Montag, 24. Januar 2011

Daten ≠ Information ≠ Wissen

In der FAZ vom Samstag nimmt Mercedes Bunz uns Leser mit auf einen kurzen technik-philosophischen Ausflug über "Das Denken und die Digitalisierung". Im Ernst, ich bewundere ein Selbstvertrauen, das sich solchen Fragen auf anderthalb Zeitungsseiten nähert. Um das zu übertreffen, muss man wahrscheinlich Heidegger, Leroi-Gourhan und Benjamin (die Stichwortgeber von Bunz) über Twitter erläutern.

Reason I'm writing: Neben vielen interessanten Beobachtungen sagt Bunz, dass wir Zeitgenossen gerade die Automatisierung des Wissens, seiner "Verbreitung" und "Produktion" erleben.
Historisch sind die Ausmaße der Digitalisierung mit jenen der industriellen Revolution vergleichbar; doch während die Industrialisierung die Kraft des Arbeiters durch die Maschine ersetzt und bestehende Arbeitsabläufe automatisiert hat, automatisiert die Digitalisierung das Wissen.

Ihre Belege für diese These sind vor allem neuere Anwendungen der semantischen Text- und Sprachanalyse. Etwas weiter im Text heißt es:
Google automatisiert (...) das Finden von Wissen, nicht jedoch seine Produktion - das aber wird Gegenstand der nächsten Stufe der Digitalisierung. Dann wird Wissen nicht mehr von Menschen gedacht und aufgeschrieben, sondern aus verschiedenen Datensätzen neu zusammengefügt und errechnet.

Nun darf man in der Akademie ja Definitionen zusammenschustern, wie man lustig ist, aber ich halte diese hier dennoch für grundverkehrt, weil sie die Technik und nicht die menschliche Praxis ins Zentrum rückt. Damit, fürchte ich, sind auch Bunz' Überlegungen über über die Auswirkung der Digitalisierung beispielsweise auf Arbeit und Wirtschaft hinfällig. Die automatische Erzeugung und Verknüpfung von Daten, von der Bunz eigentlich spricht, sagt nämlich gar nichts aus über Wissen als menschliche Eigenschaft und Ergebnis einer Verstehensleistung. Ich zitiere mal (wieder) mich selbst, aus "Datenschatten":
Unter Informatikern kursiert der Merkspruch, dass »Daten keine Information« sind. Damit drücken sie ihre leidvolle Erfahrung aus, dass sich mit noch so viel elektronisch gespeicherten Daten nichts anfangen lässt, wenn sie nicht in eine sinnvolle Ordnung gebracht werden können. Aus Daten kann also unter Umständen Information und schließlich sogar Wissen werden. Dafür ist aber eine geeignete Reihenfolge, eine Struktur nötig, die die Daten lesbar und verstehbar macht. Ohne eine solche Ordnung bleiben Daten nichts als abstrakte Zeichen – und somit sinnlos.
Aber auch wenn eine solche Struktur existiert, ist das immer noch keine Garantie, dass nun Wissen aus den Daten entstünde: Nicht alle Menschen verstehen die Zeichen, auch wenn sie grundsätzlich verständlich sind, und nicht alle verstehen sie auf die gleiche Art und Weise. Etwas zu wissen bezeichnet eine Eigenschaft oder das Verhalten von Menschen. Insofern wissen Maschinen nichts – auch wenn sie Informationen verarbeiten. Wissen ist eine subjektive menschliche Leistung. Es ist das Ergebnis von Verstehen, Begreifen und Interpretieren.