Dienstag, 27. November 2012

Götz Aly zweifelt: Geht „marktkonforme Demokratie“ überhaupt?

In der Berliner Zeitung von heute seziert Götz Aly das politisch-mediale Reden von der Gerechtigkeit. Das hätte sich lohnen können. Aly, als ehemaliger mit allen theoretischen Wassern gewaschener Sozialrevolutionär, hätte zum Beispiel fragen können: Gerecht für wen? Und wer bestimmt eigentlich die Spielregeln in der Konkurrenzgesellschaft, nach denen Gerechtigkeit beurteilt wird?

Pusteblume.

Stattdessen schilt Aly die breite Masse der "Gerechtigkeitsfreunde" als naiv beziehunsweise heuchlerisch. Er gießt Hohn und Spott aus über ihren naiven Wunsch nach Anführungszeichen Gerechtigkeit Anführungszeichen.
Merke: Arbeiter und Bauern, kleine Angestellte und Verbraucher verhalten sich niemals ungerecht; sie sind stets Opfer von Ungerechtigkeit! Und nun singen wir mit anschwellender Stimme im Chor: Uhuhungeheherähäähächt!
Geschliffene Polemik klingt übrigens anderes.
Nur nicht an die eigene Kraft, an selbstbestimmte unternehmerische Lust und Leistung glauben! Schrecklich, wenn jemand ohne Geld von Vater Staat eine Idee entwickeln würde.
Also los, ihr Jammerlappen und in der Krise Verarmten! Strengt mal euer bißchen Grips an, und dann rein ins Getümmel! Die Kanzlerin sprach ja kürzlich von der Notwendigkeit einer marktkonformen Demokratie. Die ist nötig, weiß auch der Kolumnist, aber ob die Europäer dazu überhaupt fähig sind, ist nicht klar.
Um ihre ökonomischen Grundlagen zu erhalten, müssen die Europäer aufhören, mehr Geld auszugeben als sie einnehmen. Sie müssen zeigen, dass Demokratien zu tiefgreifenden Strukturreformen fähig sind, zu solchen, die der Mehrheit oder großen Teilgruppen der Wahlberechtigten viel abverlangen.
Bestanden noch Zweifel, dass Alys Kritik der deutschen völkisch-nationalistischen Gemeinschaftsideologie der vergangenen Jahre von nichts anderem motiviert war als von seinem Hass auf sozialstaatliche Umverteilung? Die sind jetzt ausgeräumt.