Dienstag, 27. August 2019

"Eine Bewegung braucht ein Gesicht"

Das sagen die PR-Experten, aber es stimmt nicht. Die Medien brauchen ein Gesicht. Sie lieben die Personalisierung, weil sich die Geschichten dann wie von selbst schreiben. Deshalb haben sie ein junges Mädchen aus Stockholm zum Gesicht der neuen Klimabewegungen erklärt. Diese Bewegungen kamen bis dahin ganz gut ohne Gesicht aus.

Den Starkult um Greta Thunberg haben Nachrichtenmedien ins Werk gesetzt. Für junge Aktivistinnen ist sie möglicherweise eine Identifikationsfigur, aber vor allem in dem Sinne, dass sie eben "so ist, wie wir", "eine von uns" – was nur bedeutet, dass jede und jeder aktiv werden kann und soll.

Das hat die Kommentatoren aber nicht vom unablässigen Kommentieren jeder Handlung und Äußerung und zuletzt sogar von Nicht-Äußerungen abgehalten ("Greta Thunbergs souveränes Schweigen"). Die Kehrseite der Verehrung ist aber bekanntlich Enttäuschung und Wut, wenn das Idol sich als fehlerhaft herausstellt. Seht her, sagen sie, sie ist doch nur ein Mensch. Nur wer hatte eigentlich etwas anderes behauptet?

Den Gipfel der Absurdität hat ARD-Deutschlandtrend erklommen. "Thunberg beeinflusst Deutsche kaum", titelt die ARD und liefert folgende Zahlen dazu:

Wer denkt sich so etwas aus?

Die Formulierung bei der Meinungsumfrage lautete wohlgemerkt "Hat sich ihre Einstellung zu Klima- und Umweltfragen durch Greta Thunberg und die >Fridays for Future<-Bewegung verändert?" "Die Schwedin" wie es dann im Artikel heißt, konnte den Antwortenden mithin völlig egal sein, wenn sich ihre umweltpolitische Haltung verändert oder auch nicht verändert hat. Hätte Infratest dimap mich gefragt, wäre meine Antwort übrigens negativ ausgefallen: Ich war schon vorher davon überzeugt, dass die Menschheit ungebremst in Richtung Katastrophe rollt. Umgekehrt mögen hartnäckige Klimaleugner, von der Jugendbewegung mächtig genervt, die anthropogene Erwärmung erst recht abstreiten. Die Frage ist also keineswegs eindeutig gestellt. Dennoch antworten 7 Prozent, ihre Haltung habe sich "sehr stark verändert", 17 Prozent "stark verändert" und 31 Prozent "weniger verändert". Wie kann man aus solchen Zahlen ableiten, dass "die Mehrheit der Deutschen sich unbeeindruckt zeigt"?