikanische Spieltheoretiker wie Herman Kahn oder John von Morgenstern haben sich im Kalten Krieg als Kriegstreiber hervorgetan. Dass es damals nicht zu einem offenen Krieg mit der Sowjetunion kam, ist bestimmt nicht ihrem mäßigend Einfluss auf die Entscheider zu verdanken. Milinski scheint sich in diese unselige Tradition einreihen zu wollen.

Donnerstag, 20. März 2014

Überaffirmation bei Amazon

Amazon war ein Pionier beim Crowdsourcing, in vieler Hinsicht. Bei Mechanical Turk verdient der Konzern als Zwischenhändler für Internetarbeit, eine Leasingfirma ohne jedes Risko oder Ausgaben. Als Buchhändler hat Amazon mit seinen Rezensionen ein System entwickelt, bei dem die Kunden einander beraten. Aber was, wenn die Kunden dabei nicht mehr mitmachen? Und so etwas verfassen?
Ich kann das oben angegebene Produkt $article_name vorbehaltlos empfehlen. Als ich $article_medium endlich erwerben konnte, war ich mehr als positiv überrascht. Ich werde auch in Zukunft $article_name immer wieder konsumieren und habe gleich noch einmal zugegriffen, da auch der Preis $article_price für das Produkt $article_name sehr gut ist. Ich freue mich schon auf weitere sehr gute Angebote von $article_manufacturer.
Die beste Besprechung der Welt.

Mittwoch, 19. März 2014

Zur kulturellen Grammatik des "Nockherberg"

Der Bayer an sich will keine Revolution. Und keine Koalition. Und auch keine Opposition. Er will einen König, und den hat er endlich wieder.
Ist's möglich - ein kritischer Artikel bei Spiegel Online? Tina Angerer, eigentlich von der Münchner Abendzeitung, analysiert das Spektakel, dass in Bayern und seiner Hauptstadt unerhört wichtig zu sein scheint. Dabei handelt es um eine Art Karnevalssitzung.
Wenn am Nockherberg die Politiker verspottet werden, erst in einer Rede, dann in einem parodistischen Singspiel, dann sitzen die wahren Hauptdarsteller im Publikum, ihre Selbstdarstellung ist der eigentliche Reiz der Veranstaltung. Sie sitzen hierarchisch geordnet: zentral das bayerische Kabinett, die Opposition am Rande, mittig dafür die Wiesnwirte und andere wirklich Wichtige - bisher saß da auch ein Wurstfabrikant namens Hoeneß. ... Bislang saß er im Saal, ließ sich mit dem Ministerpräsidenten und dem Paulaner-Chef ablichten. Er ist zwar kein Politiker, aber er war der bewunderte Über-Bayer, der Nebenkönig aus dem Fußballreich: Er wird in der Rede vorkommen müssen. Nur wie?
Ganz wunderbar macht Tina Angerer das. Sie beschreibt die Inszenierung von Respektlosigkeit und Spontaneität bei gleichzeitiger strikter Witz-Kontrolle (nicht umsonst heißt der Titel: "Hier lacht der Chef!") und gleichzeitig erklärt sie die politischen Hintergründe. Feuilleton und politischer Kommentar zusammen sozusagen!

Montag, 17. März 2014

Gezielte Desinformation, skalierbar

Lange nichts mehr gehört vom Überwachungsstaat! Der Guardian berichtete gestern über ein britischen Programm, das neue Technik entwickelt, um Desinformationen im Netz und vda vor allem in sozialen Netzwerken zu streuen. Bezahlt vom Verteidigungsministerium laufen Forschungsprojekte mit vertrauenserweckenden Namen wie
Understanding Online Avatars, Cognitive and Behaviour Concepts of Cyber Activities, and Novel Techniques for Public Sentiment and Perception Elicitation
Bemerkenswerterweise sind viele dieser Projekte in Form einer Public Private Partnership organisiert und werden von dem Rüstungskonzern BAE Systemes betreut. Und natürlich muß die massenhafte (Gegen-)Propaganda automatisiert funktionieren ("skalierbar sein"). Alle anderen Ansätze würden in der Masse des Gezwitschers, Bloggens und Weiterleitens untergehen.
While most projects remain under wraps an insight into the area of research has been provided by a previous report commissioned by the MoD, and which has been released under the Freedom of Information Act. It examined how chatbots – computer programmes that make human-sounding small talk and which have been used in everything from customer relations to sex industry marketing – could take on military roles in intelligence and propaganda operations to influence targets. The research into the programmes, which are designed to emulate human conversation and are familiar as "virtual assistants" on retailers' websites, envisages a future in which "an influence bot could be deployed in both covert and overt ways – on the web, in IM/chatrooms/forums or in virtual worlds".
Der Ansatz ist nicht ganz neu. Letztlich geht es darum, mit den "Sockenpuppen" den Eindruck von authentischer Kritik zu wecken, Zweifel zu sähen und Organisationensprozesse zu verhindern. Das wird unter anderem von der Firma Ntrepid angeboten.

