Dienstag, 5. Dezember 2017

Montag, 4. Dezember 2017

Vom mühsamen journalistischen Kratzen an der institutionellen Oberfläche

Wenn ich, wie es häufiger mal vorkommt, von einer Behörde oder Firma etwas wissen will, lande ich nolens volens zuerst beim Pressesprecher. Wozu ist ein Pressesprecher da? Er kümmert sich um die Außendarstellung, das öffentliche Erscheinungsbild seiner Firma-Behörde-Partei-Stiftung-Verein-... Er filtert die Informationen aus dem Innern seiner Institution, damit in der Öffentlichkeit kein falscher Eindruck entsteht (oder etwa ein richtiger, aber schlechter).

Soweit alles bekannt, alles okay. Merkwürdig berührt mich nur das Missverhältnis zwischen der Hilfsbereitschaft und Eilfertigkeit, die manche Kolleginnen an den Tag legen, einerseits und ihrem konsequenten Mauern andererseits.

Wie zum Beispiel bei der DAK, der ich die Frage stellte, wie viele Versicherte eigenlich an den Online-Präventionskursen gegen Depressionen und andere psychische Erkrankungen teilnehmen. Ich bekomme wie üblich Werbetexte ("Hintergrundinfos"), aber, immerhin:

Zahlen versuche ich herauszubekommen, damit melde ich mich später.
Falls Sie in der Zwischenzeit noch Fragen haben, melden Sie sich gern.
Mach ich:
Vielen Dank! Wenn Sie nach Zahlen fragen: ein ausreichend langer Zeitraum (z.B. die letzten 3 Jahre) und die jährliche Teilnehmerzahl Deprexis / Veovita / bewilligte Richtlinien-Psychotherapien wären wunderbar.
Daraufhin passiert erst einmal eine Weile nichts mehr. Das ist normal. Jetzt ist die Fachabteilung dran, und die hat Besseres zu tun. Nach ein paar Tagen bekomme ich dann diese Nachricht:
Leider kann der Fachbereich die gewünschten Daten gerade nicht ziehen - wir sind mitten in einer Systemumstellung. Ich weiß aber mittlerweile, dass rund 7.000 Versicherte an unseren eMental-Health-Programmen teilnehmen.
Oh je! Ich versuche erfolglos anzurufen. Ich schreibe eine Email. Ich schreibe noch eine Email:
Leider habe ich Sie telefonisch nicht erreicht. Mit den 7 000 Versicherten insgesamt kann ich eher wenig anfangen (weil ohne Zeitraum, nicht spezifisch). Können Sie nicht rekonstruieren, wie viele Versicherte am Veovita-Programm seit Start teilgenommen haben?
Nö, geht nicht:
Leider kann ich Ihnen die Zahlen aus betriebsinternen Gründen nicht weiter aufschlüsseln. Danke für Ihr Verständnis
Überflüssig, sich da zu bedanken, ich habe kein Verständnis. Die DAK weiß nicht, wie viele Versicherte ihre Angebote wahrnimmt? Schwer vorstellbar. Ich hake noch einmal nach:
Um welche Sorte betriebsinterner Gründe handelt es sich denn?
Seitdem warte ich.

Dienstag, 14. November 2017

Nicht für das Leben lernen wir

In der FAZ von gestern beklagt Heike Schmoll die Leistungen der Bildungseinrichtungen:
Kaum eine Universität kommt ohne Liftkurse aus, um im Gymnasium versäumte Grundkenntnisse nachzuholen. Hier liegt das Hauptproblem der jeweiligen Bildungssysteme: Keine Schulart nimmt ihre Pflicht wirklich ernst, die Anschlussfähigkeit für die nächsthöhere Bildungseinrichtung zu garantieren. Das beginnt in der Kita, die gemeinsam mit den Eltern zumindest für die sprachlichen Voraussetzungen vor Schulbeginn sorgen müsste, das aber nur selten schafft. ... Die Abiturienten haben dann zwar eine Studienberechtigung, aber keine Studienbefähigung in der Tasche.
Etc. Solche Klagen erklingen seit den 1980er Jahren. Interessant ist nur die Überschrift:
Die Schularten werden ihrer Verantwortung als Zulieferer nicht gerecht.
So sieht`s aus, liebe Kinder, liebe Lehrer: Zulieferer seid ihr für die deutschen Unternehmen. Angestellte einerseits, das Rohmaterial andererseits in Lernfabriken, ein Fließband in dieser Megamaschine von der Kita über die Berufsschule oder Unibis zum Arbeitsplatz.

