Montag, 29. Dezember 2008

Proletarisierung des Ärztestandes?

In der Süddeutschen vom Wochenende glaubt Paul Unschuld, dass "Ende der klassischen Medizin" auszumachen. Vieles in seinem Essay (so muss man diesen Text wohl nennen) scheint mir falsch oder wenigstens übertrieben. ("Der Kranke ist, erstmals in der Geschichte, keine gesellschaftliche Belastung mehr; der Kranke ist Verbraucher in einer zunehmened ökonomisierten Gesundheitsindustrie." - Das klingt ja so, als ginge es beispielsweise beim Streit um den Gesundheitsfonds nicht darum, wer für die Kosten von Krankheit aufkommt.)
Interessant ist seine Beschreibung, wie sich die soziale Lage der Mediziner verändert:
Mit der Bildung der europäischen Nationalstaaten entstand eine neue Form der territorialen Konkurrenz. Manufakturen und Industrialisierung trugen zu der Stärke eines Staates nun ebenso bei wie die Nationalheere. Die Gesundheit als Grundlage für Arbeitsfähigkeit und Wehrfähigkeit rückte in das Blickfeld der Herrschenden: die Idee einer Gesundheitspolitik geht auf diese Zeit zurück. Die Ärzteschaft forderte und erhielt das Mandat, in staatlichen Gesundheitssystemen für die Gesundheit aller Bevölkerungsschichten zuständig zu sein. (...)
Noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar, gehen junge Ärzte wie Metallarbeiter auf die Straße, um ihrer Empörung über niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen Ausdruck zu geben. Sie werden von Klinikbetreibern verwaltet, die kein Verständnis mehr für die Bedürfnisse des Standesberufs haben. Sie werden gezwungen, die vertrauliche Arzt-Patienten-Beziehung aufzubrechen, und etwa schlechte Angewohnheiten jener Patienten zu melden, die womöglich ihre Kranksein selbst verursachen. Die Fallpauschalen schließlich drücken der ärztlichen Tätigkeit den Stempel der Rationalität einer Autowerkstatt auf.

Samstag, 27. Dezember 2008



Donnerstag, 25. Dezember 2008


Montag, 22. Dezember 2008

Seminaristenprosa

Mal wieder in die Phase 2 gucken?
In einer abschließenden Betrachtung des Materials bemüht sich Paxton, das Referierte trotz seiner Heterogenität auf eine Formel zu bringen, welche die Differenziertheit der Gesamtstudie zu wahren vermag.
Ach, lieber doch nicht ...

Sonntag, 21. Dezember 2008





Samstag, 20. Dezember 2008

Strategiewechsel der Musikindustrie?


Laut Wall Street Journal sagt die Recording Industry Association of America (RIAA), sie wolle künftig auf klagen gegen Internetnutzer verzichten, die urheberrechtlich geschütze Filme und Musiktitel herunterladen. Gibt die Musikindustrie auf? Keineswegs, sie will stattdessen mit den Providern zusammenarbeiten, um das Tauschen zu ver- bzw. behindern

Die Handelsgruppe sagt, sie habe mit den großen ISPs Vereinbarungen getroffen, denen zufolge sie eine Email an den jeweiligen Provider schicken werden, wenn ein Kunde Musik zur Verfügung stellt. Der Anbieter wird dann ve entweder die NAchricht an den Kunden weiterleiten oder ihn benachrichtigen, dass er offenbar Musil illegal ins Netz stellt, und ihn auffordern, damit aufzuhören. Dann könne möglicherweise die Internetverbindung des Kunden verlangsamt und schließlich ganz unterbrochen werden.
Seit 2003 wurden in den USA angeblich 35 000 Nutzer angezeigt, ohne dass diese Klagewelle P2P nenneswert geschmälert hätte. Die RIAA gibt nicht bekannt, um welche Internetanbieter es sich dabei handelt. Wirklich neu ist das alles nicht.

Freitag, 19. Dezember 2008

Krisenfolgen in England

Wie war das mit middle class?

Nach Angaben des britischen Statistischen Amtes berichten 31 Prozent der Bezirksverwaltungen in London, überdurchschnittlich viele Eltern würden ihre Kinder in staatlichen Schulen anmelden, weil sie sich die Kosten für Privatschulen nicht mehr leisten können. Landesweit erleben 10 Prozent der Bezirke diese Entwicklung. Das ist auch ein Hinweis darauf, dass sich die kommende Krise von der Rezession ab 1991 unterscheidet. Auch damals ging die Nachfrage nach Privatschulerziehung zurück, aber viel langsamer.

Ein Drittel der Bezirke berichtet über mehr Obdachlosigkeit. 14 Prozent der Bezirke haben bereits Angestellte entlassen. 40 Prozent planen, Personal durch "freiwilliges Ausscheiden" (zum Beispiel frühzeitige Verrentung ) abzubauen.

Auch die englischen Sozialarbeiter machen sich Sorgen:

Es besteht die Sorge, dass durch den Abschwung mehr Familien auseinanderbrechen werden, dadurch müssen mehr Kinder in Heimen untergebracht werden, es werden mehr Plätze in den Altersheimen gebraucht, und es wird mehr Alkohol und Drogenmissbrauch geben.

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Standortfaktor Street-Art



Das "Quartiersmanagement Wrangelkiez" / Berlin fördert die Restauration dieses Wandbildes an der Schlesischen Straße mit immerhin 792 Euro. Der Jahresetat des Quartiersmanagements liegt bei jährlich 15 000 Euro, gezahlt von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Zitat:

Die beiden maskierten Figuren an der Brandwand sind schon zu einer Art Wahrzeichen des Wrangelkiezes geworden. Doch nach über einem Jahr haben sich die beiden auf Papier gedruckten Augenpaare fast völlig von der Wand gelöst.

Politische Theorie zum Anhören

Hier einige Empfehlungen, mit denen sich die Festtage polititheoretisch anreichern lassen :

Eine wunderbare Sammlung mit selbstgemachten Audios mit klassischen, aber auch seltenen marxistischen Texten, von so verschiedenen Autoren wie Volosinov, Walter Benjamin, Ilja Ehrenburg und John Carey.


