Wie so oft in den deutschen Debatten kann ich mich nicht recht entscheiden - muss man Frank Schirrmacher gegen seine Kritiker verteidigen? Weil die „noch schlimmer sind"?
Ein ressentimentgesättigter Groschengruselroman wie „Ego“ kann keine sinnvolle Debatte anstoßen, schon weil sein Autor gar nicht bestimmt, was seine Figuren „das Monster“ oder „Nummer Zwei“ eigentlich darstellen sollen. Sie haben, soviel wird immerhin klar, mit Spieltheorie, Mathematik oder ökonomischen Modellen zu tun, aber auch mit Amerika, Werteverfall und der Apologie des Egoismus.
Der Kritik könnte das doch immerhin Stichworte liefern. Stattdessen antwortet Richard David Precht im Focus, mit schwer auszulotender philosophischer Tiefe
Für viele ist es zum Lebensideal geworden, Zeit zu haben, mit den Kindern zu spielen, mit Freunden Kaffee zu trinken. So wird die Individualität gegen ein totalitäres Effizienzdenken verteidigt.oder der Kolumnist Eric Frey rechtfertigt im Standard die Spieltheorie mit
Spieltheoretiker gehen zwar von einer grundlegenden Rationalität und dem Streben nach Eigennutz von handelnden Personen aus. Aber seit einem halben Jahrhundert beschäftigen sich die meisten von ihnen mit genau dem Gegenteil von dem, was Schirrmacher beschreibt – nämlich dem Streben nach Kooperation und der Vermeidung destruktiver Konflikte.und Matthias Horx, "Experte für alles", in der Berliner Zeitung
Spieltheorie ist heute ein wichtiger Bestandteil der neuen Zukunftswissenschaften und beschäftigt sich mit der Frage, wie und unter welchen Umständen Menschen kooperieren, wann Systeme instabil werden, wo die sogenannten Tipping Points liegen. Spieltheorie handelt von der Verzahnung von Eigen- und Gruppeninteressen. Sie lässt sich zur Prognose von internationalen Spannungen einsetzen und kann unbedachte Handlungen, die zu Kriegen führen, verhindern.So nun auch nicht! Kooperation ist der Spieltheorie tatsächlich erklärungsbedürftig, eine Anomalie, absonderlich. Die Theorie setzt nämlich eine "antagonistische Rationalität", nach der alle Spieler immer nach dem größten Batzen des gleichen Guts streben und eben nicht in der Lage sind, ihre Bedürfnisse miteinander zu versöhnen - häufig nicht einmal, sich selbst Spielregeln zu geben.
All das macht die Verwendung der Spieltheorie zur Ideologie. In ihr drückt sich ein tiefschwarzes (und übrigens auch zutiefst bürgerliches) Menschenbild aus. Die spieltheoretischen Modelle selbst tun dagegen niemandem was, die sind so harmlos, die darf man ruhig streicheln. Dass Schirrmachers Kritiker so schwach sind, fällt insofern auf ihn zurück: Hätte seine Geschichte vom ökonomischen Imperialismus nur ein wenig Hand und Fuß, kämen Precht, Frey oder Sloterdijk mit ihren Banalitäten gar nicht weg.