Donnerstag, 2. November 2017

"Bildung! Bildung! Bildung!"

Die Sendung Andruck beim Deutschlandfunk hat diese Woche meine Besprechung von Konrad Paul Liessmanns "Bildung als Provokation" gebracht.
Politisch unangenehm, aber durchaus folgerichtig: Bildung lässt sich weder vermessen noch kontrollieren, weder aufspalten noch portionsweise verteilen, kurz: nicht effizient organisieren.
Vielen Lehrern und Universitätsdozenten wird der Autor aus dem Herzen sprechen. Dass das pädagogische Feld am besten bestellt ist, wenn wir sie von weiteren Innovationen und Reformen verschonen, dieser Verdacht hat einiges für sich. Er kennzeichnet die gegenwärtige Bildungspolitik überzeugend als innerweltliche Religion – mit allem, was dazu gehört: Erlösungshoffnungen, Priesterschaft und Ritus, in diesem Fall: Lösung sämtlicher gesellschaftlicher Probleme, pädagogisches Expertentum und Kennzahlen.

Kritisch anmerken möchte ich noch, dass Liessmann leider nur gegen die Verflachung der Bildung streitet, nicht für ihre Verallgemeinerung. Dass er Verflachung und Vermassung gleichsetzt macht den elitären Charakter seiner Kritik aus.

Montag, 16. Oktober 2017

Massenmenschhaltung



Wir leben in einer Massengesellschaft. Gleichzeitig ist für uns lebenswichtig, uns zu unterscheiden von den anderen, die so sind wie wir. Wir marschieren nicht im Gleichschritt (wie damals, als der Begriff der Massengesellschaft aufkam), aber unfehlbar in dieselbe Richtung.


Die Jahrzehnte seit dem angeblichen Ende des Fordismus brachten eine Industrialisierung und damit eine Standardisierung des Konsums, wie wohl nie zuvor. Und diese Jahrzehnte brachten eine individualisierte, narzistische Lebensweise hervor wie nie zuvor. Das muss zusammen passen, irgendwie, aber wie? Ich verstehe es nicht.




Wie beweist der Lemming, dass er einzigartig ist? Vielleicht hüpft er auf einem Bein in Richtung Abgrund.

Donnerstag, 5. Oktober 2017

"Die Automatisierung der Ausbeutung"

In der aktuellen Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik ist ein weiterer Rundumschlag von mir zum Thema Digitalisierung erschienen. Beginnen lasse ich den Text nicht im kalifornischen Silicon Valley, sondern in einer Lidl-Filiale um die Ecke.
„Liebe Kunden, wir öffnen Kasse 2 für Sie“, ertönt die angenehme Frauenstimme vom Band. Ein Angestellter spricht in ein kleines Mikrophon, das er am Schädel trägt, während er durch die Regalreihen in Richtung Lager läuft; gleichzeitig schirmt er mit der Hand den Kopfhörer im Ohr vor Nebengeräuschen ab: „Hallo? Redest du die ganze Zeit mit mir? Hallo?“ Die Headsets wurden vor kurzem eingeführt. Mit ihnen können die Beschäftigten in jeder Situation eine Kollegin ansprechen, auch wenn diese beispielsweise hinten im Lager ist. Sie können nach einem Preis oder einer Warenziffer fragen oder die andere nach vorne rufen, ohne zu diesem Zweck selbst von der Kasse aufzustehen, auch während sie ein Regal einräumen oder die Aktionsware aufräumen oder den Pfandautomaten leeren oder die Backwaren kontrollieren … Schnell gehen muss es bei Lidl immer. Sich mit dem Sprechgerät am Körper zu koordinieren, ist deutlich zeitsparender als zum Telefon zu laufen. Andererseits: wer nicht jederzeit und unmittelbar erreichbar ist, gerät unter Rechtfertigungsdruck.
Auf die Digitalisierung und die Datenkraken zu schimpfen, fällt den Deutschen wesentlich leichter, wenn es sich um amerikanische Unternehmen handelt. Aber Lidl verwirklicht in vieler Hinsicht dieselben Tendenzen wie Amazon. Die "Internet-Plattformen" von heute sind die Erben der großen Handelsketten - die ihren Vorgängern zunehmend Marktanteile streitig machen!