Die Vorträge einer Konferenz über "Kontrollgesellschaft", die vor einigen Tagen in Hamburg stattfand. Die Audios dokumentieren teils unerträglich seichter Kram, teils wirklich Interessantes (> Selbstkontrolle der Arbeit > Harald Strauß, "Humankapital")


Agnolis Geschichte des kritischen Denkens, vollständig eingelesen von der Wiener Radiogruppe Context XXI

Montag, 15. Dezember 2008

"Vor dem nächsten Rationalisierungsschub?"

Und noch ein neuer Artikel, erschienen bei TELEPOLIS. Ich versuche einzuschätzen, ob "mobile Internetanwendungen" wirklich als Rationalsierungs- und Automatisierungstechnologie wirken werden.

Gemässigte Islamisten verzweifelt gesucht

Über die sogenannte Muslim Contact Unit habe ich schon vor drei Monaten berichtet. Die MCU ist eine Abteilung der politischen Polizei in London, die Verbindung ins islamistische Milieu hält, um Terroranschläge zu verhindern.
Polizei und Geheimdiensten finden nur schwer Zugang zu manchen abgeschotteten muslimischen Gemeinschaften. Deshalb wurde in London eine Sondereinheit namens Muslim Contact Unit (MCU) gebildet, die Kontakte mit dem islamistischen Milieu pflegt. Robert Lambert, bis letztes Jahr der Leiter dieser Einheit, bringt die Strategie auf eine klare Formel: „Die Islamisten gegen Al Kaida stärken!“

Mir war und ist diese Art der "Terrorbekämpfung" ziemlich suspekt. Wie sie im Detail aussieht, steht heute in der Times. Ein Berater der MCU wird von Interpol gesucht. Tunesien und Frankreich werfen Mohamed Ali Harrath vor, terroristische Aktivitäten unterstützt zu haben. (Im Artikel heißt es "adviser - was die Frage aufwirft, ob Harath von Scotland Yard entlohnt wurde.) Unbestritten ist, dass er die Partei Tunesische Islamische Front mitbegregründet hat. Was von den Vorwürfen der tunesischen Regierung zu halten st, kann ich nicht beurteilen, aber es ist doch bemerkenswert, wen die britische Regierung für ihre Terror- und Extremismusbekämpfung mit ins Boot holt. Harath glaubt beispielsweise:
There is nothing wrong or criminal in trying to establish an Islamic state.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Freiheit, die ich meine

Gestern erschien meine Buchkritik über Bini Adamczaks "Stalinismuskritik auf Höhe der Zeit" (gut platziert in der JUNGEN WELT), heute treffen die wütenden Leserbriefe von Betroffenen ein. Darunter einer, in dem es heißt:
Herr M. Becker ist der j.W. offensichtlich kein Unbekannter. Auf seiner Homepage stellt er sich als „freier“ Journalist dar! (Was immer auch frei und Freiheit bedeuten!)

Eine gute Frage! Eine behelfsmäßige Definition wäre vielleicht "Nicht Überzeugung gegen Honorar tauschen müssen".

Freitag, 5. Dezember 2008

Für eine Welt ohne WEB.DE !

Bin ich der einzige, den die "Nachrichten" auf der Startseite von WEB.DE zum Wahnsinn treiben? Normalerweise versuche ich ja, während des Einloggens woanders hinzusehen, aber das ist ein Tiefpunkt, sogar verglichen mit dem üblichen Niveau:
Gerade erst nannte Heesters in einem Interview Hitler "einen guten Kerl", doch heute soll gefeiert werden. Denn er hat 105. Geburtstag. Happy Birthday!

Sonntag, 30. November 2008

Sommerschlussverkauf in der Krise

Vorgestern wurde ein Angestellter von Wal-Mart von einer Horde prospektiver Konsumenten zu Tode getrampelt.



Der "Black Friday" entspricht dem Sommerschlussverkauf hier.
Items on sale at the Valley Stream Wal-Mart included a Samsung 50-inch Plasma HDTV for $798, a Bissel Compact Upright Vacuum for $28, a Samsung 10.2 megapixel digital camera for $69 and DVDs such as "The Incredible Hulk" for $9.

Dienstag, 25. November 2008



Samstag, 22. November 2008

Mein lieber Kollege!

Mein Artikel über "Die Berliner Justiz und der linker Terrorismus" ist heute erschienen.

Freitag, 7. November 2008

Früher: Industriearbeiter ....

... die stehen tagsüber an der Maschine, schlagen abends ihre Frauen und sind’s zufrieden. Heute: immaterielle Arbeiter verschiedener Geschlechter, in Agenturen beschäftigt, schrecklich nice zueinander, werden dafür bezahlt, dass sie Affektivitäten produzieren - darf ich mitmachen? Ich kann super kleine Hunde imitieren und Mitleid erzeugen. Wen eine etwas weniger flache Auseinandersetzung mit den Thesen von Tonio Negri interessiert, ich habe meine Rezension von Neumanns Kleine geile Firmen ins Netz gestellt.

Sonntag, 2. November 2008



So enthüllen diese Fragen, je tiefer einer sich in sie vergräbt, je mehr man sich um Klarheit bemüht, den alten schlimmen Gang alles gesellschaftlichen Geschehens, ja schon fast aller mehrgliedrigen menschlichen Gesellung, namentlich aber die sich fortpflanzende Misere jeglichen staatlichen Daseins, die – empirisch gesehen – unüberwindlich scheint und doch immer wieder „abgeschafft“, d.h. also dauernd verbessert, reformiert werden muß.

H. G. Adler (1974) Der verwaltete Mensch: Studien zur Deportation der Juden aus Deutschland. Tübingen: J. C. B. Mohr. Seite 892

Donnerstag, 30. Oktober 2008









Freitag, 24. Oktober 2008

Geheimnis um verschwundende Katzen


Dieses Rätsel beschäftigt mich auch schon seit einiger Zeit: wo gehen Norman und die anderen hin?