Sonntag, 16. März 2014

Freitag, 14. März 2014

Bildung als mediale Ware

Aufnahmen für einen MOOC an einer US-Uni
Eben ist bei Telepolis "Bildung als mediale Ware", der zweite Teil meiner Serie über MOOCs und andere Formen der Internetbildung erschienen. Ich analysiere das Phänomen bildungs- und - weil's nun mal um Medien geht - medienökonomisch.
"Mediale Waren" wie Musik-CDs, Computerspiele oder Kinofilme sehen ganz unterschiedlich aus und werden auf verschiedene Arten vertrieben und konsumiert. Ökonomisch betrachtet aber haben alle gemeinsam, dass die Herstellungskosten pro Einheit immer weiter abnehmen, je mehr Einheiten hergestellt werden. Einen Spielfilm wie beispielsweise "Der Hobbit" herzustellen, ist eine schwierige, aufwändige und teure Angelegenheit. Wenn aber die Aufnahmen erst einmal "im Kasten" sind, sind die Kosten für die Vervielfältigung unerheblich.

Mittwoch, 12. März 2014

Arm macht krank macht tot

Eigentlich kann niemanden überraschen, dass die wachsende Ungleichheit auch körperliche Folgen hat. Heute stellte das Robert-Koch-Institut im Rahmen des Kongresses "Armut und Gesundheit" neue Zahlen zum sogenannten sozialen Gradienten vor.
Frauen mit niedrigem Sozialstatus erkranken doppelt so häufig an Diabetes mellitus wie der Durchschnitt, Männer in dieser sozialen Gruppe sogar dreimal so häufig. Ihren Gesundheitszustand schätzen sozial benachteiligte Frauen selbst fünfmal häufiger als "mittelmäßig" oder "schlecht" ein. Männer tun das viermal häufiger. Die größere Belastungen durch Krankheit drücken sich folgerichtig in einem kürzeren Leben aus. Das RKI errechnet, dass die mittlere Lebenserwartung bei Geburt in der niedrigen Einkommensgruppe bei Männern um 10,8 Jahre und Frauen um 8,4 Jahre verringert ist.
In meinem gerade bei Telepolis erschienen Artikel zum Thema kommentiere ich:
Schon merkwürdig: im Fall der Bildung gilt es als Skandal (oder wenigstens als Manko), dass der Schulerfolg deutscher Jugendlicher von ihrer sozialen Herkunft abhängt. Wenn die jüngsten Ergebnisse der PISA-Studie veröffentlicht werden, fordern Bildungspolitiker regelmäßig, "Deutschland müsse mehr tun", um die beiden Faktoren zu entkoppeln. Aber der soziale Status des Elternhauses bedingt nicht nur den Bildungserfolg. Er bedingt die Lebensdauer, was aber kaum jemanden zu kümmern scheint.

Mittwoch, 5. März 2014

Christopher Soghian über die Überwachungsindustrie


Der US-amerikanische Bürgerrechtler und IT-Experte Christopher Soghoian liefert mit diesem Vortrag eine gute Zusammenfassung, was Hacker im Regierungsauftrag treiben. (Kleine Korrektur, allerdings stimmt es meines Wissens doch, dass Gamma Spionage-Software an die ägyptische Regierung verkauft hatte).

Montag, 3. März 2014

Meine Magisterarbeit kicher

Schon mal versucht, einem Bekannten zu erklären, warum es in der eigenen Magisterarbeit oder Promotion ging?
Monatelang - in einigen bedauernswerten Fällen jahrelang! - haben wir gelesen, gegrübelt und formuliert, sind verweifelt, um dann schließlich - was? Die erste richtige "Forschungsarbeit" und in der Regel auch die letzte, eine Note und ein Zeugnis und jetzt ab ins Berufsleben! Nun soll ich erklären, worum es eigentlich damals ging in meinem Werk, welche "Forschungsfrage" ich "beantwortet" habe und das auch noch, ohne den Gegenüber allzusehr zu langweilen.

"Der Unterricht im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" als Buch erhältlich


Wie werden MOOCs die Hochschulen verändern? Wie und wie weit lassen sich Lernprozesse "automatisieren"? Was treibt die Expansion der Internet-Lehre an und welche Geschäftsmodelle entstehen - und was um Himmels bedeutet das alles für die Studierenden? Darum geht es in meinem Buch MOOCs statt Hörsaal, erschienen im Heise-Verlag und seit kurzem erhältlich bei den üblichen Verdächtigen.

Mein eher analytischer und historisch ziemlich weit ausgreifender Text wird ergänzt durch Interviews mit und Texten von ausgewiesenen Experten: Raùl Rojas, Robotikprofessor an der FU Berlin, Bernd Huber, Präsident der LMU, Jürgen Handke, Professor für Anglistik an der Universität Marburg, der Linguist Les Perelman vom MIT und Jörn Loviscach.

Meine These ist, dass MOOCs expandieren, weil sie Rationalisierungsgewinne versprechen, dass aber dieses Versprechen nur teilweise und auf Kosten der Ausbildungsualität umgesetzt werden kann.