Freitag, 24. Januar 2020

"Gebt dem Cyber-Peace eine Chance!"

Die Polizei spricht offiziös von "Quellen-TKÜ". Kritiker nennen es "Bundestrojaner". Die Militärs sagen "Computer-Netzwerk-Interventionen" dazu, Kritiker "Hackback". Gemeint ist immer das gleiche: über Sicherheitslücken in fremde Betriebssysteme eindringen und dort das Kommando übernehmen. Lange war das eine Domäne von Kriminellen und Nachrichtendiensten. Mittlerweile ist das Militär mit von der Partie. Auch das deutsche. Die anderen machen das auch, so lautet der Evergreen unter den Argumenten. Wir müssen mithalten. Die anderen haben angefangen.

Weil es aber allen Staaten ganz genauso geht, hat sich ein schwunghafter Handel mit Sicherheitslücken entwickelt. Und weil der sogenannte Cyberkrieg ohne backdoors in ausländischen Netzwerken nicht funktionieren kann, fuhrwerken immer mehr "Cyberkommandos" oder Hacker in staatlichem Auftrag im Internet herum. Die Situation ist so chaotisch geworden, dass selbst die USA - nach wie vor der einzige globale Internet-Hegemon - sich um Deeskalation bemühen und gewisse Spielregeln fordern.

Heute morgen brachte bei WDR 5 ein neues Radiofeature von mir zum Thema, das hier zu finden ist.

Ich bin ein bisschen stolz auf die Hörspiel-Elemente, die wir für das Feature gebastelt haben. Nur zur Klarstellung: die krassen Bedrohungs- und Zusammenbruchsszenarien über den Cyberwar sind nur bedingt realistisch! Sie gefallen Journalisten wie mir, weil sie wie ein spannender Thriller klingen. Sie gefallen Polizisten und Militärs, weil sie Argumente liefern, warum man mehr Geld und mehr Befugnisse braucht. Sie gefallen der IT-Sec-Branche, weil ... na ja, das versteht sich eigentlich von selbst.

Weniger spektakulär als Szenarien, in denen Menschen von ihren Smarten Kühlschränken erdrosselt werden, sind die realen Tendenzen der nationalen Abschottung. Und bei zwischenstaatlichen Konflikten haben Regierungen immer weniger Skrupel, die eigenen Kontrollmöglichkeiten über das Internet einzusetzen. Ein aktuelles Beispiel dafür stand ursprünglich in meinem Manuskript, musste ich dann aber leider kürzen.

Ein kleines südamerikanisches Land ist in Aufruhr. Trotz tagelanger Proteste und zahlreicher Todesopfer klammert sich die Regierung weiter an die Macht. Eine Gruppe von Putschisten erklärt sich zur legitimen Volksvertretung. In dieser Situation beschließen die Vereinigten Staaten Handelssanktionen - und stellen alle Internetdienstleistungen in das Land ab. Beliebte Computerprogramme funktionieren nicht mehr.
Ausgedacht? Dieses Szenario ist real. Es handelt sich um Venezuela. Im Zuge der amerikanischen Sanktionen sperrte zum Beispiel die amerikanische Firma Adobe im Oktober ihre Cloud für Anfragen von dort. Erst nach einigen Tagen wurde der Zugang wieder hergestellt.

Donnerstag, 23. Januar 2020

Fun fact # 39: Freiheit

Zwischen einem Viertel und einem Drittel der englischen Beschäftigten arbeitet am Wochenende. Besonders häufig betroffen sind männliche Selbstständige (34 % versus 22 % bei Nicht-Selbständigen). Der Anteil der Wochenendarbeit steigt besonders unter Männern und Geringverdienenden.

