Ich habe das zum Anlass genommen, bei Telepolis über Austerität, Neoliberalismus und den Staat nachzudenken. Denn das britische Beispiel ist durchaus lehrreich:
Austerität bedeutet "Sozialabbau", aber nicht Schuldenabbau. Seit dem Zweiten Weltkrieg steigt langfristig die Staatsverschuldung, mal schneller, mal langsamer, über die Konjunkturzyklen hinweg. Die Phase des "Neoliberalismus" ab Anfang der 1980er Jahre unterscheidet sich natürlich vom vorangegangen "Keynesianismus", aber nicht hinsichtlich des Schuldenmachens. Alle britischen Regierungen seit und einschließlich der von Margaret Thatcher haben mit Defizitfinanzierung in den Konjunkturkreislauf eingegriffen.Etwas zugespitzt ließe sich die Entwicklung seit 2008 mit dem Begriff "Verstaatlichung der Finanzbranche" oder auch "Souveränität der Finanzmärkte" beschreiben. Verhielten die Zentralbanken anders, gäbe es keine steigende Börsenkurse und Beschäftigungsquoten, sondern Rezession. Es ist schon merkwürdig: Niemals hing das Wohl und Wehe der Nationalökonomie so sehr am Tropf des Staates – und niemals hatte er einen so schlechten Leumund. Der Versuch, mit brachialer Gewalt die Staatsquote zu senken (Gewalt durchaus auch im handgreiflichen Sinn), hat etwas Verzweifeltes, vielleicht ist er auch einfach die notwendige Ergänzung zu dieser tendentiellen Verstaatlichung.
Lässt sich unsere Wirtschaftsform, ein fortgeschrittener Kapitalismus ohne staatliche Verschuldung aufrechterhalten? Auch auf der nationalen und internationalen Ebene gibt es eine Art "extend and pretend", Fristen verlängern, aufschieben und beten. Die Selbst-Täuschung besteht darin, eine offensichtlich säkulare Entwicklung wie eine vorübergehende Konjunkturschwankung zu behandeln und die historische Zäsur der neuen Weltwirtschaftskrise zu ignorieren.