Dienstag, 2. November 2010

Eigentlich habe ich von diesem deprimierenden Thema mehr als genug. Aber, aus gegebenem Anlass - Sicherungsverwahrung, zum allerletzten:

Das von der Regierung geplante "Therapie-Unterbringungsgesetz" soll nächsten Februar in Kraft treten. Viele Fachleute bezweifeln, daß auf dieser juristischen Grundlage die sogenannten "Altfälle" "weggesperrt" werden können. Unabhängig davon finde ich bedenklich, daß nach diesem Gesetz zur Gefahrenabwehr (worauf kürzlich der Republikanische Anwaltsverein RAV hingewiesen hat)

eine ziemlich wolkig definierte psychische Störung ausreichen soll, um Menschen auf unbestimmte Zeit und nach dem Gutdünken von Richtern und Gutachtern einzusperren.


Nicht bedenklich findet das offenbar die Kriminologin Monika Frommel (Interview in der taz). Ein kurzer Auszug:
Verstößt das nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, wenn das Straßburger Urteil damit einfach ausgehebelt wird?
Nein, denn die Konvention lässt eine Freiheitsentziehung bei "psychisch Kranken" ausdrücklich zu.

Die Sicherungsverwahrten sind aber nicht "psychisch krank"…
Aus Sicht der Konvention genügt eine psychische Störung, etwa eine dissoziale Persönlichkeitsstörung, mit abnormer Aggressivität und fehlender Empathie für die Opfer. Auch der Straßburger Gerichtshof hat das schon bestätigt.

Wie viele Sicherungsverwahrte haben wohl eine psychische Störung?

Fast jeder.

Oh ja, fast jeder, denn "dissoziale Persönlichkeitsstörung" ist die häufigste Diagnose bei Gefängnisinsassen überhaupt, keineswegs nur bei den Sicherungsverwahrten!

Langsam entdecken auch linke gefängniskritische Gruppen das Thema. Das "Projekt Baulücken" bringt das Beispiel von einem Tankstellenräuber:
für einen mann, dem bislang lediglich ein tankstellenüberfall am 16. februar 2010 nachgewiesen werden konnte, hat die staatsanwaltschaft im august 2010 eine haftstrafe von achteinhalb jahren und anschließende sicherungsverwahrung beantragt. der staatsanwalt betonte, dass laut dem psychiatrischen gutachten bei dem angeklagten ein hohes rückfallrisiko bestehe und somit weitere straftaten zu erwarten seien. der mann stelle damit eine gefahr für die allgemeinheit dar, die eine sicherungsverwahrung erforderlich mache.

Ich kann dieses Beispiel nicht nachprüfen. Aber es illustriert, in welche Richtung die "Reform" der SV geht: "rückfallgefährdet" steht für "krank" steht für "gefährlich" ...