Sonntag, 29. Mai 2011

Eli Pariser über filter bubbles



Nur falls irgendwer das noch nicht kennt ...

Warum reden eigentlich alle vom Datenschutz?

Meine Rezension von "Die Datenfresser" von Constanze Kurz und Frank Rieger ist in der Konkret erschienen. Warum reden also alle vom Datenschutz?
Alle können mit dem Thema etwas anfangen, weil der Datenschutz wirkliche Probleme und gesellschaftliche Kämpfe aufgreift – im Betrieb, im Verhältnis zwischen Staat und Bürgern, in Familien und in der Sexualität. Aber der Datenschutz betrachtet diese Konflikte ausschließlich aus der Perspektive der Informationen. Er kennt die Menschen nur als gleiche, Verträge schließende Rechtssubjekte. Anhand der Leitfrage, wer was erfahren darf, verregelt und verrechtlicht er die Auseinandersetzungen. Das Gefälle zwischen den Mächtigen und den (angeblich) Wehrlosen versucht er auszugleichen, indem er dem Mächtigen Informationen vorenthalten will.
Das Vorhaben, Diskriminierung durch Geheimhaltung zu verhüten, ist nicht nur praktisch wenig erfolgreich, sondern führt auch in ziemlich komische moralische Fragen. Denn wenn man nichts dagegen einzuwenden hat, daß der eine Proletarier die Arbeitsstelle bekommt und zwanzig andere nicht – warum soll die Angelegenheit dadurch besser werden, daß der Chef bestimmte Informationen bei der Entscheidung nicht berücksichtigt? Wenn knappe Ressourcen wie Kredite oder gar Transplantationsorgane vergeben werden und die Entscheider dabei raten müssen, weil sie wenig über die potentiellen Empfänger wissen – welche Sorte Gerechtigkeit ist das eigentlich?

Samstag, 28. Mai 2011

Gil Scott-Heron 1949 - 2011

Montag, 23. Mai 2011

"Der Dschihad zerfasert"

Mein Interview mit Thomas Rid über al-Kaida ist bei Telepolis erschienen.
Eine dezentrale Netzwerkstruktur erlaubt terroristischen Gruppierungen, ständig neue Mitglieder zu gewinnen, Menschen, die sich sozusagen selbst rekrutieren. Damit wird es aber auch schwieriger für den harten Kern, das Netzwerk zu steuern. Von den rund 190 Menschen, die seit 2008 in Europa wegen ihrer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt wurden, gehörte laut Europol ein großer Teil kleinen autonomen Zellen an und konnte keiner bereits bekannten terroristischen Vereinigung zugerechnet werden. Genau diese "Selbstmobilisierung" macht es den Führungen zunehmend schwer, militärische und politische Strategien durchzusetzen. Das heißt, der Organisation entgleitet tendenziell die Kontrolle über ihre Anhänger und Sympathisanten.

Nebenbei: die Diskutanten über das Interview im TP-Forum haben das (ohnehin öfter mal) niedrige Niveau weit untertroffen. Vernunftbegabte Telepolis-Leser! Wo ihr auch sein mögt! Schreibt was!

Sonntag, 22. Mai 2011



Danke, BBC!

Samstag, 21. Mai 2011

Freitag, 20. Mai 2011

Durch Privatisierung aus der Krise?

Seit dem Amtsantritt von Margaret Thatcher im Jahr 1979 spielt Großbritannien eine Vorreiterrolle in der Privatisierungspolitik. Nirgendwo sonst in Europa wurde der ehemals öffentliche Sektor so weit für Privatunternehmen geöffnet. Aber die jetzige Regierung geht weiter, als es Thatcher jemals wagte. Tatsächlich gibt es kaum noch einen Bereich, der nicht auf die eine oder andere Art zur Disposition gestellt wird.

