Mittwoch, 22. April 2009

À propos Einsparmöglichkeiten in der polit-ökonomischen Forschung:

Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften
Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft

Wiss. Mitarbeiterin / Wiss. Mitarbeiter
mit Teilzeitbeschäftigung bis zu 19,25 WoStd.
für 2 Jahre (vorbehaltlich der Bewilligung des Bundes)
Vgr. IIa BAT (i.d.F.d. Anw.-TV FUB) (für Bachelor-Absolventen erfolgt die Vergütung nach Vgr. III BAT (i.d.F.d. Anw.TV FUB)

Aufgabengebiet:

* Durchführung des Forschungsprojekts "Determinanten der Wechselbereitschaft von Frauen zu Ökostrom: Analyse der Hemmnisse und Motivationsstrategien"

Wofür ist Begleitforschung gut?

In Baden-Württemberg wird diesen Sommer das zweite teilprivatisierte Gefängnis in Deutsch­land in Betrieb gehen. An der neuen JVA Offenburg ist das Essener Sicherheitsunternehmen Kötter beteiligt. Dieser „Sicherheitsdienstleister“ wird auch dabei sein, wenn – ebenfalls im Sommer dieses Jahres – in Sachsen-Anhalt ein neues Gefängnis eröffnet wird. In Niedersachsen läuft gerade eine Ausschreibung für eine neue teilprivatisierte JVA, die 2012 fertig werden soll. Nicht nur Bundesländer, die von FDP und CDU regiert werden, setzen auf Teilpri­vatisierung. Auch Berlin und Brandenburg wollen private Unternehmen bei einem neuen Gefängnis einbinden.

Mein Artikel über Gefängnisprivatisierung in Deutschland ist letzte Woche im FREITAG erschienen. Er gibt einen Überblick über die verschiedenen Privatisierungsprojekte und die verfassungsrechtliche Debatte über ihre Legalität.
Am Rande geht es darin auch um ein Forschungsprojekt an der Uni Fulda, mit dem das erste teilprivatisierte Gefängnis im osthessischen Hünfeld bewertet werden sollte. Ein Großteil der anfallenden Arbeiten organisiert das transnationale Dienstleistungsunternehmen SERCO. Im April 2008 wurde bekannt, dass das nicht billiger kommt als ein vergleichbares Gefängnis in Darmstadt, dass also "fiskalisch" nichts für die Privatisierung spricht. (Und dabei sind die Kosten der Vertragsanbahnung, Vertragskontrolle und Nachverhandlungen noch nicht einmal berücksichtigt!) Der damalige hessische Justizminister Jürgen Banzer sagte damals:

Solche Schlussfolgerungen sind ebenso voreilig wie unzutreffend. Richtig ist, dass eine wissenschaftliche Evaluierung der Wirtschaftlichkeit der teilprivatisierten JVA Hünfeld durch die Fachhochschule Fulda durchgeführt wird, aber erst im Jahre 2009 zu einem abschließenden Ergebnis kommen wird.

Mittlerweile ist 2009, der Vergleich der Kennzahlen ist abgeschlossen und die Zahlen liegt beim Justizministerium vor. Veröfentlicht werden sie nicht, denn wahrscheinlich hat die Begleitforschung immer noch nicht das gewünschte Ergebnis ermittelt. Auf meine Anfrage hin heißt es aus dem Ministerium:
Ein Veröffentlichungstermin kann derzeit noch nicht genannt werden.
Zu den Ergebnissen kann derzeit ebenfalls nichts gesagt werden.

Ich bin ja nicht naiv, aber könnten wir uns den Zirkus mit der Evaluation und den Forschungsprokejten nicht einfach sparen? He who pays the piper calls the tune - oder sagt ihm, wann er ruhig zu sein hat.

Sonntag, 19. April 2009

England, Hort der liberalen Demokratie - vor einer geplanten Demontration von Umweltschützern haben die englische Polizei und das Wirtschaftsminiszerium mit dem Energiekonzern E.ON zugearbeitet, berichtet der GUARDIAN.
Intelligence passed to the energy firm by officials from the Department for Business, Enterprise and Regulatory Reform (BERR) included detailed information about the movements of protesters and their meetings. E.ON was also given a secret strategy document written by environmental campaigners and information from the Police National Information and Coordination Centre (PNICC), which gathers national and international intelligence for emergency planning.

Donnerstag, 16. April 2009








Mittwoch, 15. April 2009

Was ist und zu welchem Zweck treiben wir „Medienwissenschaft“?

Gute Frage, das. Sie wird etwas handhabbarer, wenn wir uns fragen, wer „wir“ ist. „Wir“ sind ganz nämlich verschieden. Manche untersuchen „die Medien“, weil sie ihren politischen Zielen im Weg stehen. Die anderen wollen einen berufsqualifizierenden Abschluss, weil unbestätigten Gerüchten zufolge „die Medien“ Bedarf an Arbeitskräften haben.

