Samstag, 28. Januar 2012



Premiere !

Mitte der Woche habe ich das erste Radio-Interview meines Lebens geführt! Und zwar mit der Sendung 'Rabotz' beim Freien Radio Blau / Leipzig. Es geht um Überwachung am Arbeitsplatz und in familiären und Liebesbeziehungen; eine editierte Version lässt sich hier noch mal anhören.

Samstag, 14. Januar 2012


"Das ganze Leben ist ein Quiz ..."


Regierung als Casting-Show - diese Schlagzeile bei Web.de finde ich eigentlich eher lustig als schlimm. Mein Wunschkandidat ist übrigens Dieter Bohlen; der sagt dann den deutschen Staatsschauspielern, "was für eine erbärmlich Performance" sie abliefern.

Mittwoch, 11. Januar 2012

"Die Macht des Lügendetektors beruht auf dem Glauben an die Macht des Lügendetektors"

Mein Interview mit Ken Alder über die Geschichte der Polygraphie ist bei Telepolis erschienen. Alder kritisiert die Vorstellung, an körperlichen Zuständen ließen sich subjektive Wahrheit oder "bösartige Absichten" ablesen, und erklärt, warum die Technik trotzdem nicht totzukriegen ist.
Alder: Der Lügendetektor ist eine Maschine der Einschüchterung. Die Methode funktioniert umso besser, je mehr der Befrager an die Wirksamkeit des Apparats glaubt oder wenigstens den Befragten überzeugen kann, dass die Maschine tatsächlich herausfinden kann, ob er lügt. In meinem Buch beschreibe ich, wie der Erfinder Leonarde Keeler den Glauben an die Effektivität des Detektors kultivierte. Keeler nutzte dazu zum Beispiel einen Kartentrick: Die Verdächtigen mussten abstreiten, dass sie eine bestimmte Karte gezogen haben, wenn er die richtige Karte aufdeckte - angeblich mit Hilfe des Lügendetektors, in Wirklichkeit, weil er die Karte markiert hatte.
Interessant ist die Thematik "Lügendetektion", weil ja gerade in modernisierter Form ähnliche Systeme entwickelt werden, beispielsweise in den USA die Future Attribute Screening Technology. Und auch in Europa nutzt Überwacshungstechnik zunehmend körperliche Signale, um "verdächtiges Verhalten" zu entdecken.

Und weil die im Interview erwähnte Szene aus The Wire eine ganze Promotion ersetzt, hier noch mal:

Freitag, 6. Januar 2012

Junge Welt doch nur politisch verwirrt?

Die Zeitung hat sich mittlerweile zum Vorwurf geäußert, ein Mitarbeiter hätte eine Email, mit der die Besetzer der Brunnenstraße vor der Räumung gewarnt wurden, an die Polizei weitergeleitet.
Die junge Welt gibt keine Informationen an Behörden weiter. Nachfragen seitens der Polizei oder anderer Stellen müssen an die Chefredaktion oder die Geschäftsführung weitergeleitet werden. Mitarbeitern, die gegen diese eklatanten Grundsätze journalistischer Arbeit verstoßen, wird fristlos gekündigt.
Eben diese Grundsätze wurden beachtet. Das versicherte am Donnerstag der Kollege, der seit mehr als einem Jahr nicht mehr bei junge Welt arbeitet, auf unsere Nachfrage. Im übrigen verweisen wir darauf: Nach dem Publikmachen der E-Mail durch das Projekt »Brunnen 183« im Internet und dem jW-Bericht am 3. Dezember 2009 hatte das Berliner Landeskriminalamt die Redaktion über Monate mit Anfragen belästigt und bedrängt, das fragliche Schreiben herauszurücken, was in jedem einzelnen Fall mit Verweis auf die genannten journalistischen Grundsätze abgelehnt wurde.

Na, was denn nun? Die Bewohner der Brunnenstraße konnten sich auch nicht vorstellen, dass ein Polizist sie aus Sympathie vor der Räumung warnen würde. Nach der Räumung schrieben sie:
Ausschreitungen sollten provoziert werden, um der vorangegangenen Medienhetze ein Grundlage nachzuliefern. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Warnanrufe vor der tatsächlichen Räumung und die an das Hausprojekt gerichteten Emails von einem angeblich wohlmeinenden Polizisten in einem anderen Licht. Wir sind davon überzeugt, dass eine gewalttätige Verteidigung des Hauses forciert werden sollte, um den zahlreich eingeladenen Pressevertretern ein gefährliches Terrornest präsentieren zu können. Zitat aus einer Email an die Brunnen183, von Mo. den 23.11.2009: „Ich bin zwar Polizist, solidarisiere mich aber mit der Linken Szene. Bitte vertraut mir und bereitet euch auf die Räumung vor, es sind 4 Hundertschaften für die Räumung vorgesehen, sowie ein SEK–Team."

Nun ist es nicht dasselbe, den Wortlaut zu veröffentlichen oder eine Email weiterzuleiten. Wie kam die Polizei also an die IP-Adresse? Und wie passt zur Theorie der provozierten Ausschreitungen, dass ein Beamter vom Dienst suspendiert wurde und vor Gericht wegen Geheimnisverrat angeklagt wird? Fragen über Fragen ...

Donnerstag, 5. Januar 2012

Quellenschutz bei der Jungen Welt

Bisher hielt ich die Junge Welt lediglich für politisch verwirrt. Bis ich in der Berliner Zeitung von heute folgendes las.
Ein Polizist soll Hausbesetzer der Brunnenstraße vor der Räumung gewarnt haben. Nun steht er vor Gericht. (...) Die elektronische Nachricht nahm einen kuriosen Weg. Sie gelangte nicht nur in die Hände der Hausbesetzer, sondern auch in den Rechner eines Journalisten bei der Zeitung Junge Welt. Dieser leitete die E-Mail an die Pressestelle der Polizei weiter, um zu ergründen, was es damit wohl auf sich habe. Seine Quelle schützte er nicht.