Lidl ist der größte Handelskonzern Europas und der viertgrößte der Welt. Wie lautet das Erfolgsrezept? Der Aufstieg der großen Handelskonzerne - auch Walmart oder Carrefour - ist geprägt von einer Ausweitung der Selbstbedienung und Kampfpreisen: Rabatt für alle, jeden Tag. In ihren Filialen senkten die Konzerne den Personaleinsatz. Ihre niedrigeren Einkaufspreise gaben sie zum Teil an ihre Kunden weiter und drängten so unabhängige Unternehmen reihenweise aus dem Markt. Aber nun stehen sie selbst Konkurrenten gegenüber, die eben diese Strategien auch beherrschen – vielleicht besser? Internet-Plattformen wie Amazon oder Zalando machen den stationären Handel nervös. So wie die großen Technologiekonzerne Microsoft, Apple, Alphabete (Google) oder Facebook versuchen sie, von ihrem Heimatmarkt Internet aus in immer mehr Geschäftsfelder vorzudringen. Das beste Verkaufsargument der neuen Marktakteure ist das alte: „Ganz einfach, ganz schnell, ganz billig!“ Sie versprechen, die Kundenwünsche unmittelbar, on demand zu befriedigen. Ihre relative Stärke gegenüber den Etablierten besteht darin, kaufkräftige Nachfrage aufzuspüren. Über das (mobile) Internet haben sie Zugang zum Kunden, machen als erste ein Angebot und versprechen, dass es nirgendwo billiger zu haben ist.

Die Marktmacht wird wieder einmal neu verteilt. Für Lidl geht es darum, nicht abgehängt zu werden, wenn beispielsweise Amazon Lebensmittel ausliefert, wie es in der Region Berlin gerade erprobt wird. Der Discounter investiert kräftig in den eigenen Online-Shop. Laut Klaus Gehring, dem Vorsitzenden des Lidl-Aufsichtsrats, hat sich der Umsatz online im Jahr 2016 „einer Milliarde genähert“. Aber, erklärte Gehring der Frankfurter Allgemeinen, „wir können nicht Amazon – wir müssen gewinnorientiert sein.“ Mit dem Lieferdienst für frische Lebensmittel werde der Konkurrent niemals Geld verdienen. Das besondere an der Geschäftsstrategie der Plattformen ist aber gerade, dass sie Verluste gern in Kauf nehmen, solange sie Marktanteile erobern – Profite kommen (hoffentlich) später. Sie verfügen über finanzielle Reserven oder Investoren, die ihnen Kapital regelrecht aufdrängen. Entscheidend ist dabei, dass Lidl um seine „Preisführerschaft“ fürchten muss, denn Amazon unterbietet ihn bei entscheidenden Artikeln wie Kaffee, Milch oder Schokolade (verlangt allerdings zusätzlich Mitgliedsgebühren). Laut der Süddeutschen drohte der Lidl-Konzern im Mai seinen Lieferanten mit „Sanktionen“, sollten sie mit Amazon Fresh kooperieren, angeblich sogar damit, ihre Waren aus dem Sortiment zu werfen.