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Bildungsverhinderung

Als ich vor ein paar Tagen über die Bildungsmanie der Regierung geschrieben habe, wurde mir unsachliche Polemik vorgeworfen. Da hieß es:
Mittlerweile kommt kein sozialer Missstand mehr öffentlich zur Sprache, ohne dass er mit "Bildung" verknüpft würde. Statt der alten, herkömmlichen Armut herrscht "Bildungsarmut", "Bildungschancen" sind ungleich verteilt und unter den Einwanderern grassiert angeblich die "Bildungsverweigerung". Der gegenwärtige Werbesprech der Kanzlerin, die gerade von einer "Bildungsreise" durch die Bundesrepublik zurückgekehrt ist – pardon: "durch die Bildungsrepublik" - treibt nur auf die Spitze, was seit den 90er Jahren Gemeingut ist: Ob Jugendkriminalität, Armut oder Arbeitslosigkeit, die Bildung soll es richten.

Das war ein sanfter Spott gegen den Kommentar von Jürgen Kaube in der FAZ von heute:
Vielleicht ist es ja doch ganz falsch, bei der Bildungskatastrophe immer nur an Leute am unteren Rand der Einkommens- und Zertifikatsverteilung zu denken. Wie bildungswillig und belesen muss man sich Leute vorstellen, die allen Ernstes den sozialen Aufstieg ganzer sozialer Schichten durch deren bessere Beschulung in Aussicht stellen? ... Zahlen, Zertifikate, Reklame – gemeinsam ist all dem die Zugehörigkeit zur Welt bloßer Symbole. Bildung im öffentlichen Wortgebrauch, das bedeutet gar nichts, das tut nur so. Das Gerede über sie ist insofern an ihrer Verhinderung beteiligt.

Was soll ich sagen? Danke.

Montag, 20. Oktober 2008

Vertrauen!



Das Vertrauen! Es ist gestört. Wegen der Gier. Aber ihr müsst vertrauen! Mehr Vertrauen. Für den Kredit. Vertrauen. Gebt uns einen Vorschuss. Einen Vertrauensvorschuss. Vertrauen. Vertrauen ...

Mittwoch, 1. Oktober 2008


Im Reich des Informationsmangels und des Vergessens wird keine Lektion jemals behalten. Man käut dieselben Zitate, dieselben Namen, dieselben Überlegungen wieder und glaubt, sie entdeckt zu haben. Das historische Gedächnis der Linken ist einem Federbett vergleichbar, das sich unter Schlägen deformiert, und ohne zu lernen ihnen auszuweichen, ruhig und allmählich zu seiner ursprünglichen Form zurückkehrt, um sich der nächsten Tracht Prügel auszusetzen.

(Jean-Francois Revel (1977) Die totalitäre Versuchung. Frankfurt: Ullstein. Seite 48.)

Mittwoch, 24. September 2008

Montag, 22. September 2008

"Bildung für alle heißt Wohlstand für alle!"

Geht's noch ein bißchen plumper? Heute morgen ist bei Telepolis mein Text über Illusionen der gegenwärtigen Bildungspolitik erschienen - irgendwo zwischen Ideologiekritik und statistischer Beschreibung.

Mittwoch, 17. September 2008

So weit ist es also gekommen!

Der Guardian hat genug von der Version des Finanzkapitals und lässt sich die Krise von den Linken erklären. Für leftwinger halten sie Daniel Cohn-Bendit, Ken Loach. Ken Livingston, Tony Benn und George Galloway und andere. Ahnung von politischer Ökonomie hat allerdings keiner.

Dienstag, 16. September 2008

"No Study!"

"No Study! Buy University Diploma / Degree / Bachelor / MBA / PhD
Now you can buy Bacheelor, Degree, MasteerMBA, PhDD at L0W price!"

(Kurz vor dem "Bildungsgipfel" landet das in meinem Spam-Ordner ...)

Freitag, 12. September 2008

Wird die Künstlersozialkasse abgeschafft? Oder doch nicht?

Angeblich ist der Gesetzesentwurf im Bundesrat, der eben mal anregte,
dass die Künstlersozialversicherung abgeschafft oder zumindest unternehmerfreundlich reformiert wird
jetzt doch chancenlos. Die Initiative einiger Wirtschaftsministerien ging auf die Lobby-Arbeit der Verwerter zurück. In der 'Frankfurter Rundschau' heißt es dazu:
In einem Brief der Geschäftsführung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hieß es bereits Ende letzten Jahres: "Die Wirtschaft hat ordnungspolitische Bedenken bezüglich der Konstruktion der Künstlersozialkasse. (...) Sie ist insgesamt unsystematisch und bürokratisch. Sinnvoll wäre es daher, diese Sonderform einer Sozialversicherung mittelfristig nicht weiter zu führen.".
Hintergrund dieses unverhohlen geforderten Eingriffs in die erst 1983 ins Leben gerufene Sozialversicherung waren Nachforderungen an so genannte Verwerterunternehmen, die auf künstlerische Arbeit zurückgreifen, also Verlage, Werbeagenturen etc. Etwas weniger formal ausgedrückt heißt das aber auch, dass viele Unternehmen der Abgabepflicht nicht nachgekommen sind und sich zum Teil kräftigen Nachzahlungsforderungen ausgesetzt sahen.
Das erklärt manches. Zum Beispiel die Kampagnen-Seite KSKONTRA.


Eigentlich nicht: Wenn ich, seit zwei Jahren Mitglied, "Künstlersozialkasse" höre, denke ich an





Übrigens beträgt das durchschnittliche (!) Monatseinkommen der 160.000 KSK-Versicherten 1 100 Euro. Im Impressum von "KSKONTRA" wird als Verantwortlicher ein Apostolos Simeonakis, Inhaber der Flumoto Werbeagentur genannt. Ob er das alles selbst finanziert?

Dienstag, 9. September 2008

Kritische Anmerkungen einer Bildungsforscherin

Heute ist der OECD-Bericht "Education at a glance" erschienen. Deshalb habe ich die Bildungsforscherin Gundel Schümer (ehemals Max-Planck-Institut) über Sinn und Unsinn solcher internationalen Vergleiche interviewt.

East End Märtyrer


Gestern wurden acht englische would-be Selbstmordattentäter verurteilt, die vor zwei Jahren angeblich Attentate auf Passagierflugzeuge geplant haben. Ihre Selbstbezichtigungsvideos stehen im Netz (in meinem Beitrag für die Deutsche Welle haben sie eine gewisse Rolle gespielt). Stundenlang könnte ich mir diese Aufnahmen anschauen: diese Mischung aus East End-Habitus und selbstgebasteltem Muslim-Nationalismus, Testosteron und Gesellschaftskritik, Hiphop-Posen und Sexy Osama Bin Laden. Erklärt mir jemand, wie das alles zusammengeht? Und was da schief gegangen ist?

