Mittwoch, 30. Juli 2008
Aus der Schublade: Das Internet als "Rationalisierungsmaschine"
Auf meiner Seite steht jetzt ein längerer Text, in dem ich versuche, das Internet als Mittel der Arbeitskontrolle und Arbeitsteilung in die Diskussion zu bringen. Das Problem des geistigen Eigentums wird am Rande angesprochen. Mit der Jungen Welt konnte ich mich – nett gesagt – nicht auf eine Version einigen, obwohl der Text eigentlich bereits abgesprochen war. Dann lag er eine Weile auf der Festplatte. Manche Beispiele in dieser Skizze (!) sind schon etwas älter, aber ich denke, dass meine Überlegungen noch nicht überholt, wenn auch bestimmt noch nicht fertig sind.
Als ich den Text schrieb, kannte ich Harry Braverman und sein großartiges Buch "Die Arbeit im modernen Produktionsprozeß" noch nicht, in dem er die Geschichte der technischen Entwicklung aus dem Kampf zwischen Management und Arbeiterinnen um die Kontrolle des Produktionsprozesses erklärt wird. Die Untersuchung des Internets, die ich in meinem Text anrege, würde Bravermans Ansatz sozusagen weiterführen und um ein weiteres Kapitel ergänzen.
Dienstag, 29. Juli 2008
Montag, 28. Juli 2008
Hallo Zensur!
Arno Waldt prophezeit in De:bug das Ende der "Netzneutralität" - oder ist das bereits eine Diagnose?
Waldts (etwas technodeterministische, aber irgendwie ziemlich überzeugende) Erklärung dieser Entwicklung: Die Gleichbehandlung aller übers Internet transportierten Daten, auf der die Gleichbehandlung der Nutzer beruhte, ist durch größere Rechenkapazitäten obsolet geworden. Sie war ohnehin nur der Übertragungseffizienz geschuldet. Heute können die Inhalte - kleine Filme, Emails, Webseiten, Dateien, was immer - an den Router-Schnittstellen durchsucht, unterschieden und dann bevorzught oder auch blockiert werden.
Damit wird es möglich, bestimmte Inhalte ganz zu blockieren oder kostenpflichtig zu machen. Das interessiert nicht nur staatliche Zensoren, sondern auch das Medienkapital:
Das findet der Autor, in bewährter De:Bug-Argumentation, böse, weil damit auch die "Innovationskraft" schwindet, die Bastler haben keine Chance mehr gegen die Monopole undsoweiter undsofort... Die Analyse jedenfalls kommt mir treffend vor.
Das Internet, wie wir es kennen und lieben gelernt haben, ist ein Auslaufmodell. Seine heute noch weitgehend offene Struktur wird in Zukunft durch Filter, Barrieren und Mautstationen eher einem Labyrinth ähneln, dessen Durchlässigkeit sich je nach Staatszugehörigkeit, Liquidität und Hartnäckigkeit des Nutzers unterscheidet.
Waldts (etwas technodeterministische, aber irgendwie ziemlich überzeugende) Erklärung dieser Entwicklung: Die Gleichbehandlung aller übers Internet transportierten Daten, auf der die Gleichbehandlung der Nutzer beruhte, ist durch größere Rechenkapazitäten obsolet geworden. Sie war ohnehin nur der Übertragungseffizienz geschuldet. Heute können die Inhalte - kleine Filme, Emails, Webseiten, Dateien, was immer - an den Router-Schnittstellen durchsucht, unterschieden und dann bevorzught oder auch blockiert werden.
... entgegen der Legende vom renitenten Netz, dessen Architektur eine effiziente Überwachung verhindert, sind die Kontrollwünsche heute zunehmend technisch machbar. Die entsprechenden Lösungen sind zwar nicht besonders elegant, aber sie funktionieren dank explodierender Rechenkapazitäten immer besser. Womit auch schon die Ursache für den Aufstieg des offenen Internets und seine düstere Zukunft benannt wäre: Das freie Netz ist nämlich schlicht das Produkt einer historischen Mangelsituation und seine viel gepriesene Offenheit vor allem ein Ausdruck äußerster Effizienz. Denn als vor drei Jahrzehnten verschiedene Computer-Netze zum Internet zusammenwuchsen, war Speicherplatz knapp, Rechner und Software liefen eher wackelig als stabil und die Prozessorgeschwindigkeiten waren ein müder Witz.