Welche Geschäftsmodelle im Handel sich mittelfristig durchsetzen, wie Internetselbstbedienung und Zulieferung zukünftig verzahnt werden, ist noch unklar. Klar ist dagegen, dass die Digitalisierung des Einzelhandels nicht ohne Kurierfahrer, Kommissionierer und Verpacker funktionieren kann, weil die bestellte Ware nun einmal nicht durch die Telefonleitung passt. Auf ihren Rücken wird der Preiskampf ausgetragen. In den mächtigen Warenlagern der Handelsketten herrschen Arbeitsbedingungen, die noch schlimmer sind als im stationären Handel: niedrigere Löhne, mehr Leistungsdruck, höhere Fluktuation, mehr Befristung und Leiharbeit. Wer krank wird, sagen Beschäftigte, wird mit Rückkehrgesprächen eingeschüchtert. Kollegen müssten Urlaubstage nehmen, wenn es für sie nicht zu tun gibt – nachträglich! Das Arbeitsaufkommen ist äußerst unregelmäßig, denn es ist abhängig von der instabilen Kauflaune online. Um sie zu bedienen, muss die Arbeitskraft on demand bereitstehen. Das Auslastungsrisiko will das Unternehmen aber nicht tragen.

Freitag, 29. September 2017

Kumm guud iwwer die Brick

Mittwoch, 20. September 2017

Montag, 18. September 2017

Alles Bluff? Künstliche Intelligenz lernt das Pokern

Im Frühjahr hat der Pokerbot Libratus vier der besten Pokerspieler der Welt geschlagen. Eine weitere Erfolgsmeldung aus dem Forschungsfeld der KI - hält sie, was sie verspricht? Was kann diese Art von Computersoftware, was nicht? Für mein Feature für Neugier genügt / WDR habe ich mit den Entwicklern von Libratus und anderen KI-Experten gesprochen. Und nebenbei geht es darum, was die Gewinner am Pokertisch von Verlierern unterscheidet ...

Die Audiodatei lässt sich hier herunterladen.

Mittwoch, 6. September 2017

"Herbst der KI" oder Überwindung des Menschen?

Wunderbare Collage vom wunderbaren Volker Strübing
Kinder, hütet euch vorm Älterwerden! Über Nacht habe ich mich in einen nörgelnden alten Mann verwandelt (hoffentlich nicht aus einem nörgelnden jungen Mann ...) Aber es hilft nichts, widerwillig, aber hartnäckig schreibe ich gegen den Hype um die Künstliche Intelligenz und die Digitalisierung insgesamt an. Wenn es sonst keiner macht.
In einer Rezension in der September-Konkret beschäftige ich mich mit der Avantgarde der Algorithmenverehrung, den Transhumanisten - eine Strömung, die ausführlicher kritisch gewürdigt werden sollte (inklusive ihrer Verbindungen zum etwas respektableren oder wenigstens theoriegesättigten "Posthumanismus").
"Wir sind dabei, einen Gott zu konstruieren", heißt es ausdrücklich bei Sam Harris (einem Transhumanisten). Zwar wird die Strömung im angloamerikanischen Raum oft als "Techno-Futurismus" bezeichnet, aber das trifft sie eben nur zum Teil. Ihre Anhänger fasziniert nicht die Technik im eigentlichen Sinn – die Apparate, die Wissenschaft –, sondern die religiösen Motive unter der Oberfläche. Es geht ihnen um Unsterblichkeit, Schöpfung, Transzendenz.
...
Sie verachten das Organische. Ich übertreibe? "Das Denken biologischer Gehirne (sic!) wird ein kurzer Vorläufer der leistungsfähigeren Erkenntnisvermögen des anorganischen, posthumanen Zeitalters sein", schwärmt Martin Rees. "Die Evolution auf anderen Welten, die um Sterne kreisen, die älter als die Sonne sind, könnte einen Vorsprung besitzen. Wenn ja, dann sind Außerirdische wahrscheinlich schon vor langer Zeit über das organische Stadium hinausgegangen." Wie die Häretikerbewegung der Katharer wollen die Transhumanisten das Leibliche überwinden und die Unsterblichkeit erreichen, mit technischen Mitteln selbst zu schönen Maschinen werden. Nur sieht das transhumanistische Paradies haargenau so aus wie das Diesseits, bis hin zu der obszönen Idee, das unsterbliche "Ich-Programm" könne mit Hilfe eines Roboters Sex haben. Beim Transhumanismus handelt es sich um eine Heilslehre ohne Transzendenz, eine Eschatologie in Comic-Version.
Der ganze Text findet sich auf meiner Internetseite.