Sonntag, 7. September 2008

Dagongmei


Gestern ist das hervorragende Buch "Dagongmei - Arbeiterinnen aus Chinas Weltmarktfabriken erzählen" erschienen. Auszüge und weitere Informationen finden sich hier.

Freitag, 5. September 2008

"Im Tal der künstlichen Körper"

Ein Freund hat mir Bilder von der Ludwigshafener Ausstellung geschickt:


Der sozialpädagogischste Aufkleber der Welt



"Für eine kritische Selbstreflexion des eigenen Verhaltens" bin ich natürlich auch. Funktioniert jedenfalls besser als eine kritische Selbstreflexion des Verhaltens der anderen.

Mittwoch, 3. September 2008

Das Nationale als Paradox?

Die KONKRET hat meine Besprechung von Saskia Sassens "Das Paradox des Nationalen" gebracht. Mein Fazit, so ungefähr: Sie sieht im globalen Wald die nationalen Bäume nicht.

Dienstag, 2. September 2008

Psychologie, richtig kritisch


Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) beschäftigt sich dieses Jahr mit "psychischer Gesundheit am Arbeitsplatz". Als hätten sie nur darauf gewartet, beschließen zwei große deutsche Banken zu fusionieren. Weil aber sowohl Dresdner als auch Commerzbank vergessen haben, dafür psychologischen Rat einzuholen, erteilt ihn der BDP in einer Pressemitteilung ungefragt. Der Verband sieht nämlich eine
Fusion mit Risiken
weil ein
schwieriger Integrationsprozess
bevorstünde.

9000 Menschen werden ihre Arbeit verlieren. Alle - pardon: alle außer deutsche Psychologen - wissen, dass das der Sinn einer Fusion ist: Rationalisierung sprich weniger Lohnkosten. Aber, warnen die Experten, darunter "kann" die seelische Gesundheit leiden.
Der Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP) sieht für das Management Probleme in mehreren Bereichen.

Wie bitte? Für wen?
Dass die Mehrheit der betroffenen Mitarbeiter Informationen zur Fusion nicht von ihren Vorgesetzten, sondern aus den Tageszeitungen erfuhr, bringt die Führungsebene in Zugzwang, was das Informationsmanagement betrifft.
Dass allein die Nachricht von 9000 bevorstehenden Entlassungen zu einer starken Verunsicherung in den Belegschaften beitragen und in einigen Fällen auch eine Gefährdung der psychischen Gesundheit bedeuten kann, ist spätestens seit Veröffentlichung des BDP-Berichts 2008 zur psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz bekannt. Darin waren die psychischen Folgen sowohl der Arbeitslosigkeit als auch des drohenden Arbeitsplatzverlustes nachgewiesen worden. Solche Effekte stehen im deutlichen Gegensatz zu den angestrebten Zielen einer Fusion - wie z. B. einem verbesserten Kundenservice.

Für das Management birgt die Freisetzung mehrerer tausend Mitarbeiter Probleme; um die müssen sich die Psychologen natürlich kümmern. So also steht es um das Niveau einer Arbeitspsychologie, die nichts denken oder äußern kann als "Vorsicht! Es könte die Unternehmensziele gefährden!"
Viel wird davon abhängen, ob der Analyse der Unternehmenskultur bereits im Vorfeld genügend Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Erfahrungen zeigten, dass der Kulturaspekt und die Motivation aller Beteiligten (im übernehmenden wie im übernommenen Unternehmen) von entscheidender Bedeutung dafür seien, ob die angestrebten Synergieeffekte erreicht werden oder nicht.

Bekanntlich existiert so etwas wie "Realsatire" nicht, höchstens ein "Sich in aller Öffentlichkeit zum Deppen machen". Der BDP tut das mit aller Kraft.

Montag, 1. September 2008



"Trauerarbeit"

1939. Das Wetter: schlecht. Die Vögel: verängstigt. Die Sowjetunion liefert der Gestapo deutsch-jüdische Antifaschisten aus.

So oder ähnlich beginnt Adamczaks "Gestern morgen". Ich habe gerade meine Besprechung ihres geschichtsphilosophischen Essays ins Netz gestellt. In der Jungen Welt ist natürlich jede Stalinismuskritik willkommen. Deshalb habe ich mich mit meiner Kritik zurückgehalten. Schließlich ist es gut gemeint und das Thema tatsächlich wichtig.
Aber - abgesehen von der in der Rezension monierte Pfaffenprosa - dieses Buch ist in mancher Hinsicht symptomatisch für die linksintellektuelle Misere in Deutschland. Da wird zum Beispiel unumwunden den real existierenden Proletarierinnen und Proletariern bescheinigt, sie sprächen einen "restricted code" – wie schön wäre es, die Akademiker problematisierten gelegentlich das Zustandekommen der eigenen Sprech- und Denkweise! Symptomatisch ist auch, dass die Autorin an den historischen Prozeß ausschließlich über seine theoretische Verarbeitung herangeht. Von den zeitgenössischen Kämpfen erfährt der Leser kaum etwas. Ihre Kritik am Leninismus geht noch nicht weit genug, weil sie dessen Behauptung, in der Partei spiegele sich das Klassenbewusstsein, "wie es sein sollte", für bare Münze nimmt. Ein Reisedokument, hoffentlich!

