Nicht der Ton sei problematisch, sondern die Fälschung, heißt es. Das ist falsch, denn die Fälschungsanfälligkeit beginnt beim Ton. Beim hohen Ton, in dem allen Ernstes die Hybris vorgetragen wird, man könne die großen Linien der Zeitgeschichte mitunter auf vier „Spiegel“-Seiten zusammenziehen. Wer glaubt, die Gegenwart werde durch Geschichten („Stories“) über Menschen (den lügenden Reporter, den durch die Hölle gehenden Kollegen, die Ressortleitung, den Reporterhelden, der wahre Geschichten mitbringt, die noch dazu spannend sind – oder spannende, die noch dazu wahr sind?) ganz menschlich verständlich, für den hat Hans Magnus Enzensberger vor mehr als sechzig Jahren einen guten Text geschrieben. Die Form der Story, so der Befund von „Die Sprache des Spiegels“ 1957, verwandele alle Nachrichten „in ein pseudoästhetisches Gebilde, dessen Struktur nicht mehr von der Sache, sondern von einem sachfremden Gesetz diktiert ist.“ Nämlich von dem der Unterhaltung. Die Story, nicht die Nachricht, bedürfe eines Anfangs und eines Endes; die Story, nicht das Argument, bedarf einer Handlung und eines Helden. „Die Anekdote bestimmt die Struktur einer solchen Berichterstattung; die Historie wird zum Histörchen.“Man schreibt also nicht über Argumente, Ideen und Interessen, sondern über Menschen, die sie angeblich haben, und darüber, wie sie so sind, diese Menschen, wie sie aussehen und wie sie wohnen, wo man sie getroffen hat, wie gefährlich oder wenigstens exotisch es war, sie überhaupt zu treffen, und dass der Wind gegen die Kaimauer peitschte, als Glanz und Elend nachts im Zimmer Nr. soundso zusammenkamen.
Freitag, 28. Dezember 2018
Argumente brauchen keine Helden
Abschließende Worte zum Fall Relotius findet (ausgerechnet) FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube und rekurriert dabei auf Enzensberger: