Donnerstag, 27. November 2014

"Streitschrift gegen die Privatisierungstendenzen im Gesundheitswesen"

Peter Nowak bespricht "Mythos Vorbeugung" im Neuen Deutschland (Paywall).
Für die meisten gesundheitlichen Probleme in der Gesellschaft sei eher die Ungleichheit verantwortlich. Sie zu überwinden sei demnach die beste Vorbeugung. Auch diese Erkenntnis ist keineswegs neu, wie Becker am Beispiel des Mediziners und Sozialpolitikers Rudolf Virchow zeigt. Als Teil einer Expertenkommission besuchte er 1848 das von einer schweren Epidemie betroffene Oberschlesien und fand dort Menschen in unbeschreiblicher Armut und katastrophalen hygienischen Verhältnissen. Virchow merkte schnell, dass er sich mit sozialen Bestrebungen in der preußischen Feudalgesellschaft Feinde machte und konzentrierte sich ganz auf seine medizinische Arbeit. Becker zeigt auf, dass gerade im Zuge der Krise in Ländern wie Griechenland und Spanien Krankheiten, die bisher als beherrschbar galten, wieder eine tödliche Gefahr vor allem für arme Menschen werden. Sein gut lesbares, informatives Buch ist auch eine Streitschrift gegen die Privatisierungstendenzen im Gesundheitswesen.

Freitag, 21. November 2014

Für die Balkanisierung der deutschen Parteienfinanzierung

Norbert Lammert, der lustige Präsident des Bundestages, will der lustigen Partei Alternative für Deutschland ihren Goldhandel verbieten:
Dass die von der AfD betriebenen Handelsgeschäfte zur Erhöhung der staatlichen Zuschüsse an die Partei führen, widerspricht nach seiner Auffassung dem verfassungsrechtlichen Grundgedanken, dass Parteien sich zu einem Anteil von mindestens 50 Prozent selbst finanzieren müssen, worin sich - einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgend - die hinreichende gesellschaftliche Verwurzelung von auch staatlich geförderten Parteien abbilden soll. Eine gesellschaftliche Verwurzelung werde durch den Handel mit Gold aber sicherlich nicht dokumentiert.
Die Summe, die eine Partei erhält, richtet sich nämlich nicht nur nach der Zahl der erreichten Wählerstimmen, sondern auch nach den Spenden, die sie einwirbt. Je mehr Geld die Partei einnimmt, umso mehr Steuergelder bekommt sie dazu - wer hat, dem wird gegeben! Lammert stört nun nicht etwa dieses merkwürdige System, sondern nur, dass die Rechtskonkurrentin AfD eine lukrative Einnahmequelle aufgetan hat (und über eine spendenwillige und finanzstarke Anhängerschaft verfügt).

Nur schad wär's schon, sollte der AfD der Goldhandel verboten werden. Ich hatte gehofft, ihr Beispiel würde Schule machen: Die Linke könnte die Ost-Mark vertreiben, die CSU den Bayrischen Taler und die mittlerweile virtuelle FDP Bitcoins.

Dienstag, 18. November 2014

"Mythos Vorbeugung" - Die ersten Besprechungen trudeln ein

Lisa Mayr bespricht "Mythos Vorbeugung" im Standard, sehr gründlich und wohlwollend.
Becker verknüpft in seinem profund recherchierten und faktenreichen Band die historische Entwicklung der Sozialmedizin mit neuesten Studienergebnissen zum Einfluss von Prävention und sozialer Herkunft auf die Gesundheit. Der Text ist übervoll von interessanten Details und ist streckenweise fast zu dicht geraten.
Der Autor erklärt, warum schwierige Lebensumstände krank machen: Weil Prekarität und die fehlende Möglichkeit, Belastungen abzubauen, zu chronischem Stress führen. Der wiederum behindert die Immunantwort im Körper und kann chronische Krankheiten begünstigen. Bronchitis, Bluthochdruck, Magenkrebs – fast alle Krankheiten sind in der untersten Einkommensgruppe doppelt bis dreimal so häufig wie in der obersten.
"Besonders schädlich sind permanente Besorgnis, kein Nachlassen der Anforderungen, keine Erfolgserlebnisse und Gefühle von Machtlosigkeit", schreibt Becker. Existenzieller Stress und die Möglichkeit zu seiner Bewältigung sind in der Bevölkerung aber höchst ungleich verteilt: Der soziale Unterschied findet sich bei praktisch allen Erkrankungen
In der Wochenzeitung hat letzte Woche Jutta Blume mein Buch rezensiert (Paywall).
In seinem Buch «Mythos Vorbeugung» zeigt Matthias Martin Becker, wie es zum vorherrschenden Prinzip der Prävention in der Medizin kam, was dieser Ansatz wirklich zu leisten vermag und zu welchen blinden Flecken er führt. Letztere sind gross, da die Vorbeugung stets beim Individuum, nicht aber bei der Gesellschaft ansetzt.

Mittwoch, 12. November 2014

Der Boulevard, ja der Boulevard, der ist breit. Da kann der Spaziergänger schon einmal die (politische) Orientierung verlieren.

Wie gut, dass web.de ganz große Schilder aufstellt, die den Lesern sagen, was sie zu denken und fühlen haben!