Samstag, 30. Mai 2009

"Ditt liegt am jeistigen Eijentum ..."

"Forscher sind keine normalen Angestellten", sagt der Jurist Volker Rieble in der FAZ und mischt sich so in die Debatte über Open Access ein.
Zunächst einmal ist es richtig, dass Arbeitnehmer oder Beamte, die für ihre Dienste bereits bezahlt werden, die Nutzung ihrer dienstlich hergestellten Werke durch den Arbeitgeber oder Dienstherrn hinnehmen müssen (§ 43 Urheberrechtsgesetz).

Das ist natürlich richtig und gilt auch beispielsweise für Patente, die Angestellte in den Forschungsabteilungen der Industrie entwickeln. Insofern Open Access die Freiheit der Wissenschaftler einschränkt, mit ihren Ergebnissen zu tun, was ihnen beliebt, bringt es sie in die Position eines x-beliebigen Beschäftigten: Der Chef bezahlt ihn und gibt ihm die Werkzeuge, mit denen er etwas herstellt, was ihm dann auch nicht gehört. Wo kämen wir hin, wenn Bauarbeiter das Haus beanspruchen könnte, das sie gebaut haben? Gehören etwa die Handys den Fabriksklaven, die sie in Asien zusammensetzen? Niemanden wundert das, nur bei Wissenschaftlern ist es ein Skandal.

Freitag, 22. Mai 2009



»Heute« beklagte sich Herr K., »gibt es Unzählige, die sich öffentlich rühmen, ganz allein große Bücher verfassen zu können, und dies wird allgemein gebilligt. Der chinesische Philosoph Dschuang Dsi verfaßte noch im Mannesalter ein Buch von hunderttausend Wörtern, das zu neun Zehnteln aus Zitaten bestand. Solche Bücher können bei uns nicht mehr geschrieben werden, da der Geist fehlt. Infolgedessen werden Gedanken nur in eigner Werkstatt hergestellt, indem sich der faul vorkommt, der nicht genug davon fertigbringt. Freilich gibt es dann auch keinen Gedanken, der übernommen werden, und auch keine Formulierung eines Gedankens, die zitiert werden könnte. Wie wenig brauchen diese alle zu ihrer Tätigkeit! Ein Federhalter und etwas Papier ist das einzige, was sie vorzeigen können! Und ohne jede Hilfe, nur mit dem kümmerlichen Material, das ein einzelner auf seinen Armen herbeischaffen kann, errichten sie ihre Hütten! Größere Gebäude kennen sie nicht als solche, die ein einziger zu bauen imstande ist!

Bertholt Brecht, Geschichten vom Herrn Keuner, in: Gesammelte Werke, Band 12, Frankfurt/Main 1967, Seite 379 f

Biosozialpolitik - diesmal: Justiz und Sozialarbeit

Mecklenburg-Vorpommern hat als erstes Flächenland seit Oktober 2007 damit begonnen, die bislang als selbstveständlich geltende Trennung von sozialen Diensten (zu denen Gerichtshilfe, Bewährungshilfe und Führungsaufsicht gehören) und Justizvollzug aufzuheben. Justizvollzug und soziale Dienste gehören inzwischen im Ministerium zu einer Abteilung. Das wertet die sozialen Dienste nicht nur auf, es soll vor allem die Zusammenarbeit zwischen Justizvollzugsanstalt ud Bewährungshilfe sicherstellen. Die Ministerin plant weiter ein Überwachungskonzept für besonders rückfallgefährtdete Sexual- und Gewaltstraftäter, bei dem Polizei und Bewährungshelfer Hand in Hand arbeiten sollen, was den Zugriff auf die Datenbank für beide Seiten einschließt.

(...) Durch die Föderalismusreform ist der Strafvollzug gerade Sache der Länder geworden. Derzeit erarbeiten sie entsprechende Gesetze. (...) In all den Gesetzen wird es jeweils auch einen Passus über die Zusammenarbeit zwischen Vollzug und Bewährung geben. Am weitesten geht derzeit Hamburg, wo die Zusammenarbeit verpflichtend sein soll. Rechtlich schwierig ist daran, dass die Justizministerien allein für den Strafvollzug zuständig sind, die Zuständigkeit für den Entlassenen also sozusagen am Gefängnistor aufhört.

