Mittwoch, 30. Dezember 2009

"Hände hoch oder wir setzen unseren Raketenwerfer ein!"

In der ausgezeichneten Sendung 'Streitkräfte und Strategien' vom NDR berichtet Andreas Dawidzinski über einige (der) Absurdidäten des Afghanistan-Kriegs. So stellt die Bundeswehr seit 2008 die Schnelle Eingreiftruppe im Norden des Landes.

Für den eilig aufgestellten deutschen QRF-Verband verlegte die Bundeswehr Mörser, Panzerabwehr-Raketen und Schützenpanzer an den Hindukusch. Obwohl die Truppe auch offensiv vorgehen sollte, wollte die Bundeswehr-Führung aber von einer neuen Qualität des Einsatzes nichts wissen. Es sollten weiterhin die defensiven Einsatzregeln gelten. Wann von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden darf, ist in einer Taschenkarte festgehalten, die die Soldaten bei sich tragen. Ihr Tenor: Die Schusswaffe darf nur eingesetzt werden, wenn die Soldaten direkt angegriffen werden.

Der Beitrag zitiert dem FDP-Verteidigungspolitiker Rainer Stinner

In der Taschenkarte ist enthalten, dass vor Einsatz von Schusswaffen der potenzielle Gegner angerufen werden muss, auf Englisch, auf Dari oder Paschto, also die beiden Landessprachen. Das heißt also, dass ich vorher sagen muss: Halt, Stopp, hier NATO - nicht weitergehen. Das ist im Rahmen der Aufträge, die unsere Soldaten machen, und zunehmend auch im Rahmen der QRF dann machen werden, völlig unpraktikabel. Das sehen Sie schon daran, dass wir zum Beispiel Mörserwaffen nach Afghanistan bringen, die eine Reichweite von vier Kilometern haben. Wie können Sie dort noch diese Regel, dass vorher angerufen werden muss, einsetzen? - Völlig unpraktikabel.

Hat das Herumgedruckse der Deutschen, ob es sich bei den Kämpfen nun um einen Krieg handelt, auch damit zu tun, dass man unter Umsänden das Kriegsrecht achten müsste? Scheinbar nicht, jedenfalls nicht nach dem Professor für Völkerrecht an der Universität Hamburg Stefan Oeter, der folgende, zumindest juristisch elegante Lösung präsentiert:
Auch für Völkerrechtler ist es schon längst keine Frage mehr, dass es in Afghanistan einen nicht-internationalen bewaffneten Konflikt gibt, also einen Krieg. Die Aufständischen sind danach legitime militärische Ziele, die angegriffen werde können, auch wenn sie keine Kombattanten sind. Stefan Oeter: "Die Aufständischen sind statusmäßig eigentlich Teile der Zivilbevölkerung. Es gibt eine Ausnahmeregelung, dass Zivilpersonen, die unmittelbar an Feindseligkeiten beteiligt sind, die also im Grunde mit Waffengewalt gegen die Regierung kämpfen, dass die im Grunde aus dem Schutz der Zivilbevölkerung ausgeklammert sind und gezielt getötet werden dürfen. Also insofern kann man sagen, dass sie von der negativen Seite her den Kombattanten gleichgestellt werden. Aber es gibt nicht die positive Seite des Kombattantenstatus, dass sie selbst im Grunde das Privileg der Straffreiheit hätten für ihre Gewalthandlungen."

Dienstag, 29. Dezember 2009

"Im Kindermädchenstaat seid ihr alle Beamte!"


Ah, die zuverlässige britische Regierung - lange hat sie keine Grenze mehr überschritten in ihrer Bemühung, Sozialpolitik zur ideologischen Massen-Psychotherapie zu machen. Die Akademikerarbeitslosigkeit im Land ist so hoch wie niemals zuvor.
Almost one-in-10 students were without a job after leaving university last year as unemployment rates hit a record high. More than a fifth of students at some institutions were left without work or a postgraduate place six months after completing degrees.

But no longer! Das Wirtschaftsministerium eilt den arbeitslosen Uni-Absolventen zur Hilfe, nämlich in Form einer Broschüre, berichtet unter anderem die Daily Mail.
... the advice, entitled Parent Motivators, also warns against being 'too supportive'. It asks: 'If you are making life too comfortable at home, why would they get a job? 'If you are providing free board and lodgings, a well-stocked fridge, washing and ironing done, plus an allowance, there's not much drive there. So cut back to help increase their motivation.'

