Sie nennen die "Kostenexplosion im Gesundheitssystem" einen Mythos. Warum?
Hartmut Reiners: Man muss sich zunächst die Frage stellen, warum diese pyrotechnische Metapher überhaupt so populär ist. In jeder anderen Branche wird Wirtschaftswachstum schließlich jubelnd begrüßt. Der Grund dafür ist, dass die Krankenversicherungsausgaben Teil der Lohnkosten sind - und die sind in Deutschland angeblich zu hoch.
Schon seit 40 Jahren wird behauptet, dass die Ausgaben im Gesundheitssystem explodieren würden. Ein Blick auf die Statistiken genügt, um festzustellen, dass das nicht stimmt. Die GKV hat nachweislich seit den 1980er Jahren einen konstanten Anteil zwischen 6 und 6,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Nach 2000 sind die Ausgaben sogar teilweise gesunken. Da explodiert überhaupt nichts! Nur die Beitragssätze, die sind enorm gestiegen.
Warum?
Hartmut Reiners: Die Einnahmen der Krankenkassen sinken, weil nur die unteren und mittleren Einkommmensgruppen entsprechend ihrer Löhne in die GKV einzahlen. Die Reallöhne in Deutschland schrumpfen, und die GKV wird eben zum größten Teil aus den Löhnen finanziert. Es genügt die Kenntnis der Grundrechenarten, um zu erkennen, dass bei sinkenden Einnahmen und gleichbleibenden Ausgaben die Beitragssätze steigen müssen.
Donnerstag, 7. April 2011
"Der Zusatzbeitrag der Krankenkassen ist der Einstieg in die Kopfpauschale"
Heute ist mein Interview mit Hartmut Reiners, einem Experten für Gsundheitspolitik, bei Telepolis erschienen. Darin räumt Reiners mit einigen gängigen Halb- und Unwahrheiten auf.