Donnerstag, 29. März 2012
Montag, 26. März 2012
Samstag, 24. März 2012
"Starke Kräfte in Deutschland arbeiten auf den Ausschluss Griechenlands aus dem Euro hin"
Mein Interview mit dem griechischen Ökonom Yanis Varoufakis ist bei Telepolis abruf-, anschau- und kommentierbar. (Gerade letzeres würde ich begrüßen, denn der Unverstand im Telepolis-Forum nimmt mal wieder überhand!) Varoufakis spricht über Griechenlands Zukunft, die sozialen Verwerfungen in seiner Heimat und die deutsche Suche nach einer Strategie für die Euro-Zone:
Ich habe wichtige Entscheidungsträger (in Frankfurt) getroffen und bei meinen Gesprächen mit ihnen den Eindruck gewonnen, dass man in Frankfurt der einhelligen Meinung ist, dass Griechenland und Portugal aus dem Euro ausgeschlossen werden müssen, möglicherweise auch Irland, sobald die französischen Präsidentschaftswahlen am 22. April vorbei sind. Gleichzeitig, sagt man dort, soll die Europäische Zentralbank neue Milliarden in den Banksektor pumpen, damit Italien und Spanien in der Union bleiben können.Mal sehen, ob seine Vorhersage eintrifft!
Freitag, 23. März 2012
"Wehret den Anfängen falscher Eindrücke"
Kaum im Amt, schon hält Bundespräsident Gauck seine erste "Ruck durch Deutschland"-Rede:
Geht die Vereinzelung in diesem Land weiter? Geht die Schere zwischen Arm und Reich weiter auf? Verschlingt uns die Globalisierung? Werden Menschen sich als Verlierer fühlen, wenn sie an den Rand der Gesellschaft geraten?Ich hätte da eine Zwischenfrage: Muss man Pfarrer sein, um auf diese Fragestellung zu kommen? Lieber weiter im Rede-Text:
Jeder Tag, jede Begegnung mit den Medien bringt eine Fülle neuer Ängste hervor und Sorgen. Manche ersinnen dann Fluchtwege, misstrauen der Zukunft, fürchten die Gegenwart. ... Wir dürfen nicht dulden, dass Kinder ihre Talente nicht entfalten können, weil keine Chancengleichheit existiert. Wir dürfen nicht dulden, dass Menschen den Eindruck haben, Leistung lohne sich für sie nicht mehr und der Aufstieg sei ihnen selbst dann verwehrt, wenn sie sich nach Kräften bemühen. Wir dürfen nicht dulden, dass Menschen den Eindruck haben, sie seien nicht Teil unserer Gesellschaft, weil sie arm oder alt oder behindert sind.Jetzt verstehe ich, wofür Wulff aus dem Amt getrieben wurde.
Mittwoch, 21. März 2012
Jung, irakisch, Emo
Emos im Irak haben wirklich Grund genug, deprimiert zu sein: Mob-Gewalt, Mord und eine Kampagne der Regierung gegen eine angeblich unislamische Kultur. Inga Rogg berichtet in der taz :
Roggs Artikel ist ein seltener Einblick in die soziale Realität im Irak nach der "Befreiung":
Vor vier Wochen erklärte der Leiter der Sozialpolizei, der irakischen Sittenpolizei, dass das „Phänomen der Emos oder Teufelsanbeter“ unter Teenagern derart weit verbreitet sei, dass man dagegen einschreiten müsse. Seine Behörde sei autorisiert worden, in sämtlichen Schulen nach Emos zu suchen und sie „so schnell wie möglich zu eliminieren“. Begründung: Die Bewegung sei zu einer Gefahr für die Gesellschaft geworden.
Etwa zur gleichen Zeit verschickte der Minister für höhere Bildung, Ali Adib, ein Schreiben an sämtliche Hochschulen, in dem er ebenfalls die Ausmerzung der Emos fordert. Man erkenne sie an ihren engen Jeans, Shirts mit Totenköpfen und ihren Armbändern, heißt es in dem Schreiben. Die Emos seien Teufelsanbeter, die gegen die Scharia verstießen und von ausländischen Mächten unterstützt würden.
Roggs Artikel ist ein seltener Einblick in die soziale Realität im Irak nach der "Befreiung":
Angst haben auch die Jugendaktivisten, Menschenrechtler und Journalisten, die sich im vergangenen Jahr an den Protesten gegen die Regierung beteiligten. Nach dem die Sicherheitskräfte Dutzende von Demonstranten verhafteten und Menschenrechtler zufolge folterten, ist die Protestbewegung weitgehend verstummt. Im Herbst wurde der prominente Journalist Hadi al-Mehdi, ein scharfer Kritiker von Regierungschef Maliki, in seinem Haus erschossen. Seitdem trauen sich nur noch wenige, laut Kritik an der Regierung zu üben.