Dienstag, 3. Januar 2012

Die Triebtäter und die Bürger

Das Thema "hochgefährliche Straftäter" ist brisant und taugt für alle möglichen Zwecke. Eine kurze Beobachtung zum (medialen) Diskurs über die Sicherungsverwahrung.

Schweiger: "Was ich so schlimm finde ist, dass wir in Deutschland, wenn es so eine Sendung gibt wie ‚Tatort Internet‘ reden alle nur darüber, wie böse das ist, dass man potenzielle Täter gepixelt im Fernsehen zeigt. Aber die Diskussion, was man dagegen macht, die höre ich nicht mehr. Ich höre immer nur: (...) Sicherheitsverwahrung ist unmenschlich. Das höre ich die ganze Zeit. Ich höre nie, was aus den Opfern wird. (...) Das ist dieses deutsche Gutmenschentum, das mich so ankotzt! (...) Deutschland ist eine Tätergesellschaft! Und es geht auch im ‚Tatort‘ (ARD, Anm. der Red.) immer nur um den Täter, keiner geht in die Geschichte mit dem vergewaltigten Opfer und guckt, was das auslöst. Okay, jetzt hat der Mörder Sicherheitsverwahrung bekommen. Ausnahme! Andere werden aus der Sicherheitsverwahrung rausgelassen."

Til Schweigers Behauptung, es gehe in der Debatte um die Sicherungsverwahrung "immer nur um die Täter", ist ganz typisch Aber sie stimmt nicht. Es geht ebenso wenig um die Täter wie um die Opfer. Es geht um diejenigen, die sich empören. Ihre Abscheu soll bedeuten, dass sie die Anständigen sind, solche, die "mit so was" nichts zu tun haben. Ich habe da meine Zweifel.

Die Art, wie Schweiger und ähnliche Kinderschützer über sexuellen Kindesmissbrauch und Gewalt zu sprechen, ist, psychoanalytisch gesprochen, "überdeterminiert". In die lautstarke Empörung mischen sich widerstreitende Regungen wie Faszination, Angst und aggressive Abwehr. Der sprichwörtliche Sicherungsverwahrte ist ein "Sexualtäter", "Sexgangster", "Sextäter". Er ist eine "unberechenbare Hormon-Zeitbombe", kurz: ein "Triebtäter", der sich nicht im Griff hat.

Mehr noch, er steht für "das Böse", das zu allem Überfluss unerklärbar sein soll - so als wären Kindermörder wie Bartsch nicht selbst von ihren Eltern schwer misshandelt worden. Aber "das Böse" ist bekanntlich irgendwie auch faszinierend, wie das Blühen des Serial Killer-Genres zeigt. Er bricht die letzten verbliebenen Tabus: Sexuelle Praktiken müssen konsensual sein und Kinder sind nicht vertragsfähig.

Stimmt nicht? Unterstellung? Dann muss mir jemand erklären, was sich in Randerath, Insel oder Jenfeld abspielt, wenn ehemalige Verwahrte dort hinziehen. Ich jedenfalls lasse mein Kind mit niemandem allein, der "Todesstrafe für Kinderschänder!" schreit.

Der Lügendetektor am Grenzübergang



Schon erstaunlich, dass dieses Projekt so wenig wahrgenommen und skandalisiert wird! Man beachte die Fragen ab 3:50 : "Versuchen Sie gerade, eine Bombe rein zu schmuggeln? - Sind Sie hier aus der Gegend? - Versuchen Sie, ein Aufnahmegerät reinzuschmuggeln? ..." Der Wechsel zwischen konfrontativen und banalen (Kontroll-)Fragen, das ist genau die Vorgehensweise bei einem "Lügendetektor-Test".

Gefährlich = verrückt = verwahrt?


Ein neuer, zusammenfassender Artikel von mir über die Sicherungsverwahrung / Sicherungsunterbringung ist bei Telepolis erschienen. Es geht vor allem darum, dass die mutmaßlich gefährlichen Gefangenen jetzt für "gestört" erklärt werden, um sie nicht freilassen zu müssen:
Das Gesetz sieht vor, dass die Gefangenen nicht entlassen werden, sofern sie wegen einer psychischen Störung hochgefährlich sind. Für viele Juristen und Psychiater ist das ein Unding: Denn ob eine psychische Krankheit die Ursache einer Gewalt- oder Sexualstraftat war, wird ohnehin im Gerichtsverfahren geprüft. Ist der Verbrecher krank, kommt er statt in den Knast in den Maßregelvollzug, bis das Risiko seiner Entlassung vertretbar ist. Bei den Sicherungsverwahrten war das offensichtlich nicht der Fall.
Aber, argumentiert der Gesetzgeber, die hochgefährlichen Insassen seien zwar zurechnungsfähig, aber trotzdem "gestört". Für die Sicherungsunterbringung reicht eine Persönlichkeitsstörung mit "abnorm aggressivem und ernsthaft unverantwortlichem Verhalten". Das Bundesverfassungsgericht urteilte vor kurzem, eine solche Störung im Sinne des ThUG müsse keine psychiatrische Krankheit oder Unzurechnungsfähigkeit sein. Eine "dissoziale Persönlichkeitsstörung", eine Störung der Impuls- oder Triebkontrolle oder eine gefährliche Sexualpräferenz wie Pädophilie oder Sadismus genügen. Diese Definition umfasst sehr, sehr viele Menschen - innerhalb der Gefängnisse und draußen.