Frank Pergade, FAZ am 20. 5. 2009


Donnerstag, 21. Mai 2009

Deutschland tiefschwarz

Meine Rezension von "Schwarzbuch Deutschland" ist im Freitag erschienen.
In Auswahl und Argumentationsstruktur folgt dieses Buch leider oft der neoliberalen Agenda – nur eben seitenverkehrt: Empören die einen sich über Sozialbetrug, tun die anderen es über Managergehälter, sagen die einen Globalisierung, sagen die anderen Binnennachfrage, die einen wollen mehr Markt und die anderen mehr Staat.

Samstag, 16. Mai 2009



Unser Ziel soll es sein, die in unserer Gesellschaft vorhandenen vielfältigen Kompetenzen zu aktivieren und auf ein gemeinsames Ziel hin auszurichten.

Peter Hartz (Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, Berlin 2002, Seite 286)

Montag, 11. Mai 2009

"Position ist Identität"

Geosklaverei nennen wir die Praxis, dass eine Person – der Herr – den Aufenthaltsort eines anderen Menschen – des Sklaven – überwachen und kontrollieren kann, entweder durch Zwang oder heimlich ... Teil dieses Begriffs ist, dass der Herr in der Lage ist, jede Bewegung des Sklaven nach Zeitpunkt, Position, Geschwindigkeit und Richtung zu überprüfen – oder auch die mehrerer Sklaven gleichzeitig.

Meint der amerikanische Geograph Jerome Dobson. Mein Interview mit ihm ist heute erschienen.

Samstag, 9. Mai 2009




Freitag, 8. Mai 2009

Willkommen im Panopticon - wirklich?


Bei Telepolis ist diese Woche ein Artikel von mir über die sogenannte elektronische Fußfessel erschienen.

Ich stelle in Grundzügen dar, auf welche Art und zu welchem Zweck die Justizbehörden die Funküberwachung einsetzen, und versuche, mit einigen technofuturistischen, aber falschen Vorstellungen aufzuräumen (zum Beispiel mit der, dass in Deutschland bereits GPS-Bewegungsprofile von Strafgefangenen angefertig würden). Ich komme nämlich immer mehr zu der Überzeugung, dass der Überwachungsdiskurs, wie ihn hierzulande Linke - Linksliberale - Liberale führen, ihrer Sache keinen Gefallen tut.
Man vergleiche die Kritik der Gentechnik. Jörg Djuren von HalluziNoGene bringt das Problem auf den Punkt:
Linke Basisaktivistinnen bekräftigen oft noch den naturwissenschaftlichen Größenwahn, indem sie ihm Angstphantasien entgegen setzen. In der Gentechnikkritik ist das zwar zum Teil inzwischen begriffen worden, die gleichen Fehler feiern allerdings zur Zeit ihre Wiederauferstehung im Kontext der Debatten um Neurobiologie und Nanotechnologie. Eine Kritik auf Basis von Bedrohungsszenarien reproduziert aber ideologische Setzungen und bedient damit die Interessen, die dazu geführt haben. Wer Züchtungsphantasien von >Übermenschen< und die Gefahr einer genetischen Ausrottung von Normabweichung ernsthaft diskutiert, tanzt mit ums Gen. Die Gefahr liegt jedoch nicht so sehr in der Technologie, sondern in ihrer diskursiven Wirkung.

Ganz ähnliche Effekte – Machbarkeitswahn versus Angstfantasie – finden sich auch beim Reden über Überwachungstechnologie. Allerdings ist hier die Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit schwerer zu ziehen. Während die Behauptung, durch Genrekombination ließen sich beliebige Merkmale von Lebewesen erreichen, sich nach und nach als Humbug herausstellt (für mein Empfinden quälend langsam!), machen die neuen Überwachungstechniken wirklich eine neue Qualität von Herrschaft möglich.
Wen meine vermischte Meinungen (on the fly) interessieren, sie stehen hier.