„Fast jeder hat Angst, er könnte der Nächste sein“, sagt ein Journalist. In der Kampagne gegen die Emos sieht er den jüngsten Versuch der Regierung, das Land auf den Kurs der fundamentalistischen Schiiten-Parteien zu bringen. Sowohl der Chef der Sittenpolizei als auch der Bildungsminister sind Schiiten. Bildungsminister Ali Adib ist nach Regierungschef Nuri al-Maliki der zweite Mann in der Dawa-Partei. Während al-Maliki die säkularen Sunniten in der Regierung jüngst in die Knie zwang, hat er schiitischen Extremisten die Tür zur politischen Teilhabe geöffnet.
Montag, 19. März 2012
Andrej Holm hat übrigens in einem interessanten Vortrag Ende Januar sehr schön klargemacht, wie verfehlt es ist, Gentrifizierung als (sub-)kulturelles Problem zu verhandeln - auch wenn's schwer fällt. Welchen Sorte koffeinhaltige Getränke die Zugezogenen oder die widerwillig Wegziehenden trinken - "offene Koffeinszene" und so - , Konsumgewohnheiten überhaupt gehen am Problem vorbei.
Sonntag, 18. März 2012
Langsame Mühlen
Gestern lief im Deutschlandfunk bei Hintergrund ein neuer Beitrag von mir über überlange Gerichtsverfahren und auch die Überlastung der Sozialgerichte seit den Hartz-Gesetzen.
Bis 2005 bearbeiteten Verwaltungsgerichte Sozialhilfe-Angelegenheiten. Mit den Arbeitsmarktreformen durch die Hartz-Gesetze wurden Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zur Grundsicherung verschmolzen und die Sozialgerichte zuständig. 2005, als die Hartz-Reformen in Kraft traten, wurden jährlich in ganz Deutschland nur etwa 11.000 Fälle entschieden, die die Grundsicherung zum Gegenstand hatten. Fünf Jahre später waren es 154.000 Fälle. Anders gesagt: Die Zahl der Urteile hat sich vervierzehnfacht.Die Sendung lässt sich unter "Audio on demand" auch herunterladen.
Eine unklare Rechtslage, das verbreitete Gefühl, die Verwaltungsakte seien ungerecht, und Behörden, die Widersprüche von Arbeitslosen pauschal ablehnen - all das führt immer noch zu einem historischen Höchststand der Eingangszahlen.
Freitag, 16. März 2012
Donnerstag, 15. März 2012
Neue Besprechung
Bei dem Online-Magazin rezensionen:kommunikation:medien ist eine neue, insgesamt wohlwollende Besprechung von meinem Buch Datenschatten erschienen:
Insgesamt überzeugt Beckers journalistische Auseinandersetzung mit dem Datenschatten, den wir inzwischen alle werfen, vor allem durch die Breite der gebotenen Perspektiven und die Berücksichtigung sämtlicher Teilbereiche unseres komplexen Alltags. Es gehört ein ordentliches Maß an professionellem Fingerspitzengefühl dazu, bei einem Thema wie dem der Überwachungsgesellschaft nicht automatisch in verschwörungstheoretische oder rein technikdeter- ministische Sphären abzugleiten. Becker gelingt diese Gradwanderung mühelos, was seine Arbeit auch für eine Zielgruppe, die über die klassische Telepolis-Leserschaft hinausgeht, interessant macht.
Kreativideologie und Gentrifizierung
Wärmstens empfehlen möchte ich "Creative City – oder: Ich kann mir nicht jeden Tag ein Ohr abschneiden", ein Radiofeature, das vor einigen Tagen vom Bayrischen Rundfunk / Zündfunk Generator gesendet wurde. Ralf Homann beschreibt darin am Beispiel München die neuen Formen und Strategien der Kultur- als Wirtschaftsförderung - informativ, analytisch und auch polemisch:
Nicht überzeugt bin ich von der sozialtheoretischen Grundlage, die eben die gängige post-operaistische ist: im "kognitiven Kapitalismus" soll "Wissen zur wichtigsten Ressource" werden und "also Steinkohle oder ungelernte Arbeitskräfte" ablösen. Ich glaube, dass die vemeintlich zentrale Stellung der "Kulturarbeiter" nicht in ihrer irgendwie außerordentlichen (Kapital-)Produktivität liegt - sondern darin, dass Künstler seit dem Entstehen der Bohème für ihre Armut und Prekarität mit Freiräumen der "Selbstverwirklichung" entschädigt werden - und dieses Schicksal trifft dass heute eben immer mehr Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit Medien-, Kultur- oder auch Sozialarbeit zu verdienen versuchen. Dass Armut der angemessene Preis für "Kreativität" sein soll, diese Haltung wirkt auf mich in vielen Fällen wie Selbstbetrug.
