Alle können mit dem Thema etwas anfangen, weil der Datenschutz wirkliche Probleme und gesellschaftliche Kämpfe aufgreift – im Betrieb, im Verhältnis zwischen Staat und Bürgern, in Familien und in der Sexualität. Aber der Datenschutz betrachtet diese Konflikte ausschließlich aus der Perspektive der Informationen. Er kennt die Menschen nur als gleiche, Verträge schließende Rechtssubjekte. Anhand der Leitfrage, wer was erfahren darf, verregelt und verrechtlicht er die Auseinandersetzungen. Das Gefälle zwischen den Mächtigen und den (angeblich) Wehrlosen versucht er auszugleichen, indem er dem Mächtigen Informationen vorenthalten will.
Das Vorhaben, Diskriminierung durch Geheimhaltung zu verhüten, ist nicht nur praktisch wenig erfolgreich, sondern führt auch in ziemlich komische moralische Fragen. Denn wenn man nichts dagegen einzuwenden hat, daß der eine Proletarier die Arbeitsstelle bekommt und zwanzig andere nicht – warum soll die Angelegenheit dadurch besser werden, daß der Chef bestimmte Informationen bei der Entscheidung nicht berücksichtigt? Wenn knappe Ressourcen wie Kredite oder gar Transplantationsorgane vergeben werden und die Entscheider dabei raten müssen, weil sie wenig über die potentiellen Empfänger wissen – welche Sorte Gerechtigkeit ist das eigentlich?
Sonntag, 29. Mai 2011
Warum reden eigentlich alle vom Datenschutz?
Meine Rezension von "Die Datenfresser" von Constanze Kurz und Frank Rieger ist in der Konkret erschienen. Warum reden also alle vom Datenschutz?