Bei Telepolis ist ein Artikel von mir erschienen, in dem ich die gegenwärtige Kürzungs- / Privatisierungspolitik in Großbritannien beschreibe. Mein Fazit:
Als vor knapp drei Jahren die Aktienkurse weltweit einbrachen und aus der Bankenkrise eine Weltwirtschaftskrise und schließlich eine Schulden- und Währungskrise wurde, da sprachen viele Kommentatoren bereits vom "Ende des Neoliberalismus". Das britische Beispiel zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist: In der Krise treiben die Regierungen die Privatisierung radikaler voran als zuvor.

Donnerstag, 19. Mai 2011

Gefragt ist die journalistische Kunst, langweilige Bücher interessant klingen zu lassen. Ich habe das auch schon versucht. Aber meine Stärken als Rezensent liegen anderswo: ich kann unheimlich gut eigentlich interessant klingende Bücher in ihrer ganzen gähnenden Langeweile darstellen. Will niemand haben.

Montag, 16. Mai 2011

Fetisch Algorithmus



Gerade in den Punkten, die den Umgangs des Staates mit den Menschen betreffen können, also Datenverarbeitung, Computer und all diese Geschichten, das Problem ist die Möglichkeit der Selbstverselbständigung der Technik, dass die Gegebenheiten und Zwangsläufe der Technik so eine Art eigene Diktatur errichten. Also nicht die Diktatur von Menschen über Menschen mithilfe der Technik, sondern die Diktatur der Technik über die Menschen.

Ernst Benda, Präsident des Bundesverfassungsgerichts anno 1983

Fun fact # 6: Hochschulbildung

In den USA übertrifft die Schuldensumme für ein Studium die der Kreditkartenschulden.
Student loan debt outpaced credit card debt for the first time last year and is likely to top a trillion dollars this year as more students go to college and a growing share borrow money to do so ... Last year, graduates who took out loans left college with an average of $24,000 in debt. Default rates are rising, especially among those who attended for-profit colleges.

Sonntag, 15. Mai 2011

"Aufenthaltsraum mit Sitzecke"

Beim Freitag ist ein Artikel von mir über das Urteil des Bundesverfassungsgerichthofs zur Sicherungsverwahrung erschienen.
Nicht erst seit Gerhard Schröders „Wegsperren, und zwar für immer!“ haben Politiker immer wieder versucht, aus der Angst der Bevölkerung vor „hochgefährlichen Gewaltverbrechern“ Kapital zu schlagen. Gesetzesverschärfungen haben dafür gesorgt, dass die Zahl der Sicherungsverwahrungen stetig wuchs, obwohl schwere Gewalt- und Sexualdelikte nicht häufiger wurden. Während sich die Anstalten füllten, entstand ein kaum noch zu durchschauendes juristisches Regelwerk.

Freitag, 13. Mai 2011

Ah, Schäuble, „der alte Fuchs“! Lange mussten wir ohne ein Überwachungsprojekt von ihm auskommen. Aber auch als Finanzminister bleibt er sich scheinbar treu.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lässt Mitarbeiter systematisch überwachen und ihre Verbindungsdaten von E-Mails, Faxen und Telefonaten auswerten. Dadurch will Schäuble feststellen, wer mit Medienvertretern in Kontakt steht und interne Informationen weiterreichen könnte. Die Überwachung reicht bis zu seinen eigenen Staatssekretären.
Ist so etwas, Entschuldigung, erlaubt?

Dienstag, 10. Mai 2011

"Nach den etablierten Diagnose-Manualen ist auch Rauchen eine psychische Störung."