Samstag, 30. August 2008

Erst der Kapitalismus hat mit der einheitlichen Wirtschaftsstruktur für die ganze Gesellschaft eine – formell – einheitliche Bewusstseinsstruktur für ihre Gesamtheit hervorgebracht. Und diese äußert sich gerade darin, dass die Bewusstseinsprobleme der Lohnarbeit sich in der herrschenden Klasse verfeinert, vergeistigt, aber eben darum gesteigert wiederholen. Der spezialistische „Virtuose“, der Verkäufer seiner objektivierten und versachlichten geistigen Fähigkeiten, wird aber nicht nur Zuschauer dem gesellschaftlichen Geschehen gegenüber (...), sondern gerät auch in eine kontemplative Attitude zu dem Funktionieren seiner eigenen, objektivierten und versachlichten Fähigkeiten. Am groteskesten zeigt sich diese Struktur im Journalismus, wo gerade die Subjektivität selbst, das Wissen, das Temperament, die Ausdrucksfähigkeit zu einem abstrakten, sowohl von der Persönlichkeit des „Besitzers“ wie von dem materiell-konkreten Wesen der behandelten Gegenstände unabhängigen und eigengesetzlich in Gang gebrachten Mechanismus wird. Die „Gesinnungslosigkeit“ der Journalisten, die Prostitution ihrer Erlebnisse und Überzeugungen ist nur als Gipfelpunkt der kapitalistischen Verdinglichung begreifbar.
(Georg Lukàcs, Geschichte und Klassenbewußtsein)

Freitag, 29. August 2008




Vorbildliche Intervention im öffentlichen Raum

Gut gegeben, Dath!

Dietmar Daths Lenin-Koketterie nervt micht, aber in diesem Interview mit der WELT (!) schlägt er sich tapfer.

WELT ONLINE: ... Woher kommt diese Schwermut der jüngeren Intellektuellen angesichts einer einzigartigen Wohlstands- und Freiheitstendenz der letzten 30 Jahre?

Dath: Ich kenne keine Schwermut. Ich habe Spaß beim Arbeiten, auch dann, wenn die Gegenstände meiner Arbeit finster sind. Die Wohlstands- und Freiheitstendenz der letzten 30 Jahre habe ich bei der Zerschlagung des Bildungssystems, der Auflösung des Gesundheitssystems, der Homogenisierung der Medienlandschaft, der Beseitigung aller Resterrungenschaften der alteuropäischen Arbeiterbewegung, der Installierung von Überwachung seitens staatlicher und wirtschaftlicher Organe auf einem technischen Stand, von dem Stalin nur träumen konnte, und all den anderen Gags der jüngsten Zeit wahrscheinlich verpennt.

Samstag, 23. August 2008

Das böse Wort mit K

Die Bildungsbürgerblätter lassen ihre Rezensenten die Bücher ja immer noch richtig lesen. Keine Ahnung, ob die KONKRET zu ihnen gehört, jedenfalls habe ich mich durch die (gefühlt 2 000, in Wirklichkeit immer noch:) 500 Seiten von Saskia Sassens "Paradox des Nationalen" gekämpft, das im Frühjahr erschien. In der nächsten Ausgabe soll mein Text dann endlich erscheinen. Die ZEIT war etwas schneller.
Auch ihr Buch ließe sich als "Asssemblage" beschreiben. Ein Zusammendenkort. Sie umkreist, gibt einfach keine Ruhe und endet bei keiner schlichten Erklärung.

Wie die nicht-schlichte Erklärung lautet, behält Gunther Hofmann für sich. Ist auch wirklich nicht einfach, sie aus Sassens aufgeblasener Soziologenprosa zu filtern. Aber konfus ist das Buch, da hat er recht.

Mittwoch, 20. August 2008

Dagong Mei

Gestern ist in der Frankfurter Rundschau meine Besprechung von Pun Ngais und Li Wanweis Buch "Dagongmei: Arbeiterinnen aus Chinas Weltmarktfabriken erzählen" erschienen. Leider ein bißchen kurz geraten ...

Montag, 4. August 2008




Mittwoch, 30. Juli 2008

Aus der Schublade: Das Internet als "Rationalisierungsmaschine"


Auf meiner Seite steht jetzt ein längerer Text, in dem ich versuche, das Internet als Mittel der Arbeitskontrolle und Arbeitsteilung in die Diskussion zu bringen. Das Problem des geistigen Eigentums wird am Rande angesprochen. Mit der Jungen Welt konnte ich mich – nett gesagt – nicht auf eine Version einigen, obwohl der Text eigentlich bereits abgesprochen war. Dann lag er eine Weile auf der Festplatte. Manche Beispiele in dieser Skizze (!) sind schon etwas älter, aber ich denke, dass meine Überlegungen noch nicht überholt, wenn auch bestimmt noch nicht fertig sind.
Als ich den Text schrieb, kannte ich Harry Braverman und sein großartiges Buch "Die Arbeit im modernen Produktionsprozeß" noch nicht, in dem er die Geschichte der technischen Entwicklung aus dem Kampf zwischen Management und Arbeiterinnen um die Kontrolle des Produktionsprozesses erklärt wird. Die Untersuchung des Internets, die ich in meinem Text anrege, würde Bravermans Ansatz sozusagen weiterführen und um ein weiteres Kapitel ergänzen.

Dienstag, 29. Juli 2008

Was es Neues gibt?

Nicht viel. Nur viele neue Handy-Bilder.

Montag, 28. Juli 2008

Hallo Zensur!

Arno Waldt prophezeit in De:bug das Ende der "Netzneutralität" - oder ist das bereits eine Diagnose?
Das Internet, wie wir es kennen und lieben gelernt haben, ist ein Auslaufmodell. Seine heute noch weitgehend offene Struktur wird in Zukunft durch Filter, Barrieren und Mautstationen eher einem Labyrinth ähneln, dessen Durchlässigkeit sich je nach Staatszugehörigkeit, Liquidität und Hartnäckigkeit des Nutzers unterscheidet.

