Mittwoch, 30. November 2011

"Vollständige situative Kenntnis der Außengrenzen"

Die neue Ausgabe von Hinterland hat das Schwerpunkt-Thema "Grenze" - weshalb auch ich mit einem Text über neuere Grenzkontrolltechnik vertreten bin.
Vor knapp vier Jahren kündigte die Kommission der Europäischen Union an, man wolle ein gemeinsames europäisches Grenzüberwachungssystem entwickeln. Dieses European Border Surveillance System (EUROSUR) hat den Zweck, den Mitgliedsstaaten eine „vollständige situative Kenntnis ihrer Außengrenzen“ zu verschaffen.

Die Pointe - oder wenigstens eine Pointe - der Hightech-Aufrüstung der europäischen Grenzen ist, dass mit ihr auch das informatorische Vorfeld der Migranten in den Blick kommt.
Wenig bekannt ist der letzte Baustein des EUROSUR–Lagebilds, das sogenannte Common Pre-frontier Intelligence Picture (CPIP). Dessen Aufgabe ist unter anderem, durch eine teil-automatisierte Trendanalyse "Migrationsbewegungen" zu entdecken oder vorherzusagen, bevor sie an einer Schengen-Grenze ankommen, um entsprechende Ressourcen zur Abwehr bereitzustellen. Zu diesem Zweck verarbeitet das System Informationen über die Ströme außerhalb Europas – eben vor der Grenze. CPIP enthält neben Satellitenaufnahmen und Informationen der Nachrichtendienste auch sogenannte Open Source Intelligence (OSINT). Das sind Daten, die über das Internet (mehr oder weniger) frei zugänglich sind: Pressemeldungen, Werbeanzeigen, Einträge in Blogs, Diskussionsforen und auch in Sozialen Netzwerken wie Facebook.

Das ist: die Vorverlagerung der Grenzkontrolle nicht nur in die Herkunfts- und Transitländer der Migranten, sondern auch ins Internet. Potentiell aufschlussreich ist schließlich alles.

Donnerstag, 24. November 2011

Bezahlte Informanten und Provokateure


Ein neuer Artikel von mir bei Telepolis beschäftigt sich mit dem Einsatz von agents provocateurs in den USA.
Wie kontrolliert man eine Sicherheitsbehörde, die einerseits nachrichtendienstlich – also im Geheimen – arbeitet, und die andererseits ein vitales Interesse an Unsicherheit hat? Oder, um es mit den Versen Heiner Müllers über die ostdeutsche Staatssicherheit zu sagen: "Ein Königreich für einen Staatsfeind. Wer / Wenn alles hier in Ordnung ist braucht uns?" Und was ist überhaupt mit den eingekauften Informationen anzufangen, wenn deren Lieferanten ganz eigene Interessen verfolgen?
Ich versuche in meinem Text auch, einen Bogen vom FBI-Staatsschutz zur deutschen Affäre um den "Nationalsozialistischen Untergrund" zu schlagen. Ich könnte mich darüber aufregen (wenn ich die Zeit dazu hätte), wie banal die mediale Aufbereitung dieser Mordserie geworden ist. Die eigentliche Frage "Wie kann sich eine terroristische Organisation wie NSU jahrelang in einem Umfeld bewegen, das derart von Spitzeln durchgesetzt ist wie die 'extreme Rechte', ohne aufzufliegen?" spielt ja kaum noch eine Rolle.

Um diese Frage zu beantworten, wäre es hilfreich, drei "Interessensstränge" analytisch auseinanderzuhalten, die sich praktisch überlappen: die der Individuen, die der Behörden und die des Staates. Da wäre also zunächst die Ebene von eventuellen persönlichen politischen Sympathien der VS-Mitarbeiter für die Nazis. Der ein oder andere mag solche Sympathien haben – aber soll das wirklich zur Erklärung ausreichen? Würde ein solcher Beamte seine Karriere und seinen Job aufs Spiel setzten, um eine Schmuddeltruppe wie den NSU gegen den Willen seiner Vorgesetzten zu unterstützen? Dann gibt es die organisatorische Ebene: das unvermeidliche Interesse einer Sicherheitsbehörde an Unsicherheit. Dieses Interesse von VS, MAD, BKA und BND lässt sich unglücklicherweise schlecht kontrollieren, weil sie als Nachrichtendienste diejenigen sind, die Bedrohungen überhaupt einschätzen sollen. Ob es eine "Terrorgefahr" gibt, lässt sich eben für Otto (Medien-) Normalverbraucher kaum beurteilen. Schließlich existiert ein Interesse des Staates, sich in der Mitte zwischen den politischen Extremen zu positionieren und seine Politik als vernünftigen Ausgleich darzustellen. Ein schockierendes Beispiel war die perfide "Asyldebatte" in den frühen 1990er Jahren, als mordende und brandstiftende Nazis als Argument dienten, die deutsche Einwanderungspolitik neu auszurichten.

Individuelle Sympathie, Organisationsegoismen und das übergeordnete politische Interesse des Staates können sich ergänzen, mehr noch: Um wirksam zu werden, müssen sie auf allen drei Ebenen wenigstens vorhanden sein. Eine Behörde kann sich langfristig kaum einem übergeordneten Regierungsinteresse widersetzen, ein Beamter kaum dem seiner Organisation, und umgekehrt: Eine Organisation muss ihre Mitglieder "mitnehmen", ein Staat seine Behörden mobilisieren. Um die Vorgänge um die NSU "aufzuklären", sollten wir alle diese Aspekte im Auge behalten und das Problem nicht auf den "kleinen Adolf" reduzieren.

Mittwoch, 23. November 2011

Georg Kreisler ist tot


Auch ich möchte mich noch mal (im Netz) verneigen.

Dienstag, 22. November 2011



Montag, 21. November 2011


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Sonntag, 20. November 2011

"Surveillance technology at its best"


Das Wall Street Journal hat einige Werbebroschüren von der internationalen Verkaufsmesse Intelligence Support Systems for Lawful Interception, Criminal Investigations and Intelligence Gathering (ISS) veröffenlicht. Auf der Messe geht es unter anderem um Telekommunikationsüberwachung, Vorratsdatenspeicherung, Semantik, automatisierte Spracherkennung und Data Mining.

Wen interesiert, was state of the art der Überwachungstechnik ist, findet hier Massen von Material! Offenbar ist crowd-sourcing eben deshalb ein Motiv vom WSJ für die Veröffentlichung: die Leser sollen das ganze Zeug durchsuchen und schauen, ob sie etwas Interessantes finden. Auf den ersten Blick (!) scheinen mir allerdings technische Details nicht enthalten zu sein; die liegen wahrscheinlich nicht einfach so an den Verkaufsständen rum ...

Samstag, 19. November 2011

Fun fact # 9: Marxismus

Gerhardt Roth, der in den deutschen Medien omnipräsente Hirnforscher und "biologische Determinist", hat über "Gramscis Philosophie der Praxis" promoviert.

Donnerstag, 10. November 2011