Die FAZ interviewt den bekannten Forensiker Hans-Joachim Kröber über die Sicherungsverwahrung.
Wir haben es mit drei Gruppen von Sicherungsverwahrten zu tun. Die Zahl der kleinen Lichter, die eher lästig als gefährlich sind, ist stark gesunken. Dann ist eine Reihe Leute darunter, die sich ihre Sicherungsverwahrung sorgfältig erarbeitet haben: Fünfzigjährige, bei denen schon die Jugendhilfe versagt hat und die fast ihr ganzes Leben im Gefängnis verbracht haben, Dissoziale mit einer klassischen kriminellen Karriere. Aber das sind nicht unbedingt spezielle Sexual- oder Gewalttäter. Schließlich gibt es Einzelne, die ein hochgradiges Gefahrenpotential habe, weil sie sich nur als tüchtig empfinden, wenn sie andere zerstören. Das sind vermutlich jene, an die das Verfassungsgericht denkt, wenn es von einer konkreten Gefahr neuer Taten spricht: Täter, denen das nächste Verbrechen auf die Stirn geschrieben steht.
Die zweite Gruppe derjenigen, die schon in früher Jugend, teilweise in ihrer Kindheit Erfahrungen mit Heimen, Psychiatrien und Knästen machen, ist wohl die größte. Ich bin mir nicht sicher, ob Kröber es so meint, aber meiner Ansicht nach sind sie der beste Beweis, dass Gefängnis eben nicht "resozialisiert".
Zu dem gegenwärtigen Trend, ehemalige Sicherungsverwahrte in geschlossene Psychiatrien zu verfrachten, sagt Kröber:
Ziemlich beunruhigend ist, dass es eine Frage der sicherheitspolitischen Opportunität werden könnte, wie weit oder eng man die Grenze von "psychische Störung" ziehen möchte. Nach den etablierten Diagnose-Manualen ist auch Rauchen eine psychische Störung.
In der gegenwärtige Debatte ist Kröber eine ziemlich einsame Stimme der Vernunft - gerade weil er auch unangenehme Wahrheiten ausspricht:
Man muss versuchen, sie auch außerhalb der Haftanstalt sozial einzubinden. Sie müssen wissen, es ist nicht egal, was ich mache, andere interessiert das. Dafür braucht es ein dichtes Netz aus Kontakten, betreutes Wohnen, eine tagesstrukturierende Tätigkeit, Bewährungshilfe, Vereine. Das ist erfolgversprechender als der Versuch, Menschen therapeutisch zu behandeln, die fünfzig Jahre lang unbehandelbar waren.

Sonntag, 8. Mai 2011

Freitag, 6. Mai 2011

Kriegsspielzeug der anderen Art


Casualties of War, von der Künstlergruppe Dorothy aus Manchester
In July 2009 Colorado Springs Gazettea published a two-part series entitled “Casualties of War”. The articles focused on a single battalion based at Fort Carson in Colorado Springs, who since returning from duty in Iraq had been involved in brawls, beatings, rapes, drunk driving, drug deals, domestic violence, shootings, stabbings, kidnapping and suicides. Returning soldiers were committing murder at a rate 20 times greater than other young American males. A seperate investiagtion into the high suicide rate among veterans published in the New York Times in October 2010 revealed that three times as many California veterans and active service members were dying soon after returning home than those being killed in Iraq and Afghanistan combined.

Dienstag, 3. Mai 2011

Geschichtsbewusst

Die Sendung "Streitkräfte und Strategien" (NDR INFO) berichtet von der Front. Der afghanisch-deutschen. Am 2. April 2010 kam es bei Isa Kehl zu einem schweren Gefecht zwischen Deutschen und Aufständischen.
Bis zum Abend tobt der Kampf, der drei Bundeswehrsoldaten das Leben kostete, acht zum Teil schwer verwundete … O-Ton Soldat 3: „Heute kommt mir das so vor wie in den Berichten alter Kreta-Kämpfer. Ohne Munition. Ohne Nachschub. Mit dem Rücken zur Wand. Überall lauert der Feind, über den du nichts weißt. Als würden zwischen den Gefechten keine 59 Jahre liegen.“
Übrigens erschossen bei dieser Auseinandersetzung Bundeswehrsoldaten auch sechs afghanische Regierungssoldaten, was in der deutschen Presse aber kaum erwähnt wurde.