Waldts (etwas technodeterministische, aber irgendwie ziemlich überzeugende) Erklärung dieser Entwicklung: Die Gleichbehandlung aller übers Internet transportierten Daten, auf der die Gleichbehandlung der Nutzer beruhte, ist durch größere Rechenkapazitäten obsolet geworden. Sie war ohnehin nur der Übertragungseffizienz geschuldet. Heute können die Inhalte - kleine Filme, Emails, Webseiten, Dateien, was immer - an den Router-Schnittstellen durchsucht, unterschieden und dann bevorzught oder auch blockiert werden.
... entgegen der Legende vom renitenten Netz, dessen Architektur eine effiziente Überwachung verhindert, sind die Kontrollwünsche heute zunehmend technisch machbar. Die entsprechenden Lösungen sind zwar nicht besonders elegant, aber sie funktionieren dank explodierender Rechenkapazitäten immer besser. Womit auch schon die Ursache für den Aufstieg des offenen Internets und seine düstere Zukunft benannt wäre: Das freie Netz ist nämlich schlicht das Produkt einer historischen Mangelsituation und seine viel gepriesene Offenheit vor allem ein Ausdruck äußerster Effizienz. Denn als vor drei Jahrzehnten verschiedene Computer-Netze zum Internet zusammenwuchsen, war Speicherplatz knapp, Rechner und Software liefen eher wackelig als stabil und die Prozessorgeschwindigkeiten waren ein müder Witz.
Um ein so kühnes Vorhaben wie ein weltumspannendes Meta-Netz zu verwirklichen, konnte daher nur eine ausgeklügelt effiziente Methode Erfolg haben. Inzwischen stehen die einstmals knappen Ressourcen Speicherplatz, Bandbreite und Rechengeschwindigkeit allerdings reichlich zur Verfügung, womit auch komplizierte, uneffiziente Konstruktionen wie Schlüsselwort-Filter möglich werden. Die Freiheit im Netz als Ausdruck nötiger Effizienz hat ihre Daseinsberechtigung verloren.

Damit wird es möglich, bestimmte Inhalte ganz zu blockieren oder kostenpflichtig zu machen. Das interessiert nicht nur staatliche Zensoren, sondern auch das Medienkapital:
... mit der Priorisierung kann man auch jenseits des Effizienz-Gewinns Profit machen. Zum Beispiel indem Premium-Nutzer Premium-Preise zahlen und dafür immer schneller unterwegs sind als alle anderen. (...) Aber das Prinzip Geschwindigkeit gegen Bezahlung birgt natürlich auch bombastische Missbrauchspotentiale, beispielsweise wenn Google dafür bezahlen würde, dass die Videos seiner Tochter YouTube Vorrang haben und die Videos der Konkurrenz gleichzeitig ganz nach unten wandern in der Prioritätenliste.

Das findet der Autor, in bewährter De:Bug-Argumentation, böse, weil damit auch die "Innovationskraft" schwindet, die Bastler haben keine Chance mehr gegen die Monopole undsoweiter undsofort... Die Analyse jedenfalls kommt mir treffend vor.

Samstag, 26. Juli 2008

Wissenschaftlicher Herdentrieb

In der FAZ kritisiert Jürgen Kaube die "bibliometrische Verblendung", wissenschaftliche Leistungen könnten anhand der Häufigkeit des Zitiert-Werdens beurteilt werden, wie es im letzten Jahrzehnt üblich wurde.
An manchen Universitäten in manchen Ländern hängen von den entsprechenden Publikationserfolgen in erheblichem Maße die Mittelzuweisungen, Gehälter und Karrieren ab.

(Wohl wahr, und, nicht zu vergessen, von der Drittmittelanwerbung: Wer hat, dem wird gegeben. Beziehungsweise: die Firma, die nötige Grundlagenforschung außer Haus an einer öffentlichen Einrichtung betreiben läßt, wird staatlich subventioniert!) Kaube stellt fest:
Doch nicht nur die Messung von Zitationen, das Zitiertwerden als solches ist ein völlig dubioses Kriterium. Jeder Forscher weiß, dass zitiert zu werden und gelesen worden zu sein, zwei völlig verschiedene Dinge sind. Die Vermutung, ein Verweis besage „Dieser Beitrag war mir nützlich“, erlaubt noch nicht zu ermitteln, wozu der entsprechende Aufsatz nützlich war. Oft nur um zitiert zu werden, um Informiertheit und Fleiß auszudrücken; mitunter auch, um Dankesschulden an Nahestehenden abzutragen oder um ein Ambiente für die eigenen Thesen und Befunde zu schaffen. Wie oft hört man nicht von Gutachtern, die an eingereichten Aufsätzen nur beanstanden, dass sie selbst nicht zitiert worden sind, oder von Herausgebern, die Autoren dazu einladen, am Impact-Faktor des betreffenden Journals mitzuarbeiten.

Mir fällt noch mehr ein: zum Beispiel, dass eine Fußnote nicht bedeutet, dass der betreffende Aufsatz auch verstanden wurde. Aber es ist ja wahr, peer review dieser Art ist von Seilschaften geprägt, es bilden sich "Zitationskartelle", mit denen Wissenschaftler sich gegenseitig in den Statistiken nach oben hieven.
Kaube beschreibt die Problematik der einzelnen verwendeten statistischen Verfahren, um dann indigniert zu fragen
Wie muss es um die Wissenschaftlichkeit, um nicht zu sagen, um den Verstand von Kommissionen bestellt sein, die auf solche Argumente nicht von selber kommen?

Überhaupt werden mir die elitär-konservativen Positionen in der Bildungspolitik (von Kaube oder Heike Schmoll) immer sympathischer, je genauer die deutschen Behörden bemühen, den neoliberalen angloamerikanische Bildungs-Irrsinn zu kopieren versuchen.
Eine naheliegende Kritik erwähnt Kaube allerdings nicht: dass die Beurteilung anhand von Zitationsstatistiken wirksam den Opportunismus fördert. Abseitige, unkonventionelle und Minderheitenstandpunkte werden bestraft, der peer review mit ökonomischen Folgen stellt sicher, dass der wissenschaftliche Fortschritt im Rudel vorwärts taumelt. (Nicht, dass es an den deutschen Honoratioren-Universitäten viele Ninkonformisten gäbe ...)

Montag, 21. Juli 2008


So hat also die fortwährende Ausdehnung der Massenerziehung für die nicht- akademischen Arbeitskategorien zunehmend die Verbindung mit beruflichen Erfordernissen verloren. (...) Gleichzeitig wurde ihr Platz in der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Struktur immer stärker abgesichert durch Funktionen, die wenig oder nichts mit der beruflichen Ausbildung oder mit irgendwelchen anderen rein schulischen Notwendigkeiten zu tun haben. Das Heraufsetzen des Schulentlassungsalters auf ein Durchschnittsalter von 18 Jahren ist unerlässlich geworden, wenn die Arbeitslosigkeit in vernünftigen Grenzen gehalten werden soll. Im Interesse der berufstätigen Eltern und im Interesse der gesellschaftlichen Stabilität und ordentlichen Handhabung einer zunehmend wurzellosen Stadtbevölkerung haben sich die Schulen zu gewaltigen Organisationen zur Beaufsichtigung von Jugendlichen entwickelt (...).