Das Heft trägt den Titel "Parent Motivators: A parent's guide to helping graduates find work" und fordert Eltern unter anderem auf, ihre Kinder anzulügen
Remind them that the recession will end and that graduates will be needed when companies re-energise for new business. In a few years the majority of graduates will be doing as well as they always have.

und zu pathologisieren
Look out for their mental health, and if there are changes to eating and sleeping patterns or a loss of energy, encourage them to see a doctor.

und nach dem akademischen Höhenflug sanft, aber bestimmt zurück auf den Boden der wirtschaftlichen Tatsachen zu holen
Don’t dismiss their ideas but also encourage them to be realistic. Yes, some people will make it as actors and film script writers but many just waste away the years. People often pursue careers such as this alongside a job, so encourage them to get a job to increase their independence and so they can support themselves on their dream path.

Samstag, 26. Dezember 2009

"Gezielte Werbung führt zu einer Zersplitterung der Öffentlichkeit"


Mein Artikel über gezielte Werbung (samt einem Interview mit Joseph Turow und Chris Hoofnagle) steht bei TELEPOLIS im Netz.
"Web-Tracking", "maßgeschneiderte" oder "Verhaltenswerbung" (tailored/behavioural advertising) soll den Konsumenten genau das anbieten, was diese gerade brauchen (könnten). Das wäre der Königsweg zum Kunden, einer ohne die finanziellen "Streuverluste", unter denen die herkömmlichen Werbekampagnen leiden. Ja, sogar ein alter Markthändlertraum könnte nun wahr werden: Die Preise ließen sich auf den jeweiligen Konsumenten abstimmen, bis zu der maximalen Summe, die er für eine bestimmte Ware zu zahlen bereit ist.

Samstag, 19. Dezember 2009



Freitag, 18. Dezember 2009

Des Kaisers neue Medizin


Ein alter Mann in einem abgetragenen Bademantel und Hausschuhen keuchte den Krankenhausgang entlang, alle zwei Meter musste er anhalten. Aber wenn einer der Weißkittel vorbeikam, nahm er Haltung an, Schultern zurück, Brust raus.

Das war nicht in einem Kurort, sondern in einer Industriestadt, die fortwährend Körper verbrauchte und verschliss, an manchen Stellen rabiater als an anderen. Wer nicht in den Vororten oder, besser noch, im Umland wohnte, fand das normal. Die Menschen nahmen es als Schicksal und machten einen Witz darüber. Man drückte sich, wo es ging.

Meine literarisch dilettantierende / delirierende Besprechung von Irving Kirschs "The Emperor's New Drugs" ist im FREITAG dieser Woche erschienen. Gleichzeitig mein Versuch, die Frage zu beantworten, ob und inwiefern Depression eine Krankheit und der Placebo-Effekt eine Heilung ist.

Donnerstag, 17. Dezember 2009

Dienstag, 15. Dezember 2009

Die Zwangs-Boulevardisierung geht weiter:
"Der Fall Caster Semenya und der Selbstmord von Robert Enke. Das Sportjahr war ungewöhnlich ereignisreich."
Wo ist der Karl Kraus des Internets, der den Schmierfinken auf die Finger schlägt?

Donnerstag, 10. Dezember 2009


"Geht Alles von der Arbeitszeit ab. (Leider auch vom Leben!)"

Arno Schmidt

Mittwoch, 9. Dezember 2009

Gründe, WEB.DE zu hassen

- "Video: Felsbrocken erschlägt Touristen"

- "Bewaffnete Killer auf der Flucht"

- "Die Grenze zwischen Flirten und sexueller Belästigung ist schmal, und die Weihnachtsfeier ist nicht der Ort, sie auszutesten."

-

Montag, 7. Dezember 2009

Innocent till proven profitable

Während in manchen US-Bundesstaaten die Privatgefängnisse geschlossen werden (weil kein Geld mehr vorhanden ist), werden in Arizona noch mehr Privatgefängnisse eröffnet (weil kein Geld mehr vorhanden ist).

The Word - The Green Mile
www.colbertnation.com


Der Satiriker Stephen Colbert applaudiert.


[ via criminologica via change.org ]

Dienstag, 1. Dezember 2009

Was ich erstreben will, daß nichts abhängen soll von dem Leben oder Dasein einer bestimmten Person, daß mit derselben kein Wissen und keine Funktion entweiche, daß nichts geschehe, nichts geschehen sei (von eingreifender Bedeutung), was nicht im Zentrum in der Prokura bekannt sei oder mit Vorwissen oder Genehmigung derselben geschehe, daß man die Vergangenheit der Fabrik sowie die wahrscheinliche Zukunft derselben im Büro der Hauptverwaltung studieren und übersehen kann, ohne einen Sterblichen zu fragen.
Alfred Krupp, 1874