Quelle

Mittwoch, 22. Januar 2020

Mittwoch, 15. Januar 2020

Nicht-Arbeiten schadet ihrer Gesundheit

Wow! Wolfgang Schäuble hat es nach wie vor drauf. Wenigstens das mit der Rhetorik, auch wenn er mittlerweile nur noch in der zweiten Reihe der Machthaber steht.
„Wir müssen die Balance zwischen Fordern und Fördern richtig einhalten. Denn wenn wir überfördern, zerstören wir die Motivation der Menschen und machen sie unglücklicher.“ Schäuble sprach sich gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen aus und äußerte sich betroffen über die Zustimmung, die der angebliche Plan Finnlands für eine Vier-Tage-Woche mit täglich nur sechs Arbeitsstunden in der deutschen Öffentlichkeit gefunden habe. Müssten die Leute nicht mehr arbeiten, nehme ihnen der Staat den Anreiz, ihre persönliche Lebenserfüllung zu finden.
Wie wohlmeinend das klingt, geradezu väterlich besorgt: Wer die Menschen verwöhnt mit einem Einkommen, schadet ihnen, treibt sie sogar ins Unglück. Weniger Sorgen macht sich Wolfgang Schäuble wohl um Erwerbslose und Geringverdiener. Jedenfalls habe ich noch keine Warnung gehört, dass wir Menschen unglücklich machen, wenn wir ihre Arbeit schlecht bezahlen, sie durch Gängelung in ihrer Würde verletzen und ihnen unsere Anerkennung verweigern, indem wir sie als Faulenzer und Schmarotzer darstellen.
Es funktioniere nicht, mit weniger Arbeit und mehr Freizeit das Klima zu retten und dann zu glauben, alles werde dadurch finanziert, "dass das Geld sowieso billig ist und das einzige Problem ist, wo wir es ausgeben". ... Die Menschen müssten aufgrund der längeren Lebenszeit auch länger arbeiten. "Wir brauchen jeden, selbst der Schwerkranke kann anderen etwas geben", sagte der seit fast drei Jahrzehnten querschnittsgelähmte Christdemokrat. Die Politik sollte nicht den Fehler machen, allen alles zu versprechen.
Wenn Schäuble redet, verbindet er Moralapostelei mit sozialer Brutalität. Stets will er nur das Beste. Heuchlerisch? Ich fürchte, er selbst glaubt sich jedes Wort. Die Staatsverschuldung – für ihn die eigentliche Bedrohung – ist für ihn eine moralische Angelegenheit.

Es gibt allerdings ein Argument, das ebenfalls Moral und Wohlergehen der Bevölkerung betrifft und das sich der ehemaliger Jesuiten-Schüler Schäuble gelegentlich durch den Kopf gehen lassen sollte. „Niemand soll seinen Bruder gegen Lohn für sich arbeiten lassen“, schrieb im Jahr 1652 der englische Prediger Gerrard Winstanley. „Was die Reichen erwerben, bekommen sie aus der Hand der Arbeitenden, und wenn sie geben, geben sie nicht ihre eigene Arbeit, sondern die der anderen.“ Gefolgt von einem wohlmeinenden Rat: „Aber soll nicht etwa ein Mensch reicher sein als ein anderer? Dazu besteht keine Notwendigkeit. Reichtum macht die Menschen eitel und stolz und lässt sie ihre Brüder unterdrücken und führt zum Krieg.“

Montag, 13. Januar 2020

Gegen die salonbolschewistische Klimaleugnung

Am Vorderende eines Feuerwehrschlauchs findest du keinen Klimaskeptiker mehr. Dieser Satz eines australischen Feuerwehrmanns über die katastrophalen Brände in seiner Heimat hat das Zeug, zum Sprichwort zu werden. Die Folgen der Klimaveränderung treffen immer stärker auch die hochentwickelten Industriestaaten. Sie sind längst keine abstrakte Zukunftssorge mehr, sondern sie kommen in unserem Alltag an.

Und zwar nicht nur in Tansania oder Samoa. Die Klimakrise schädigt die Gesundheit der Bevölkerung, erhöht die Lebensmittelpreise, senkt das Wirtschaftswachstum. Und sie verschärft die sozialen Konflikte. Denn wer Geld hat, kann sich eine Klimaanlage leisten. Wenn die Versorgungsinfrastrukturen zusammenbrechen, kaufen sich die Reichen Wasser oder ein Notstromaggregat. Während der letzten Waldbrandsaison in Kalifornien, berichtet Naomi Klein, ließen manche Villenbesitzer ihr Anwesen von privaten Feuerwehrleuten schützen. Wie schnell die Atmosphäre sich weiter erwärmen wird, welche Muster ein instabiles Klima zeigen wird, das weiß kein Mensch. Klar ist allerdings: nichts wird bleiben, wie es ist.

Am Vorderende eines Feuerwehrschlauchs findest du keinen Klimaskeptiker mehr. Aber dort halten sich eben nicht alle auf. Auch in der Linken grassiert eine Art Salon-Klimaleugnung. Diesen Monat habe ich in der Konkret das linke Besserwissertum gegenüber Fridays for Future und Extinction Rebellion kritisiert und die Aussichten für einen grünen Kapitalismus eingeschätzt. Weil ich zu diesem Text ein paar Nachfragen bekommen habe, veröffentliche ich auf meiner Internetseite eine leicht veränderte und ausführlichere Version.