Samstag, 2. September 2017

Digitale Arbeit - mein Leben als Minutenlöhner

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat dankenswerterweise meinen Vortrag über Crowdwork und die anschließende Diskussion von der Konferenz "Neue Arbeit, neue Widerstände" online gestellt.

Mittwoch, 30. August 2017

Dienstag, 22. August 2017

Künstliche Intelligenz, natürliche Dummheit


Wir alle haben sie schon erlebt: Eltern, die so vernarrt in ihren Nachwuchs sind, dass der nichts falsch machen kann. Ich meine: nichts. Das Gekrakel von Kindern, die ihren Wachsmalstift nicht gerade halten können, zeigt für solche Mamas und Papas, dass wir es mit einem Genie vom Range eines Rembrandts zu tun haben. Jede Fehlleistung belegt nur die gewaltige Begabung.

Hier ist natürlich die Rede von der Künstlichen Intelligenz, die scheinbar auch nichts falsch machen kann. Jeder vernünftige Mensch / Zeitungsleser weiß schließlich, dass sie gegenwärtig von Triumph zu Triumph eilt und sich anschickt, reihenweise Arbeitsplätze zu vernichten und sich nach und nach sämtliche intellektuelle Fähigkeiten des Menschen anzueignen. Geradezu grotesk klingt das bei Kai Schlieter. Das jüngste gescheiterte Experiment von Facebook, die einen natürlichsprachigen Chatbot für Verhandlungen entwickeln wollen, nahm er zum Anlass, in der Berliner Zeitung unter anderem folgendes vom Stapel zu lassen:

… Maschinen verwandeln Gehirnwellen in Postings, aus Facebook wird ein Bewusstseinskonzern, ein globales Netzwerk aus neuronalen Verschaltungen von Menschen und Maschinen …. Selbstlernende Software. Erschaffen aus exponentiell wachsenden Datenmassen und Rechenleistungen. … Diese Technik macht alle zuvor geschaffenen Werkzeuge überflüssig, weil sie deren Funktion automatisiert. Auch das wichtigste Werkzeug des Menschen: die Kognition, also Informationsverarbeitung. Juristen, Versicherungsangestellte, Journalisten verloren bereits ihre Jobs. KI ermöglicht die umfassendste Automatisierung von Arbeit in der Geschichte der Menschheit. … Selbstlernende Algorithmen erkennen Muster und Bilder besser als Menschen. … „Heute müssen wir Computer nicht mehr programmieren, sie programmieren sich selbst“, schreibt der Informatiker Pedro Domingos …
Und so weiter, und so fort. Ich verstehe schon, der angedrehte, geradezu apokalyptische Ton ist dem Feuilleton geschuldet. Mit drögem einerseits / andererseits kommst du heute nicht mehr weit. Mir geht es auch nicht darum, einen Kollegen auf dem Meinungsmarkt lächerlich zu machen, obwohl es in diesem Fall verlockend leicht fallen würde. Mir geht es um ein besseres, ideologiekritisches Verständnis: Welche Rolle spielt die Künstliche Intelligenz in der populären Vorstellungswelt?

Donnerstag, 3. August 2017

Montag, 31. Juli 2017

Fun fact # 27: Elektromobilität

Um eine Batterie für ein Elektroauto entstehen herzustellen, werden pro speicherbarer Kilowattstunde zwischen 150 und 200 Kilogramm Kohlendioxid ausgestoßen.

Wegen dieser energieaufwendigen Produktion muss ein Elektroauto (beispielsweise ein Tesla Modell S) acht Jahre lang fahren, bis insgesamt weniger Kohlenstoffdioxid pro Kilometer ausgestoßen wurde als bei einem Auto mit herkömmlichem Verbrennungsmotor.