Was mit solchen Experimenten und Prototypen dann geschieht und wie die Wertschöpfung weitergeht, das zeigt die Munich Creative Bussinnes Week: Mit dem Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst hat die MCBW eine einmalige Location für die Sonderausstellung „mcbw momente – Denkräume für Design“ gewonnen. Tatsächlich ein fulminanter Ort: der Museums-Neubau im Münchner Kunstareal gegenüber der Alten Pinakothek. Hier zieht demnächst die Ägyptische Sammlung ein. Bedeutungsaufladung pur und perfekter Imagetransfer: Der verstaubte Werber-Trick mit nackter Dame auf Kühlerhaube in der gehobenen Variante: Die Aura der großen Meister und die ewig gültigen Werte staatlich finanzierter Museen sollen überspringen! Die Pharaonen haben ihr neues Quartier noch nicht bezogen und können sich deshalb im Sarkophag nicht umdrehen, wenn im zukünftigen Saal für „Religion“ sinnigerweise Leuchten und im Raum mit dem Titel „Nach den Pharaonen“ afrikanische Kunst aus Zivilisationsabfall gezeigt wird. Ich bekomme einen Bleistift für „unverkrampftes Malen“ geschenkt, der irgendwie den Kindern und der Umwelt zuliebe ist. Und schlendere dann durch die Dauer-Muzak -Berieselung an Designer-Badewannen vorbei, fast halb so groß wie eine Sozialwohnung, bis ich den Werbeständer erreiche: „Bunt, schrill, laut und kreativ sollen sie sein, die neuen Styles für die Sofapop-Generation“.Die Audiodatei müsste sich auch noch irgendwo im Netz finden lassen. Besonders gefällt mir, wie Homann am Beispiel Münchens die unbequemen Lebens- und Arbeitsbedingungen der meisten Kulturarbeiter beschreibt und schließlich einen Bogen zum Urheberrecht schlägt - die Grundlage, auf der die "Rechteindustrie" die Arbeit der "Kreativen" in Wert setzen kann.
Nicht überzeugt bin ich von der sozialtheoretischen Grundlage, die eben die gängige post-operaistische ist: im "kognitiven Kapitalismus" soll "Wissen zur wichtigsten Ressource" werden und "also Steinkohle oder ungelernte Arbeitskräfte" ablösen. Ich glaube, dass die vemeintlich zentrale Stellung der "Kulturarbeiter" nicht in ihrer irgendwie außerordentlichen (Kapital-)Produktivität liegt - sondern darin, dass Künstler seit dem Entstehen der Bohème für ihre Armut und Prekarität mit Freiräumen der "Selbstverwirklichung" entschädigt werden - und dieses Schicksal trifft dass heute eben immer mehr Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit Medien-, Kultur- oder auch Sozialarbeit zu verdienen versuchen. Dass Armut der angemessene Preis für "Kreativität" sein soll, diese Haltung wirkt auf mich in vielen Fällen wie Selbstbetrug.
Montag, 12. März 2012
Risiko Neuroimplantate?
Spiegel Online hat meinen Text über die Tiefe Hirnstimulation übernommen - leider mit der missverständlich bis dämlichen Überschrift "Mediziner wagen Gehirnoperation bei wachen Patienten", was ja wirklich nichts Neues ist. Ursprünglich erschienen ist er im Telepolis-Sonderheft "Mensch +".
Mein Standpunkt also, wie fast immer: "Alles halb so aufregend." Die Redateure, wie fast immer: "Das muss trotzdem aufregend klingen!"
Neuerdings gibt es Neuroimplantate mit acht statt wie bisher vier Kontakten. Forscher versuchen, mit zeitlich versetzten Signalen den krankhaften Gleichklang im betroffenen Nucleus accumbens bei Parkinson aus dem Takt zu bringen, ohne "die Selbstorganisation der Neuronen" zu stören. Dazu haben Wissenschaftler vom Forschungszentrum in Jülich spezielle Signal-Muster entwickelt. Noch ist unklar, ob dieses neue Verfahren sich bewähren wird.
