Montag, 23. Januar 2023

Täglich viele Stunden Nachrichten zu lesen, hat mich abgehärtet. Wie viele von uns bin ich einigermaßen unempfindlich geworden gegen Stilblüten, Geschmacklosigkeit, Sensationalismus. Mir ist eine Art Hornhaut über die Seele gewachsen.

So hart ist sie allerdings nicht, dass sie nicht doch von Zeit zu Zeit von einer besonders schäbigen Schlagzeile durchstoßen wird. Wie von dieser hier.

Schlimme Schicksale, für eine Handvoll Klicks gleichsam ausgewrungen.

Sonntag, 15. Januar 2023

Fun fact # 61: Ernährungssystem

Die Zahl der Übergewichtigen übertrifft die der von Hunger Betroffenen bei weitem. Übergewichtig sind etwa zwei von fünf Menschen, unterernährt einer von zehn.

Gewalt an Silvester - warum die Aufregung?

Bei Telepolis habe ich die Debatte um die "Silvester-Krawalle" (for want of a better word) kommentiert.

Die vermeintlichen Parallelgesellschaften einer sogenannten Mehrheitsgesellschaft einander gegenüberzustellen, ergibt keinen Sinn. Alle teilen haargenau dieselben Werte: ökonomischer Erfolg und Konsum, Macht und Durchsetzungsvermögen. Drei bis vier Jahrzehnte Neoliberalismus haben Spuren hinterlassen, auch in den armen und migrantischen Stadtvierteln. Unterschiedliche Bevölkerungsgruppen leben für sich und sprachlos nebeneinander her. Gesten der Solidarität sind rar.
Die Ausschreitung nimmt entsprechende Formen an. Aufgrund eigener Beobachtungen möchte ich vom "neoliberalen Riot" sprechen. Die Scheiben von Bushaltestellen gehen zu Bruch, während hochpreisige Fahrzeuge unbeschädigt bleiben. Andererseits kann der neoliberale Riot (wie in London im Jahr 2011) in direkte Aneignung übergehen, wenn Gruppen Einzelnen oder Schwächeren ihre Fahrräder, Mobiltelefone oder Geld rauben. Gegenüber der Polizei dominiert das Spielerische, Zweideutige, Rückt sie vor, trifft sie nicht auf eine Front, der Mob solidarisiert sich nicht, sondern zerstreut sich. Die Gewalt ist tendenziell individualistisch und spektakulär.

Donnerstag, 12. Januar 2023

Wer kann die Welt ernähren?

Das Ernährungssystem ist in der Krise. Der Hunger greift wieder stärker um sich, Nahrung wird als geostrategisches Druckmittel eingesetzt, und die ökologische Krise drückt immer stärker auf die Ernteerträge. Wer kann die Welt ernähren - und wie?
Bei Telepolis hab ich einen Rundumschlag zur globalen Agrarpolitik veröffentlicht. Mein Fazit:
Die Herausforderungen sind gewaltig, geradezu beängstigend: Die Agrarsysteme in großen Teilen von Afrika, Südamerika und Asien müssen agrarökologisch modernisiert werden, mit Anbaumethoden, durch die Bodenfruchtbarkeit und Erntemengen steigen, aber auch langfristig erhalten bleiben. Machbar wäre das, sofern die notwendigen Investitionen getätigt und die nationalen Märkte von der Weltmarktkonkurrenz abgeschirmt würden. In den Agrarsystemen Europas, Nordamerikas und Australiens dagegen und auf den Monokultur-Plantagen in Asien und Südamerika steht eine "Entintensivierung" an – kleinere Einheiten, verschiedene Ackerpflanzen, unterschiedliche und ungleichzeitige Fruchtfolgen, geringere chemische Inputs.
Dies allerdings geht nur, wenn mehr Arbeitszeit und Arbeitslohn eingesetzt wird. Die Rationalisierung der vergangenen Jahrzehnte müsste zum Teil wieder rückgängig gemacht werden. Der breiten Bevölkerung die entstehenden Mehrkosten über die Lebensmittelpreise aufzubürden (worauf die gegenwärtige Politik des Grünen-Bundeslandwirtschaftsministers hinausläuft), ist wiederum illusorisch.
Kann dieses System reformiert werden? "Der Markt" wird dazu jedenfalls nicht in der Lage sein, auch nicht mit geschickt gesetzten, ökologischen Anreizen. Eine Agrarwende zu erwarten, ohne die Eigentums- und Machtverhältnisse im Sektor tiefgreifend zu verändern, ist bloße Träumerei. Die entscheidenden Stakeholder haben an ihr keinerlei Interesse.

Freitag, 6. Januar 2023

Landwirtschaft auf der Flucht

In der Schweizer Wochenzeitung setze ich mich kritisch mit Vertical Farming auseinander. Diese Branche gerät wegen der Zinswende und des spärlicher fließenden Risikokapitals in eine Krise. Aber wenigstens in diesem Fall gilt: Was fällt, soll man noch stoßen!
Die industrialisierte Landwirtschaft macht sich bereit zur Flucht – zu einer Flucht aus Ökosystemen, zu deren Zerstörung sie selbst erheblich beigetragen hat.

Montag, 2. Januar 2023

Wenn die Flut zurückgeht

Die Zinswende setzt "kreditgetriebene Geschäftsmodelle" unter Druck. Für Telepolis habe ich eine Analyse der jüngsten Entlassungen bei den Technologie- und Internetkonzernen wie Google und Facebook geschrieben. Im Zentrum steht aber, offenbar unvermeidlich, Elon Musk und sein Firmenimperium.
Elon Musk morgens, Elon Musk abends, Elon Musk rund um die Uhr. Seit der Unternehmer Twitter aufgekauft hat, macht die Berichterstattung gefühlt überhaupt keine Pause mehr ... Dass es sich lohnt, ein Spektakel zu veranstalten, hat Elon Musk im Laufe seiner Karriere verinnerlicht. Die Medien kommentieren jeden seiner Schritte, jede Äußerung, sie lieben ihn, denn er wird niemals langweilig. Früher galt Musk bei vielen als technologischer Visionär. Seit der chaotischen Übernahme von Twitter berichten die Medien weniger freundlich. Nun wird er dämonisiert, statt idealisiert. ... Aber die Persönlichkeit von Elon Musk, sofern sich diese überhaupt aus seinem öffentlichen Auftreten erschließen lässt, erklärt sein unternehmerisches Handeln nicht. Als Unternehmenschef der Technologiebranche tut Elon Musk lediglich, was gegenwärtig angesagt ist.

Teil 1: Wenn die Liquiditätsflut abebbt

Teil 2: Ist der digitale Kapitalismus schon wieder vorbei?