Um ein so kühnes Vorhaben wie ein weltumspannendes Meta-Netz zu verwirklichen, konnte daher nur eine ausgeklügelt effiziente Methode Erfolg haben. Inzwischen stehen die einstmals knappen Ressourcen Speicherplatz, Bandbreite und Rechengeschwindigkeit allerdings reichlich zur Verfügung, womit auch komplizierte, uneffiziente Konstruktionen wie Schlüsselwort-Filter möglich werden. Die Freiheit im Netz als Ausdruck nötiger Effizienz hat ihre Daseinsberechtigung verloren.
Damit wird es möglich, bestimmte Inhalte ganz zu blockieren oder kostenpflichtig zu machen. Das interessiert nicht nur staatliche Zensoren, sondern auch das Medienkapital:
... mit der Priorisierung kann man auch jenseits des Effizienz-Gewinns Profit machen. Zum Beispiel indem Premium-Nutzer Premium-Preise zahlen und dafür immer schneller unterwegs sind als alle anderen. (...) Aber das Prinzip Geschwindigkeit gegen Bezahlung birgt natürlich auch bombastische Missbrauchspotentiale, beispielsweise wenn Google dafür bezahlen würde, dass die Videos seiner Tochter YouTube Vorrang haben und die Videos der Konkurrenz gleichzeitig ganz nach unten wandern in der Prioritätenliste.
Das findet der Autor, in bewährter De:Bug-Argumentation, böse, weil damit auch die "Innovationskraft" schwindet, die Bastler haben keine Chance mehr gegen die Monopole undsoweiter undsofort... Die Analyse jedenfalls kommt mir treffend vor.
Samstag, 26. Juli 2008
Wissenschaftlicher Herdentrieb
In der FAZ kritisiert Jürgen Kaube die "bibliometrische Verblendung", wissenschaftliche Leistungen könnten anhand der Häufigkeit des Zitiert-Werdens beurteilt werden, wie es im letzten Jahrzehnt üblich wurde.
(Wohl wahr, und, nicht zu vergessen, von der Drittmittelanwerbung: Wer hat, dem wird gegeben. Beziehungsweise: die Firma, die nötige Grundlagenforschung außer Haus an einer öffentlichen Einrichtung betreiben läßt, wird staatlich subventioniert!) Kaube stellt fest:
Mir fällt noch mehr ein: zum Beispiel, dass eine Fußnote nicht bedeutet, dass der betreffende Aufsatz auch verstanden wurde. Aber es ist ja wahr, peer review dieser Art ist von Seilschaften geprägt, es bilden sich "Zitationskartelle", mit denen Wissenschaftler sich gegenseitig in den Statistiken nach oben hieven.
Kaube beschreibt die Problematik der einzelnen verwendeten statistischen Verfahren, um dann indigniert zu fragen
Überhaupt werden mir die elitär-konservativen Positionen in der Bildungspolitik (von Kaube oder Heike Schmoll) immer sympathischer, je genauer die deutschen Behörden bemühen, den neoliberalen angloamerikanische Bildungs-Irrsinn zu kopieren versuchen.
Eine naheliegende Kritik erwähnt Kaube allerdings nicht: dass die Beurteilung anhand von Zitationsstatistiken wirksam den Opportunismus fördert. Abseitige, unkonventionelle und Minderheitenstandpunkte werden bestraft, der peer review mit ökonomischen Folgen stellt sicher, dass der wissenschaftliche Fortschritt im Rudel vorwärts taumelt. (Nicht, dass es an den deutschen Honoratioren-Universitäten viele Ninkonformisten gäbe ...)
An manchen Universitäten in manchen Ländern hängen von den entsprechenden Publikationserfolgen in erheblichem Maße die Mittelzuweisungen, Gehälter und Karrieren ab.
(Wohl wahr, und, nicht zu vergessen, von der Drittmittelanwerbung: Wer hat, dem wird gegeben. Beziehungsweise: die Firma, die nötige Grundlagenforschung außer Haus an einer öffentlichen Einrichtung betreiben läßt, wird staatlich subventioniert!) Kaube stellt fest:
Doch nicht nur die Messung von Zitationen, das Zitiertwerden als solches ist ein völlig dubioses Kriterium. Jeder Forscher weiß, dass zitiert zu werden und gelesen worden zu sein, zwei völlig verschiedene Dinge sind. Die Vermutung, ein Verweis besage „Dieser Beitrag war mir nützlich“, erlaubt noch nicht zu ermitteln, wozu der entsprechende Aufsatz nützlich war. Oft nur um zitiert zu werden, um Informiertheit und Fleiß auszudrücken; mitunter auch, um Dankesschulden an Nahestehenden abzutragen oder um ein Ambiente für die eigenen Thesen und Befunde zu schaffen. Wie oft hört man nicht von Gutachtern, die an eingereichten Aufsätzen nur beanstanden, dass sie selbst nicht zitiert worden sind, oder von Herausgebern, die Autoren dazu einladen, am Impact-Faktor des betreffenden Journals mitzuarbeiten.