In dem medienpolitischen Sammelband Medien - Macht - Demokratie, herausgegeben von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, veröffentlichen Autorinnen und Autoren aus diesen beiden und anderen Gründen. Die Themen reichen von der computergestützen Überwachung am Arbeitsplatz über Google bis zur Reform der öffentlich-rechtlichen Rundfunkräte.

Dienstag, 14. April 2009

Should I stay or should I go?

Treibt die Weltwirtschaftskrise die Migranten wirklich zurück in ihre Herkunftsländer? Läuft "die Globalisierung rückwärts", wie in der ZEIT von dieser Woche zu lesen war? Eine Meldung der Financial Times Europe weist darauf hin, dass die Situation nicht so eindeutig ist. Da heißt es:
Thousands of Polish migrants are applying for welfare benefits in the UK as the recession wipes away the jobs that lured them to the UK, the Financial Times has learnt. Employment and benefits advisers are reporting a surge in the number of Polish people coming to them for advice about how to survive the recession in Britain. That suggests many Poles are determined to ride out the economic downturn in the UK even though anecdotal reports suggest thousands of central European workers are returning home.

(Das wirft nebenbei ein eher schlechtes Licht auf jene "anekdotischen Berichte" - wahrscheinlich von Journalisten verfasst, die schon vorher genau wussten, was sie herausfinden würden.)

Montag, 13. April 2009

Beim FREITAG ist meine Besprechung von Matrix der Welt - SAP und der neue globale Kapitalismus erschienen.
Die Geschichte des Kapitalismus ließe sich als Fortschritt der Informatisierung beschrei­ben: Produktion und Austausch werden immer schneller, detaillierter und mit immer weniger Arbeitsaufwand erfasst.

Übrigens gibt es auch andere wenig berichte Neuigkeiten über den Softwarehersteller:

Mit "Investigative Case Management for Public Sector" (ICM) hat SAP ein Softwarepaket vorgestellt, das Strafverfolgungsbehörden bei Ermittlungen unterstützen soll. Neben der Polizei sollen jedoch auch Nachrichtendienste sowie andere mit Sicherheitsaufgaben betraute Organisationen das SAP-Produkt einsetzen können.

Donnerstag, 9. April 2009





"Halbgötter in braun"


Ich habe meine Doppelrezension über die medizinische Forschung im NS ins Netz gestellt. Erschienen ist sie in der April - Ausgabe der KONKRET.
Im Jahr 1937 war knapp die Hälfte der deutschen Ärzte Mitglied der NSDAP. Ein Viertel war in der SA organisiert. Ihr Organisationsgrad lag um das siebenfache über dem Durchschnitt der männlichen Bevölkerung. Verglichen mit den Schullehrern – also mit einer akademischen Berufsgruppe – waren sie immer noch doppelt so häufig in der Partei. Was zog sie hin zum Nationalsozialismus?

Sogar arbeiten ...

BILD erklärt die sogenannte elektronische Fußfessel:
Das Leben geht mit der Fußfessel geregelt weiter – es darf sogar gearbeitet werden!

Zitiert wird in der Meldung auch Klaus Jansen, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), nämlich mit:
Wichtig wäre eine Fußfessel insbesondere auch für die weitere Überwachung von Sexualstraftätern.
Wenn das Zitat stimmt, zeugt es davon, dass Kriminalbeamter Jansen nicht weiß, wie die Funküberwachung funktioniert. Denn selbst, wenn demnächst "Bewegungsprofile" von den Trägern erstellt werden könnten (wie es der baden-württembergiscge Gesetzesentwurf vorsieht), bleibt die Frage, wie denn die Polizisten vor den Bildschirmen reagieren, wenn sich etwa eine Pädophiler einem Kindergarten nähert. Einen Streifenwagen schicken? Ihn bei nächster Gelegenheit einsperren? Per Fernsteuerung ein potenzhemmendes in seinem Körper freisetzen?

Montag, 6. April 2009

"Nachsolidarische Reziprozität"



Jetzt, was soll ich denn da für ein härteres Regiment führen, wenn die Leut' nichts finden? Was soll ich denn da machen, soll ich sie erschießen?

