Lisa Mayr
bespricht "Mythos Vorbeugung" im
Standard, sehr gründlich und wohlwollend.
Becker verknüpft in seinem profund recherchierten und faktenreichen Band die historische Entwicklung der Sozialmedizin mit neuesten Studienergebnissen zum Einfluss von Prävention und sozialer Herkunft auf die Gesundheit. Der Text ist übervoll von interessanten Details und ist streckenweise fast zu dicht geraten.
Der Autor erklärt, warum schwierige Lebensumstände krank machen: Weil Prekarität und die fehlende Möglichkeit, Belastungen abzubauen, zu chronischem Stress führen. Der wiederum behindert die Immunantwort im Körper und kann chronische Krankheiten begünstigen. Bronchitis, Bluthochdruck, Magenkrebs – fast alle Krankheiten sind in der untersten Einkommensgruppe doppelt bis dreimal so häufig wie in der obersten.
"Besonders schädlich sind permanente Besorgnis, kein Nachlassen der Anforderungen, keine Erfolgserlebnisse und Gefühle von Machtlosigkeit", schreibt Becker. Existenzieller Stress und die Möglichkeit zu seiner Bewältigung sind in der Bevölkerung aber höchst ungleich verteilt: Der soziale Unterschied findet sich bei praktisch allen Erkrankungen
In der Wochenzeitung hat letzte Woche Jutta Blume mein Buch
rezensiert (
Paywall).
In seinem Buch «Mythos Vorbeugung» zeigt Matthias Martin Becker, wie es zum vorherrschenden Prinzip der Prävention in der Medizin kam, was dieser Ansatz wirklich zu leisten vermag und zu welchen blinden Flecken er führt. Letztere sind gross, da die Vorbeugung stets beim Individuum, nicht aber bei der Gesellschaft ansetzt.