Mir fällt noch mehr ein: zum Beispiel, dass eine Fußnote nicht bedeutet, dass der betreffende Aufsatz auch verstanden wurde. Aber es ist ja wahr, peer review dieser Art ist von Seilschaften geprägt, es bilden sich "Zitationskartelle", mit denen Wissenschaftler sich gegenseitig in den Statistiken nach oben hieven.
Kaube beschreibt die Problematik der einzelnen verwendeten statistischen Verfahren, um dann indigniert zu fragen
Wie muss es um die Wissenschaftlichkeit, um nicht zu sagen, um den Verstand von Kommissionen bestellt sein, die auf solche Argumente nicht von selber kommen?
Überhaupt werden mir die elitär-konservativen Positionen in der Bildungspolitik (von Kaube oder Heike Schmoll) immer sympathischer, je genauer die deutschen Behörden bemühen, den neoliberalen angloamerikanische Bildungs-Irrsinn zu kopieren versuchen.
Eine naheliegende Kritik erwähnt Kaube allerdings nicht: dass die Beurteilung anhand von Zitationsstatistiken wirksam den Opportunismus fördert. Abseitige, unkonventionelle und Minderheitenstandpunkte werden bestraft, der peer review mit ökonomischen Folgen stellt sicher, dass der wissenschaftliche Fortschritt im Rudel vorwärts taumelt. (Nicht, dass es an den deutschen Honoratioren-Universitäten viele Ninkonformisten gäbe ...)
Montag, 21. Juli 2008
So hat also die fortwährende Ausdehnung der Massenerziehung für die nicht- akademischen Arbeitskategorien zunehmend die Verbindung mit beruflichen Erfordernissen verloren. (...) Gleichzeitig wurde ihr Platz in der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Struktur immer stärker abgesichert durch Funktionen, die wenig oder nichts mit der beruflichen Ausbildung oder mit irgendwelchen anderen rein schulischen Notwendigkeiten zu tun haben. Das Heraufsetzen des Schulentlassungsalters auf ein Durchschnittsalter von 18 Jahren ist unerlässlich geworden, wenn die Arbeitslosigkeit in vernünftigen Grenzen gehalten werden soll. Im Interesse der berufstätigen Eltern und im Interesse der gesellschaftlichen Stabilität und ordentlichen Handhabung einer zunehmend wurzellosen Stadtbevölkerung haben sich die Schulen zu gewaltigen Organisationen zur Beaufsichtigung von Jugendlichen entwickelt (...).
Unter diesen Umständen verschlechterte sich der Inhalt der Erziehung in dem Maße, wie ihre Dauer zunahm. (...) Und in der Tat reicht, wie man in den jüngsten Jahren gesehen hat, die Schließung auch nur eines einzigen Schulzweiges über einen Zeitraum von einigen Wochen aus, um in der Stadt, in der dies geschieht, eine soziale Krise hervorzurufen. Die Schulen sind in ihrer Funktion von Betreuungsanstalten von Kindern und Jugendlichen für das Funktionieren der Familie, die Stabilität der Gemeinschaft und die gesellschaftliche Ordnung im allgemeinen unerlässlich (obwohl sie selbst diese Aufgabe schlecht erfüllen). Mit einem Wort gesagt: es gibt für die Jugend keinen anderen Platz mehr in der Gesellschaft als die Schule. In dem die Schulen dazu dienen, ein Vakuum zu füllen, sind sie selbst zu jenem Vakuum geworden – zunehmend ihres Gehalts entleert und auf wenig mehr reduziert als ihre äußere Form. Genau wie im Arbeitsprozess, wo der Arbeiter um so weniger zu wissen braucht, je mehr zu wissen da ist, genauso gibt es in den von der Masse der zukünftigen Arbeiter besuchten Schulen immer weniger Grund für den Lehrer, zu lehren und die Schüler zu lernen, je größer de Wissensstoff. Hierin, mehr als in irgendeinem anderen einzelnen Faktor – der Ziellosigkeit, Sinnlosigkeit und den leeren Formen des Erziehungssystems – finden wir den Ursprung des wachsenden Antagonismus zwischen der Jugend und ihren Schulen, der die Schulen auseinanderzusprengen droht.
