Heute geht es darum, das postmoderne Sinnbild dieses Denkens zu hinterfragen: das ohnmächtige Auf-der-Stelle-Treten im Angesicht einer globalen Katastrophe, die sich immer deutlicher ankündigt, eine Simulation, stimuliert durch die Trugbilder des eigenen Dahinschwebens, befreit von den Unwägbarkeiten einer allzu vorhersehbaren Realität. Hier geht es weder vorwärts noch rückwärts; der Mensch auf dem Laufband versucht die Schuld des Lebens zu sühnen oder den Moment des Todes hinauszuschieben – zwei fixe Ideen, die ihn quälen An seinen Posten gebannt überwacht er die eigene Leistung, angetrieben von Dopamin; wenn es um das Hochgefühl geht, das das Cardio-Training ihm beschert, ist er zugleich Dealer und Süchtiger. Er müht sich ab und ist dabei sein eigener Chef, er betätigt sich als time keeper der eigenen Ausdauer und ist schlussendlich ein Proletarier, der nichts zu verlieren hat als seine überschüssigen Pfunde. Neben den anderen Gestalten, die alle auf derselben Startlinie feststecken, arbeitet er daran, die Arbeitskraft wiederherzustellen, die daran arbeitet, die Arbeitskraft wiederherzustellen, die daran arbeitet … … und immer so fort gemäß einem bekannten kapitalistischen Teufelskreis.
Dienstag, 16. September 2025
Das Laufband als Allegorie
Für die Sendung Andruck habe ich Yves Pagès Buch Endlose Ketten besprochen. Das Laufband, eine Erfindung des späten 18. Jahrhunderts, gehört zu den Basisinnovationen, die unterschiedlichste Funktionen erfüllen. So transportieren Laufbänder Teller mit Sushi zu Restaurantgästen oder verschaffen Haustieren Bewegung oder erleichtern den Weg durch den Flughafen und, natürlich, disziplinieren die Fabrikarbeiter. Insofern gewagt von Pagès, das endlose Band zum Leitmotiv einer historischen Darstellung zu machen. Es funktioniert, weil es ihm nicht um historische Exaktheit geht, sondern um Inspiration und Kritik. Das Fließband dreht sich um sich selbst, glaubt er, so wie der kapitalistsche Fortschritt. Dass immer mehr Menschen auf den Laufbändern in den Fitness-Studios immer mehr Kilometer zurücklegen, versinnbildlicht für ihn, wie tautologisch, selbstbezügliche und sinnlos die Vergesellschaftung geworden ist. Und zum Schuss - ganz überraschend, denn davon ist vorher keine Rede - schlägt er einen Bogen zur ökologischen Krise: