Donnerstag, 21. August 2014

"Falsche Schablonen der richtigen Welt"

Heute brachte Zeitfragen bei Deutschlandradio Kultur einen kurzen Beitrag von mir über Fiktionen der Wirtschaftswissenschaft.

Dienstag, 19. August 2014

"Ein schreckliches hirnloses Reich, in dem niemals irgendetwas passiert"

1940 schrieb George Orwell eine Besprechung von - festhalten! - Adolf Hitlers "Mein Kampf". Die Besprechung ist so englisch wie etwas englisch sein kann, jetzt mal im besten Sinne: klar, unpretentiös, noch dem Abschaum gegenüber fair und so viel advocatus diaboli wie möglich.
Suppose that Hitler’s programme could be put into effect. What he envisages, a hundred years hence, is a continuous state of 250 million Germans with plenty of “living room” (i.e. stretching to Afghanistan or there-abouts), a horrible brainless empire in which, essentially, nothing ever happens except the training of young men for war and the endless breeding of fresh cannon-fodder.

Sonntag, 17. August 2014

Hühner mit elektronischer Fußfessel

Teil 2 der beliebten Reihe "So was geht? - Kreativer Umgang mit Überwachungstechnik":
Ein brasilianischer Häftling auf Freigang hat sich mithilfe eines Hahns weitere Freiheiten verschafft: Seine elektronische Fußfessel band er während eines Hausarrests kurzerhand dem Tier um, das er dann in einen Hühnerstall sperrte. Der 29-Jährige selbst habe sich anschließend zum Drogenverkauf aufgemacht, berichtete die Zeitung „O Globo“ am Samstag.

Donnerstag, 14. August 2014

Bei Der Welt bleiben keine Schuldfragen offen

Was ist deutsch? Deutsch, das ist ein krankhaft gutes Gewissen.

Dies hier ist leider nicht bildbearbeitet, sondern tatsächlich die Internetstartseit von Die Welt von heute.

Wenn die Weltwirtschaft nicht will, wie der Weltmeister Deutschland will, dann muss natürlich Sabotage im Spiel sein, meinen die Blattmacher offenbar. Russland "vernichten den Wohlstand", auf den wir angeblich ein Anrecht haben? Die "reformunwilligen Franzosen und Spanier" sind schuld an der schwachen Konjunkur? Überall in Europa werden die deflationären Tendenzen unabweisbar, von der Politik der deutschen Regierung nach Kräften befördert. Wenn diese Strategie dann an ihre Grenzen kommt, müssen die anderen schuld sein - ein abgeschottetes System des neuen deutschen EU-Chauvinismus.

Mittwoch, 13. August 2014

Freitag, 8. August 2014

Der Internethandel als ökologisches Problem

Um die Ansprüche seiner Beschäftigten in Deutschland zu umgehen, verlagert Amazon Teile seiner Logistik nach Polen und Tscheschien.
Der Online-Versender verlangt von deutschen Verlagen, dass sie Bücher verstärkt über ausländische Versandzentren schicken – und damit im Ergebnis zur Umgehung potenziell streikgefährdeter deutscher Logistikstandorte beitragen. Die Verlagshäuser sollen, beginnend im September, rund 40 Prozent ihrer Bücher, Hörbücher und anderer Medien über neue Logistikstandorte in Polen und Tschechien an ihre inländischen Kunden schicken.
heißt es in der Welt. Ob damit Amazon allerdings wirklich die "deutsche Gewerkschaft austrickst", wie die Überschrift des Artikels lautet, ist völlig offen. Schließlich wird das Unternehmen die Transport-Kosten nicht gänzlich auf die Verlage abwälzen können, und auch in Polen und Tschechien sind die Beschäftigten lernfähig und werden entsprechende Lohnforderungen stellen.

In diesem Zusammenhang wird aber noch etwas anderes deutlich: Der Internethandel bei gleichzeitiger Deregulierung der Logistik ist eine veritable ökologische Katastrophe. Einst kam der Postbote langsam, aber zuverlässig und vor allem nur einmal am Tag, heute fahren diverse Kurierdienst mit ihrem Auto. Bei mir zuhause habe ich einmal sieben verschiedene Lieferdienste gezählt, von denen viele nur ein Paket bringen!
... der Börsenverein des deutschen Buchhandels: "Amazons Plan bedeutet eine Vervielfachung der Wege und der damit verbundenen Kosten für die Verlage", monierte Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis gegenüber der "Welt".
Dazu komme eine erhebliche Umweltbelastung. Bestelle etwa ein Kunde in Frankfurt am Main ein Buch bei Amazon, so müsse es ab Verlag bei Auslieferung über das Lager Breslau im Schnitt rund 1200 Kilometer zurücklegen. Verlaufe die Lieferkette über ein deutsches Amazon-Lager, seien es im Schnitt nur 450 Kilometer – und nur 260 Kilometer bei einer direkten Verlagsauslieferung an den Buchhändler um die Ecke.
In der ungünstigsten Variante entstehe ein Ausstoß des Klimagases CO2 von 58 Gramm pro Buch, gegenüber knapp 14 Gramm beim kürzesten Weg, geht weiter aus einer Beispielrechnung des Börsenvereins hervor. Amazon werde mit seinem Vorgehen zum "Klimakiller", lautet der Vorwurf.