Unter diesen Umständen verschlechterte sich der Inhalt der Erziehung in dem Maße, wie ihre Dauer zunahm. (...) Und in der Tat reicht, wie man in den jüngsten Jahren gesehen hat, die Schließung auch nur eines einzigen Schulzweiges über einen Zeitraum von einigen Wochen aus, um in der Stadt, in der dies geschieht, eine soziale Krise hervorzurufen. Die Schulen sind in ihrer Funktion von Betreuungsanstalten von Kindern und Jugendlichen für das Funktionieren der Familie, die Stabilität der Gemeinschaft und die gesellschaftliche Ordnung im allgemeinen unerlässlich (obwohl sie selbst diese Aufgabe schlecht erfüllen). Mit einem Wort gesagt: es gibt für die Jugend keinen anderen Platz mehr in der Gesellschaft als die Schule. In dem die Schulen dazu dienen, ein Vakuum zu füllen, sind sie selbst zu jenem Vakuum geworden – zunehmend ihres Gehalts entleert und auf wenig mehr reduziert als ihre äußere Form. Genau wie im Arbeitsprozess, wo der Arbeiter um so weniger zu wissen braucht, je mehr zu wissen da ist, genauso gibt es in den von der Masse der zukünftigen Arbeiter besuchten Schulen immer weniger Grund für den Lehrer, zu lehren und die Schüler zu lernen, je größer de Wissensstoff. Hierin, mehr als in irgendeinem anderen einzelnen Faktor – der Ziellosigkeit, Sinnlosigkeit und den leeren Formen des Erziehungssystems – finden wir den Ursprung des wachsenden Antagonismus zwischen der Jugend und ihren Schulen, der die Schulen auseinanderzusprengen droht.

Harry Braverman (1977 / 1974): Die Arbeit im modernen Produktionsprozess. Frankfurt / New York: Campus. 332 ff.

Baumarkt Neukölln

Wer es darauf anlegt, kann schon auf dem Weg in die Sanitärabteilung zwei Schlägereien haben. Bei den Teppichen dann dieses Hinweisschild:


"Blut, Curry, Rost, Urin". Das nenne ich Lokalkolorit.

Samstag, 19. Juli 2008

"Digital Fordism"

Gestern bin ich auf die Internet-Publikation "From analogue to digital Fordism" gestoßen. Ich hatte noch keine Zeit, richtig reinzulesen, es könnte sich durchaus um das übliche steile Gerede handeln. Aber was für eine riesige Textsammlung!

Donnerstag, 17. Juli 2008

Geschlechtertrennung konsequent

Einiges kann man ihnen vorwerfen, den pakistanischen Islamisten, aber das mit den Männern und Frauen nehmen sie ernst. (Letzere können offenbar kein Englisch.)

Mittwoch, 16. Juli 2008

Sauberes Malaysia

Schon gewusst - im beliebten Urlaubsziel Malaysia kann Sex zwischen Männern (offiziell als "Sodomie" bezeichnet) mit bis zu 20 Jahren Gefängnis bestraft werden.

Dienstag, 15. Juli 2008

"Im Tal der künstlichen Körper"

Hey Leser!

Solltest du existieren und in Ludwigshafen oder Umgebung wohnen, kannst du am Wochenende auf eine Ausstellung gehen, wo auch Fotos von mir zu sehen sein werden.

Zum Beispiel dieses:



(Leider konnte ich es nicht blasenfrei aufkleben - der Weg zum echten Künstler ist hart und steinig.)

Freitag, 18.7. Eröffnung und Party
Samstag, 19.7. Performance-Abend
Sonntag 20.7. Hektoliteratur und Film

Bürgermeister-Reichert-Haus, Bismarckstr. 44-48

Montag, 14. Juli 2008

Meine Probleme, deine Probleme

Lustig, wie ein gewisser Peter Richter in der FAZ erklärt, worum es beim gestrigen Volksbegehren gegen Mediaspree eigentlich ging: nicht um die Gentrifizierung des Viertels, das immer noch zu den ärmsten Gegenden in Berlin gehört, oh nein,

„Spree für alle“, das klingt irrsinnig jakobinisch, aber eigentlich ist es eher eine Frage der Ästhetik. Denn mit der „Spree für alle“ ist das auch im Moment so eine Sache. Dieses in den helllichten Tag hinein verlängerte Nachtleben ist natürlich so krachend undemokratisch, aura-fixiert und elitär, dass, wer als zu uncool abgewiesen wird, nur noch nach Hause schleichen (und eventuell eine bitterliche Magisterarbeit über das Thema "Nur für Freunde: exkluierende Türpolitiken im Berlin der Nachwendezeit" beginnen) kann.

Die Linken heucheln natürlich, können ja gar nicht anders. Diesmal weil sie nicht so egalitär sind, wie sie tun. Was auf die soziale Situation des Autors verweisen dürfte: Die steigende Miete kann man sich leisten, aber in den Club kommt man nicht rein.

Freitag, 11. Juli 2008

"Woher kommen all die Leichen?"

Heute ist meine Besprechung von Valentin Temkines "Warten auf Godot - Das Absurde und die Geschichte" erschienen.

Sonntag, 29. Juni 2008

Mehr zur Intelligenzforschung

Schon wieder: noch mehr Artikel von mir über Flynn-Effekt und Intelligenzforschung (im FREITAG und der WOZ)

Linton Kwesi Johnson - The Great Insurrection

Freitag, 27. Juni 2008

"Teil der Lösung, Teil des Problems"

Der Weltagrarrat hat einen Bericht über die globale Landwirtschaft vorgelegt. Hier mein Artikel zum Thema.

Mittwoch, 11. Juni 2008

Gedanken anlässlich eines Interviews im öffentlich-rechtlichen Radio

Ob sich Völker genetisch in der Intelligenz unterscheiden, das wissen wir ja nicht so genau. Wir kennen ja noch nicht die Gene, die für Ausprägung in der Intelligenz verantwortlich sind.