Harry Braverman (1977 / 1974): Die Arbeit im modernen Produktionsprozess. Frankfurt / New York: Campus. 332 ff.
Baumarkt Neukölln
Samstag, 19. Juli 2008
"Digital Fordism"
Gestern bin ich auf die Internet-Publikation "From analogue to digital Fordism" gestoßen. Ich hatte noch keine Zeit, richtig reinzulesen, es könnte sich durchaus um das übliche steile Gerede handeln. Aber was für eine riesige Textsammlung!
Donnerstag, 17. Juli 2008
Geschlechtertrennung konsequent
Einiges kann man ihnen vorwerfen, den pakistanischen Islamisten, aber das mit den Männern und Frauen nehmen sie ernst. (Letzere können offenbar kein Englisch.)
Mittwoch, 16. Juli 2008
Sauberes Malaysia
Schon gewusst - im beliebten Urlaubsziel Malaysia kann Sex zwischen Männern (offiziell als "Sodomie" bezeichnet) mit bis zu 20 Jahren Gefängnis bestraft werden.
Dienstag, 15. Juli 2008
"Im Tal der künstlichen Körper"
Hey Leser!
Solltest du existieren und in Ludwigshafen oder Umgebung wohnen, kannst du am Wochenende auf eine Ausstellung gehen, wo auch Fotos von mir zu sehen sein werden.
Zum Beispiel dieses:
(Leider konnte ich es nicht blasenfrei aufkleben - der Weg zum echten Künstler ist hart und steinig.)
Freitag, 18.7. Eröffnung und Party
Samstag, 19.7. Performance-Abend
Sonntag 20.7. Hektoliteratur und Film
Bürgermeister-Reichert-Haus, Bismarckstr. 44-48
Solltest du existieren und in Ludwigshafen oder Umgebung wohnen, kannst du am Wochenende auf eine Ausstellung gehen, wo auch Fotos von mir zu sehen sein werden.
Zum Beispiel dieses:
(Leider konnte ich es nicht blasenfrei aufkleben - der Weg zum echten Künstler ist hart und steinig.)
Freitag, 18.7. Eröffnung und Party
Samstag, 19.7. Performance-Abend
Sonntag 20.7. Hektoliteratur und Film
Bürgermeister-Reichert-Haus, Bismarckstr. 44-48
Montag, 14. Juli 2008
Meine Probleme, deine Probleme
Lustig, wie ein gewisser Peter Richter in der FAZ erklärt, worum es beim gestrigen Volksbegehren gegen Mediaspree eigentlich ging: nicht um die Gentrifizierung des Viertels, das immer noch zu den ärmsten Gegenden in Berlin gehört, oh nein,
Die Linken heucheln natürlich, können ja gar nicht anders. Diesmal weil sie nicht so egalitär sind, wie sie tun. Was auf die soziale Situation des Autors verweisen dürfte: Die steigende Miete kann man sich leisten, aber in den Club kommt man nicht rein.
„Spree für alle“, das klingt irrsinnig jakobinisch, aber eigentlich ist es eher eine Frage der Ästhetik. Denn mit der „Spree für alle“ ist das auch im Moment so eine Sache. Dieses in den helllichten Tag hinein verlängerte Nachtleben ist natürlich so krachend undemokratisch, aura-fixiert und elitär, dass, wer als zu uncool abgewiesen wird, nur noch nach Hause schleichen (und eventuell eine bitterliche Magisterarbeit über das Thema "Nur für Freunde: exkluierende Türpolitiken im Berlin der Nachwendezeit" beginnen) kann.
Die Linken heucheln natürlich, können ja gar nicht anders. Diesmal weil sie nicht so egalitär sind, wie sie tun. Was auf die soziale Situation des Autors verweisen dürfte: Die steigende Miete kann man sich leisten, aber in den Club kommt man nicht rein.
Freitag, 11. Juli 2008
"Woher kommen all die Leichen?"
Heute ist meine Besprechung von Valentin Temkines "Warten auf Godot - Das Absurde und die Geschichte" erschienen.
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