Montag, 6. April 2009

"Nachsolidarische Reziprozität"



Jetzt, was soll ich denn da für ein härteres Regiment führen, wenn die Leut' nichts finden? Was soll ich denn da machen, soll ich sie erschießen?

Dieses Zitat einer deutschen "Arbeitsvermittlerin" stammt aus einer Studie des Bielefelder Instituts für Wissenschafts- und Technikforschung. Mit Interviews haben die Forscher zu ermitteln versucht, wie die Hartz-Gesetze die Praxis auf den Arbeits- und Sozialämtern verändert haben. Das (kaum überaschende) Ergebnis: die Angestellten dieser Behörden betreiben die sogenannte Aktivierung als pädagogisches Projekt, viele von ihnen begreifen ihre Aufgabe als "Umerziehung".
Soziale Kontrolle erfolgt in unserem Fall heutzutage nicht, wie es dem Klischee entspräche, primär autoritär. Sie erfolgt vielmehr kooperativ zugewandt oder auch pädagogisierend, dabei nicht selten subtil übergriffig, ggf. zynisch, manchmal latent verachtend und nur hier und da noch in Resten paternalistisch oder offen autoritär.

Das (und noch mehr die entsprechende Einteilung der Interviewten!) kommt mir vereinfachend vor. Ist denn nicht das Um-Erziehen in jeder, auch der "gutwilligen" Form, der Gegenpol dazu, den Arbeitslosen als Gleichberechtigten (sprich: "Bürger") zu behandeln? Jedenfalls beschreiben die Autoren die vorherrschende Einstellung als "postpolitisch" beziehungsweise "nachsolidarisch"
Der Staat für sie kein politisches Gebilde mehr, nicht mehr ein Organ des Volkssouveräns ist. Er ist vielmehr eine formale Organisation, die Tauschhandlungen organisiert, in denen Leute gemäß ihres "Restarbeitsvermögens" für die Organisation "Staat" arbeiten.

Die Studie bleibt in ihrer Kritik - natürlich - strikt auf der Ebene der Kultur und der Einstellungen, nicht der der Institutionen. Aber allein die Zitate lohnen sich!

Eine Zusammenfassung gibt es auch bei TELEPOLIS.