So der Bildungsforscher Heiner Rindermann in einem Interview mit Deutschlandfunk im Dezember 2007. Noch kennen wir diese Gene nicht, aber bald schon könnten wir sie gefunden haben – was wäre dann? Der deutsche Psychologe beschäftigt sich schließlich nicht mit der Aufzucht und Kreuzung von Völkern, wenigstens nicht beruflich, sondern vergleicht Schulsysteme.
Dass er in dem Interview das Wort "Rasse" benutzte, verursachte einen kleinen Skandal; dass sich das nicht gehört, ist vielen bekannt. Der Sender sah sich genötigt, den ursprünglichen Titel "Es gibt genetische Unterschiede zwischen den Rassen" zur Frage "Gibt es Unterschiede in Intelligenz und Wissen zwischen den Bevölkerungen verschiedener Länder?" zu ändern. Klingt besser. Rindermann reagierte mit einer Erklärung (PDF), in der er seine Kritiker als intolerant und wissenschaftsfeindlich darstellt und sich mit dem jüdischen Intelligenzforscher William Stern vergleicht, der von den Nazis aus Deutschland vertrieben wurde:

Es scheint in Deutschland auch heute noch bei einer Minderheit einen Bodensatz ethisch höchst bedenklichen Denkens und Handelns zu geben, der Intelligenzforschung verbieten und untersagen will. Dies gepaart mit Unbildung und dem unreflektierten Bewusstsein, die Wahrheit zu besitzen. Siehe auch ähnliche Vorgänge zu anderen Themen um Peter Singer oder Peter Sloterdijk.

Die bewährte "Selber Nazi!"–Strategie, es hätte von Geschmack und Umsicht gezeugt, hätte er erwähnt, dass die Geschichte der Intelligenzforschung von Rassismus geprägt wurde. Geschenkt. Ich frage mich ohnehin, ob die Aufregung über das böse Wort „Rasse“ nicht das Thema und Problem verfehlt: die völlig gängige Art, wie Rindermann und andere Bildungsforscher und kognitive Psychologen das Zusammenspiel von Vererbung und Umwelt beschreiben:
Menschen mit bestimmter genetischer Ausstattung suchen sich eine andere Umwelt aus und beeinflussen auch ihre Umwelt in einer bestimmten Form, wie es ihren Genen eher entspricht und wie sie sich auch dann besser entwickeln können. Also, zum Beispiel Intelligentere gehen eher länger in die Schule, auf Universitäten, und die weniger Intelligenten, die meiden eher solche Umwelten.

Wer weniger intelligent ist, meidet instinktiv die Hochschule, besser für ihn: Wohlfühlen würde er sich dort bestimmt nicht. Ganz ähnlich wird erklärt, warum bei Vergleichsstudien die Bayern besser abschneiden als die Brandenburger: Wer schlau ist, findet woanders Arbeit und geht! Gestern habe ich übrigens gelesen, dass mit exakt dem selben Argument in den 1920er Jahren erklärt werden sollte, warum Schwarze in den industriell geprägten Nordstaaten der USA durchschnittlich intelligenter waren als Schwarze im ländlichen Süden. Das Tempo des wissenschaftlichen Fortschritte kann einem den Atem rauben.
Solche (ich muss das blöde Wort benutzen: affirmative) Argumentationen beruhen gar nicht auf einem Rassebegriff, sondern auf der Vorstellung, die individuelle Begabung oder Denkfähigkeit sei irgendwie vorhanden und fix und weise den Menschen ihre soziale Position zu. Niemals umgekehrt, nicht die Arbeitslosigkeit und geistlose Arbeit machen "dumm", nein: Wer dumm ist, wird arbeitslos. Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen.
Warum, warum kritisiert niemand das, statt darüber zu faseln, die Intelligenztests seien unfair, weil kulturabhängig? Als würde es einen Unterschied machen, wenn die Intelligenztests und Schulen und Universitäten fair selektieren.

Freitag, 6. Juni 2008

Wer ist "Sabine G."?

Der Bundesfinanzminister wollte das Steuerprivileg für Privatschulkosten abschaffen, um mehr einzunehmen, nicht, um aus Gründen jener ominösen "Bildungsgerechtigkeit", von der so viel die Rede ist, aber immerhin - warum nicht? Die CDU war dagegen, man einigte sich auf einen faulen Kompromiss, der eine Obergrenze der Steuerfreiheit von 3 000 Euro pro Kind vorsieht. Das wiederum bringt zwei Autoren der WELT in Wut.
Fast 1000 Euro im Monat zahlt Sabine G. dafür, dass sie ihre drei Kinder auf eine private Ganztagsschule in Berlin gibt. "Wir schicken sie dahin, weil die staatlichen Schulen in Berlin einen schlechten Zustand haben", sagt sie. Immerhin 12 000 Euro im Jahr ist der Familie die gute Ausbildung ihrer Kinder wert. Das ist eine Menge Geld. Leisten kann sich die Familie diesen Aufwand nur, weil sie einen Teil beim Finanzamt zurückholt. (...) Nur den Protesten von Bildungspolitikern vor allem aus der Union haben die Kinder von Sabine G. es zu verdanken, dass sie ihre Berliner Schule jetzt nicht verlassen müssen.

Wer ist "Sabine G."? Wo kommt sie her? Ein merkwürdiger Nachname das, vielleicht steht er für "Gymnasium", wie in: "Ich bin aufs Gymnasium gegangen, und meine Kinder werden das auch selbstverständlich auch tun!" Warum sagt Sabine G. am Ende des Artikels dasselbe wie am Anfang? Warum sitzt sie in Berlin, wo zwei sozialdemokratische Parteien die Schulen herabwirtschaften, und nicht etwa in Hessen, wo es eine christdemokratische getan hat? Entspringt sie gar der müden Phantasie von Lohnschreibern, die für abstrakte und komplexe Themen "anschauliche Protagonisten" brauchen?

Mittwoch, 4. Juni 2008

Honigbienen überbrücken die Kulturdifferenz

Ah, die zuverlässige englische Presse: jeden Tag eine neue Tiergeschichte! Biologen haben offenbar festgestellt, dass europäische Bienen den "Dialekt" asiatischer Bienen lernen können.

Dienstag, 3. Juni 2008