Das Internet, wie wir es kennen und lieben gelernt haben, ist ein Auslaufmodell. Seine heute noch weitgehend offene Struktur wird in Zukunft durch Filter, Barrieren und Mautstationen eher einem Labyrinth ähneln, dessen Durchlässigkeit sich je nach Staatszugehörigkeit, Liquidität und Hartnäckigkeit des Nutzers unterscheidet.
Waldts (etwas technodeterministische, aber irgendwie ziemlich überzeugende) Erklärung dieser Entwicklung: Die Gleichbehandlung aller übers Internet transportierten Daten, auf der die Gleichbehandlung der Nutzer beruhte, ist durch größere Rechenkapazitäten obsolet geworden. Sie war ohnehin nur der Übertragungseffizienz geschuldet. Heute können die Inhalte - kleine Filme, Emails, Webseiten, Dateien, was immer - an den Router-Schnittstellen durchsucht, unterschieden und dann bevorzught oder auch blockiert werden.
... entgegen der Legende vom renitenten Netz, dessen Architektur eine effiziente Überwachung verhindert, sind die Kontrollwünsche heute zunehmend technisch machbar. Die entsprechenden Lösungen sind zwar nicht besonders elegant, aber sie funktionieren dank explodierender Rechenkapazitäten immer besser. Womit auch schon die Ursache für den Aufstieg des offenen Internets und seine düstere Zukunft benannt wäre: Das freie Netz ist nämlich schlicht das Produkt einer historischen Mangelsituation und seine viel gepriesene Offenheit vor allem ein Ausdruck äußerster Effizienz. Denn als vor drei Jahrzehnten verschiedene Computer-Netze zum Internet zusammenwuchsen, war Speicherplatz knapp, Rechner und Software liefen eher wackelig als stabil und die Prozessorgeschwindigkeiten waren ein müder Witz.
Um ein so kühnes Vorhaben wie ein weltumspannendes Meta-Netz zu verwirklichen, konnte daher nur eine ausgeklügelt effiziente Methode Erfolg haben. Inzwischen stehen die einstmals knappen Ressourcen Speicherplatz, Bandbreite und Rechengeschwindigkeit allerdings reichlich zur Verfügung, womit auch komplizierte, uneffiziente Konstruktionen wie Schlüsselwort-Filter möglich werden. Die Freiheit im Netz als Ausdruck nötiger Effizienz hat ihre Daseinsberechtigung verloren.
Damit wird es möglich, bestimmte Inhalte ganz zu blockieren oder kostenpflichtig zu machen. Das interessiert nicht nur staatliche Zensoren, sondern auch das Medienkapital:
... mit der Priorisierung kann man auch jenseits des Effizienz-Gewinns Profit machen. Zum Beispiel indem Premium-Nutzer Premium-Preise zahlen und dafür immer schneller unterwegs sind als alle anderen. (...) Aber das Prinzip Geschwindigkeit gegen Bezahlung birgt natürlich auch bombastische Missbrauchspotentiale, beispielsweise wenn Google dafür bezahlen würde, dass die Videos seiner Tochter YouTube Vorrang haben und die Videos der Konkurrenz gleichzeitig ganz nach unten wandern in der Prioritätenliste.
Das findet der Autor, in bewährter De:Bug-Argumentation, böse, weil damit auch die "Innovationskraft" schwindet, die Bastler haben keine Chance mehr gegen die Monopole undsoweiter undsofort... Die Analyse jedenfalls kommt mir treffend vor.