Dieses Zitat einer deutschen "Arbeitsvermittlerin" stammt aus einer Studie des Bielefelder Instituts für Wissenschafts- und Technikforschung. Mit Interviews haben die Forscher zu ermitteln versucht, wie die Hartz-Gesetze die Praxis auf den Arbeits- und Sozialämtern verändert haben. Das (kaum überaschende) Ergebnis: die Angestellten dieser Behörden betreiben die sogenannte Aktivierung als pädagogisches Projekt, viele von ihnen begreifen ihre Aufgabe als "Umerziehung".
Soziale Kontrolle erfolgt in unserem Fall heutzutage nicht, wie es dem Klischee entspräche, primär autoritär. Sie erfolgt vielmehr kooperativ zugewandt oder auch pädagogisierend, dabei nicht selten subtil übergriffig, ggf. zynisch, manchmal latent verachtend und nur hier und da noch in Resten paternalistisch oder offen autoritär.

Das (und noch mehr die entsprechende Einteilung der Interviewten!) kommt mir vereinfachend vor. Ist denn nicht das Um-Erziehen in jeder, auch der "gutwilligen" Form, der Gegenpol dazu, den Arbeitslosen als Gleichberechtigten (sprich: "Bürger") zu behandeln? Jedenfalls beschreiben die Autoren die vorherrschende Einstellung als "postpolitisch" beziehungsweise "nachsolidarisch"
Der Staat für sie kein politisches Gebilde mehr, nicht mehr ein Organ des Volkssouveräns ist. Er ist vielmehr eine formale Organisation, die Tauschhandlungen organisiert, in denen Leute gemäß ihres "Restarbeitsvermögens" für die Organisation "Staat" arbeiten.

Die Studie bleibt in ihrer Kritik - natürlich - strikt auf der Ebene der Kultur und der Einstellungen, nicht der der Institutionen. Aber allein die Zitate lohnen sich!

Eine Zusammenfassung gibt es auch bei TELEPOLIS.

Freitag, 3. April 2009

Kann der Staat den technischen Fortschritt steuern?



Gestern ist eine neue Buchbesprechung von mir erschienen. Es geht um die Untersuchung "Neue Technik auf alten Pfaden?", eine Geschichte der bundesdeutschen Forschungspolitik.
Die Standardtastatur, wie sie noch heute gebräuchlich ist, entstand Ende des 19. Jahrhunderts. In den 30er Jahren kam dann das »Dvorak Simplified Keyboard« auf den Markt, mit dem sehr viel mehr Anschläge in der Minute möglich wurden.Ohne nennenswerten Erfolg. Warum? Die Büroarbeiterinnen umzuschulen, hätte Kosten verursacht. Für Schreibmaschinenhersteller war der Einstieg in die neue Technik ein schwer zu kalkulierendes Risiko. Die Konsumenten profitieren von dem »Netzwerkeffekt«: Gilt eine Technik als Standard, sind beispielsweise Ersatzteile günstig und zuverlässig verfügbar. Solche »positiven Rückkopplungen« waren und sind dafür verantwortlich, daß »suboptimale Techniken« gewinnen können – und zwar nicht trotz, sondern gerade wegen des freien Spiels der Marktkräfte.

Fabrikbesetzungen in England und Nord-Irland



Seit Mittwoch halten Arbeiterinnen und Arbeiter Fabriken in Enfield (London), Basildon (Essex) und Belfast besetzt. Am Tag zuvor wurden fast alle Beschäftigten von Visteon in Großbritannien entlassen. Die Firma ist ein Automobilzulieferer, der bis 2000 Ford gehörte. Die Arbeiter fordern (nach Medienberichten) vor allem Abfindungen und dass die Zeit vor der Auslagerung auf ihre Renten und Arbeitslosengelder angerechnet wird.

Mittwoch, 1. April 2009



Maschine sein

In der ZEIT berichtet ein anonymer Autor (in etwas popularisierter Form) über seinen "Selbstversuch mit Ritalin". Bekanntlich nutzen viele Schüler, Studenten und Wissenschaftler das Medikament zur Leistungssteigerung. Ein interessanter Erfahrungsbericht, auch wegen dieser Beschreibung:
Konzentrationsprobleme. Kenne ich. Ich studiere Philosophie, und wenn ich in der Bibliothek sitze und Fachliteratur lese, überkommt mich manchmal diese Müdigkeit. Ich sitze vor den Büchern, aber die Wörter ergeben keinen Sinn als würde ich sie vorlesen, mir selbst aber nicht zuhören. Mein Kopf knüpft derweil Assoziationsketten, die ich nicht stoppen kann ...

Gab es einmal eine Zeit, in der Erschöpfung nicht als Krankheit galt? Und welche gängige Erklärung, absurd in zweiter Potenz, bietet der Autor dann an? Diese:
Ich spüre den Druck, im Studium zu brillieren, um auf dem Arbeitsmarkt eine Chance zu haben – und es ist dieser Druck, der mich blockiert. Um zu brillieren, müsste ich den Druck loswerden. Ich brauche Stille in meinem Kopf.

So wird das Psychogeschwätz geradewegs zur Etappe auf dem Weg ins zirkuläre Irresein.