Neurologen hoffen, dass durch immer kleinere Elektroden und immer bessere Rhythmisierung der Impulse gezieltere Interventionen ins Hirn möglich werden. Lassen sich so demnächst Gefühle oder Gedanken erzeugen? Wird es gar möglich, die geistigen Fähigkeiten von Gesunden zu steigern?
Noch steht nicht fest, ob sich die THS als Behandlung von schweren seelischen Störungen etablieren wird. Aber der mechanisch-technische Eingriff ins Hirn stimuliert auch die Phantasie von Autoren, die mit Medizin nichts zu tun haben. Zum Beispiel die des amerikanischen Buchautors Ray Kurzweil. "Alle werden neuronale Implantate benutzen", sagte er in einem Interview einmal. "Sie werden unsere Erinnerungen erweitern, sogar unsere emotionalen Möglichkeiten, unsere Fähigkeiten, Muster zu erkennen, unsere kognitiven Fähigkeiten. Wir werden das menschliche Potenzial vergrößern, in dem wir es mit der Technologie vermählen." Spätestens in dreißig Jahren werde es so weit sein. Das war vor fünfzehn Jahren. Unwahrscheinlich, dass Kurzweils Vorhersage rechtzeitig eintreten wird.
Mein Standpunkt also, wie fast immer: "Alles halb so aufregend." Die Redateure, wie fast immer: "Das muss trotzdem aufregend klingen!"
Donnerstag, 8. März 2012
Mittwoch, 7. März 2012
Slavoj Žižek über The Wire, Sophokles und Klassenhass
Wie gewohnt erratisch, aber dabei unterhaltsam spricht Žižek über The Wire und alle anderen Anekdoten, die ihm gerade in den Sinn kommen. (Ich habe mich vor ein paar Monaten in der Konkret mit David Simons Werk auseinandergesetzt.) Žižeks Vortrag ist nicht unkritisch - mittlerweile nervt die Verherrlichung von David "Balzac" Simon ja ziemlich - und nicht nur für Fans interessant.
Worin liegt die Macht der Algorithmen?
Mein Radio-Feature "Der Algorithus, bei dem man mit muss?" steht jetzt beim Deutschlandfunk zum Herunterladen bereit. Das Skript dazu gibt's hier (PDF).
Immer häufiger werden Entscheidungen und Arbeitsabläufe maschinellen Routinen unterworfen. Das Feature behandelt die Frage, was die digitale Automatisierung eigentlich mit den Menschen macht, die mit solchen "entscheidungsunterstützenden" technischen Anlagen arbeiten beziehungsweise ihrer Kontrolle unterworfen sind. Um das zu beantworten, schlage ich einen ziemlich weiten Bogen von den ersten programmgesteurten Maschinen des 18. Jahrhunderts über die Widersprüche der Suchmaschinen-Optimierung und des Kreditscoring bis zu aktuellen Forschungsprojekten, die "intelligente" Videoüberwachungsanlagen entwickeln.
Der Subtext des Beitrags - hoffentlich wird das deutlich - ist eine Intervention gegen eine Kritik, die das Undurchschaubare und Rigide von computer-gestützten Entscheidungen der Technik und der Mathematik anlastet. Den Maschinen wird sozusagen vorgeworfen, es fehle ihnen an Menschlichkeit. Aber das ist ihnen nicht nur egal, sondern verfehlt auch das Problem. Ich versuche, die angebliche (Über-)Macht der Algorithmen zu demystifizieren.
Immer häufiger werden Entscheidungen und Arbeitsabläufe maschinellen Routinen unterworfen. Das Feature behandelt die Frage, was die digitale Automatisierung eigentlich mit den Menschen macht, die mit solchen "entscheidungsunterstützenden" technischen Anlagen arbeiten beziehungsweise ihrer Kontrolle unterworfen sind. Um das zu beantworten, schlage ich einen ziemlich weiten Bogen von den ersten programmgesteurten Maschinen des 18. Jahrhunderts über die Widersprüche der Suchmaschinen-Optimierung und des Kreditscoring bis zu aktuellen Forschungsprojekten, die "intelligente" Videoüberwachungsanlagen entwickeln.
Der Subtext des Beitrags - hoffentlich wird das deutlich - ist eine Intervention gegen eine Kritik, die das Undurchschaubare und Rigide von computer-gestützten Entscheidungen der Technik und der Mathematik anlastet. Den Maschinen wird sozusagen vorgeworfen, es fehle ihnen an Menschlichkeit. Aber das ist ihnen nicht nur egal, sondern verfehlt auch das Problem. Ich versuche, die angebliche (Über-)Macht der Algorithmen zu demystifizieren.
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