Ein paar Highlights:
(Es begann) die Karriere des Serotonins als "Depressionsschalter". Diese Theorie hatte ihren Charme, allein schon, weil sie so einfach war. Wohl zu einfach. Das legt jetzt auch ein Ergebnis der Universität Cleveland nahe. Pedro Delgado reichte dort Cocktails: Freiwillige Probanden sollten ein Gemisch aus Aminosäuren trinken. Das sind die Bausteine, die Körper braucht, um Eiweiße aufzubauen. Direkt nach dem ersten Schluck ging es los. Im Körper der freiwilligen knüpfte sich Aminosäure an Aminosäure, lange Eiweiß-Ketten entstanden, das Haut- und Haareiweiß Keratin zum Beispiel. Nur Serotonin war nicht dabei, denn dafür braucht der Körper die Aminosäure Tryptophan, und die fehlte in dem Gebräu. Die Serotonin-Produktion stockte also und schon fünf Stunden nach dem ersten Schluck ging der Serotonin-Spiegel endgültig in den Keller. Was würde jetzt passieren?
Veränderte sich die Stimmung der Testpersonen? Würde sogar eine Depression ausgelöst? Die Antwort war: Ja und nein. Empfindlich reagierten Probanden, die schon einmal wegen einer Depression in Behandlung waren. Sie gaben tatsächlich ein Absinken der Stimmung zu Protokoll, eine Art Depressions-Attacke. Aber nur sie. Gesunde Probanden spüren dagegen nichts. Der Serotoninentzug hatte nicht den geringsten Einfluss auf sie. Auch dieses Ergebnisse macht deutlich: Die Theorie "Serotonin hoch - Depression weg" ist nicht länger haltbar. Und das wirft auch ein anderes Licht auf die Medikamente, die nach dieser einfachen Formel funktionieren sollen.
Zur Publikationsstrategie der Firmen:
Das alles hat Methode, besonders im Fall der Antidepressiva, wie im vergangenen Jahr das renommierte Fachblatt "New England Journal of Medicine" aufdeckte. Die Autoren wollten recherchieren, wie groß die Auswirkungen dieses Publizierens nach Gutdünken wirklich sind. Sie baten dabei die amerikanische Zulassungsbehörde FDA um Hilfe. Und sie bekamen über die FDA tatsächlich Zugang zu vielen Studien, die die Hersteller bisher unter Verschluss gehalten hatten. Jetzt verglichen sie die Ergebnisse der veröffentlichten und der unveröffentlichten Firmenstudien: 94 Prozent der veröffentlichten Studien bescheinigen den Produkten, dass sie wirksam sind. Nahm man dagegen veröffentlichte und unveröffentlichte Studien zusammen, sprachen gerade einmal 51 Prozent der Studien für die Wirksamkeit der Antidepressiva. Mit anderen Worten: Nur in jeder zweiten Studie, die von den Herstellern selbst durchgeführt wurde, zeigen Antidepressiva überhaupt eine nachweisbare Wirkung.