Mittwoch, 6. August 2014

Geschäfte machen mit Al Kaida

Etabliert sich ein neofundamentalistischer "Staat" zwischen Euphrat und Tigris? Im London Review of Books berichtet Patrick Cockburn, wie sich "Islamischer Staat", the terror group formerly known as ISIS, konsolidiert. Cockburns aufschlußreicher Artikel macht auch deutlich, dass der jetzige Vormarsch der Islamisten nur möglich wurde, weil im Irak Staatlichkeit, Rechtsicherheit und eine nationale, nicht ethnisch gebundene Politik schon längst zerstört waren.
There are other wholly corrupt states in the world but few of them have oil revenues of $100 billion a year to steal from. The sole aim of many officials has long been to get the largest kickback possible and they did not much care if jihadi groups did the same. I met a Turkish businessman in Baghdad who said he had had a large construction contract in Mosul over the last few years. The local emir or leader of Isis, then known as al-Qaida in Iraq, demanded $500,000 a month in protection money from the company. ‘I complained again and again about this to the government in Baghdad,’ the businessman said, ‘but they would do nothing about it except to say that I could add the money I paid al-Qaida to the contract price.’ The emir was soon killed and his successor demanded that the protection money be increased to $1 million a month. The businessman refused to pay and one of his Iraqi employees was killed; he withdrew his Turkish staff and his equipment to Turkey. ‘Later I got a message from al-Qaida saying that the price was back down to $500,000 and I could come back,’ he said.

Montag, 4. August 2014

Harun Farocki 1944 - 2014

Die Neue Linke in Westdeutschland und Westberlin hat letztlich wenig Bleibendes hervorgebracht. Harun Farocki zählte sicher zu den Ausnahmen, ein ganz eigenständiger Künstler, für mich der wichtigste deutsche Filmemacher, dessen materialästhetisches Bewusstsein immer im Dienst der Erkenntnis - man mag sie politische Erkenntnis nennen - stand, niemals Selbstzweck war. Am 30. Juli ist er gestorben.



Wollte Farocki 1978 mit seinem opus magnum »Zwischen zwei Kriegen« noch »die Widersprüche zu einer Einheit zusammenfassen« und die gesellschaftliche Totalität zur Darstellung bringen, wendet er sich danach immer stärker der »Mikropolitik« zu, den Repräsentationen und Inszenierungen. Er wandert, wie viele Linke, in den achtziger Jahren von Marx zu Foucault.
»Zwischen zwei Kriegen«, ein Klassiker des politischen Films, handelt von der Entstehung des Verbundsystems. Um die Produktion zu steigern, um alle Energien und Zwischenprodukte zu nutzen, verschmelzen einzelne Industriebetriebe zu Trusts. Ihre spezifische Organisation verwehrt ihnen fortan, auf Absatzschwankungen auf die gewohnte Art zu reagieren und die Produktion herunterzufahren: Es lohnt nicht mehr, nicht zu produzieren. Der Verbund verschärft die Überproduktion (wie sich übrigens heute wieder in der Chemieindustrie beobachten läßt). Der Ausweg ist der Krieg, die Herstellung von Waren, die sich selbst und andere Waren vernichten, die also den Markt bereinigen. »Es muß einen Zusammenhang geben zwischen Produktion und Zerstörung«, sagt Farocki in einem seiner späteren Filme – hier ist einer.
Um solche vielschichtigen Zusammenhänge sichtbar zu machen, greift Farocki in »Zwischen zwei Kriegen« zu einer allegorischen Darstellung, entwickelt komplexe »Denkbilder«. Er selbst taucht im Film als fragender, konstruierender Autor auf. Später wird er sich immer weiter zurückziehen und dem (Bild-)Material das Feld überlassen. Statt Experimente zu konstruieren, analysiert er nun Bilder, die andere hergestellt haben. Ab den achtziger Jahren beschäftigen sich seine Dokumentationen mit Werbe- und Aktfotographie, mit computergenerierten Bildern beim Militär und in der Fabrik, mit Videoüberwachung.
Sich der Welt nicht unter dem Aspekt ihrer Darstellung zu nähern, gilt in vielen akademischen und Künstlerkreisen bekanntlich als unfein, als geradezu unanständig. Statt über den Krieg spricht man über seine Bilder, und in der Deppenversion dieser Haltung soll beides sogar dasselbe sein. Farockis Arbeiten wie »Stilleben« (1997) oder »Gefängnisbilder« (2000) unterscheiden sich vom bloßen Formalismus, weil der Regisseur sich immer noch für die gesellschaftliche Wirklichkeit interessiert.
Das bewahrt seine Filmessays über die diversen »Bildlogiken« vor der Belanglosigkeit. Trotzdem sind sie wohl der schwächste Teil seines Œuvres. Am besten ist Farocki heute als Dokumentarist. Er und seine Mitarbeiter hätten gelernt, möglichst unauffällig herumzustehen, sagte Farocki einmal. Vielleicht erklärt das, wie er es fertigbringt, so dichte Aufnahmen zu machen: Finanziers verhandeln mit Unternehmern, Werbefotographen richten ihre Objekte zu, Fernsehleute inszenieren eine Gameshow, Innenarchitekten versuchen, ihre Kunden von ihrem Entwurf zu überzeugen – die Kamera läuft mit und hält ihre Selbstdarstellungen fest. Farocki lichtet ohne Kommentar oder Erläuterung das alltägliche Infame ab, nicht denunziatorisch, aber auch ohne Gnade oder Rücksichtnahme. Oft ist zu lesen, Farockis Kennzeichen als Regisseur sei seine nüchterne, distanzierte Haltung. Mag sein, aber sie entsteht aus einem leidenschaftlichen Interesse an der Wirklichkeit.
Aus meiner Rezension einer Farocki-Filmsammlung in der Konkret August, 2009