(Quelle)

Mittwoch, 12. Juli 2017

Arbeitskämpfe im digitalen Kapitalismus

Am Samstag, den 22. 7., nehme ich an einer kleinen, aber sehr feinen Tagung in der Humboldt Universität teil und spreche (unter anderem) über Crowd Work. Aus der Ankündigung:
Welche neuen Arbeitsformen entstehen in einem digitalen Kapitalismus? Wie setzen sich Ausbeutungsverhältnisse fort? Und welche Widerstände dagegen ergeben sich?

Mit einem Blick auf Arbeit in Internetplattformen (Mechanical Turk, Upwork), auf die sogenannte ‘Gig’- und ‘Sharing’-Ökonomie (Deliveroo, Helpling, Airbnb) sowie auf digitalisierte Industrie (Amazon, Foxconn) wollen wir neue Formen der Arbeit und deren Kontroll- und Ausbeutungsmechanismen beleuchten. Dabei möchten wir Möglichkeiten von neuen und alten Widerständen diskutieren.

Montag, 10. Juli 2017

Künstliche Intelligenz - kein Hype, nirgends?

Nichtsahnend mache ich gerade das Programm eines der Software-Monopolisten auf, da erhalte ich folgenden Angebot:
Ich warte lieber noch eine Weile, denke ich. "Zu helfen, Zeit sparen und bessere Ergebnisse nicht notwendig scheint."

Bei dem Online-Magazin ChangeX ist übrigens eine neue Rezension von "Automatisierung und Ausbeutung" erschienen.

Spannend zu lesen sind die Berichte über neue Mensch-Maschine-Interaktionen, die Computer zu lernenden Systemen machen, was die Steuerung und Optimierung - eine klassische Aufgabe des Managements - verbessere. Becker dazu lakonisch: "Hier sägen Manager an dem Ast, auf dem sie sitzen."

Montag, 3. Juli 2017

"Digital, aber nicht sexy"

Eine neue Rezension von Automatisierung und Ausbeutung ist im Magazin "Mitbestimmung" von der Hans-Böckler-Stiftung erschienen.
„Der Kardinalfehler der neuen Automatisierungsdebatte besteht darin, technische Möglichkeiten mit tatsächlichen Arbeitsprozessen zu verwechseln“, schreibt Becker. Schon immer haben Unternehmen versucht, ihre Beschäftigten zu kontrollieren – und schon immer haben die Arbeitenden Wege gefunden, das System auszutricksen.

Freitag, 16. Juni 2017

"Ein Hoffnungsträger, der nur enttäuschen kann"

Gestern ist bei Telepolis ein neues Interview über Automatisierung und Ausbeutung erschienen.
Die Digitalisierung hat neue Organisationsformen und Arbeitsteilungen möglich gemacht, zuletzt etwa Crowdwork. Die Industriesoziologen sprechen in diesem Zusammenhang oft von der "systemischen Rationalisierung". Das meint, dass das Management alle internen Geschäftsprozesse zur Disposition stellt. Brauchen wir einen eigenen Hausmeister? Eine eigene Entwicklungsabteilung? Einen eigenen Fuhrpark? Die Manager fragen sich fortwährend, ob es günstiger wäre, diese Funktionen auszulagern und auf dem Markt einzukaufen, was aber natürlich zahlreiche Gefahren und Schwierigkeiten mit sich bringt. Ohne die digital erzeugte Transparenz, in diesem Fall durch Kennzahlen erzeugte Transparenz, wäre das schlicht unmöglich ... Die grundlegende Veränderung in der "späten Digitalisierung" - so nenne ich die Phase seit dem Platzen der Dotcom-Blase ab dem Jahr 2000 - sind keine technischen Durchbrüche, sondern das Internet, die Massendaten und die Konvergenz der Datenformate.

Mittwoch, 14. Juni 2017

Interview mit Deutschlandfunk Corso

Was wird aus der Arbeit im digitalen Kapitalismus? Eben habe ich ein Interview mit DLF Corso geführt.

Donnerstag, 1. Juni 2017

"Signale der Unmenschlichkeit"

In Ordnung: Thomas de Maizière schaut, wie er's gelernt hat, nämlich unerbittlich. Als wolle er gleich einen Terroristen mit einem Aktenordner erschlagen.

Aber "grausame Signale der Unmenschlichkeit"? Echt jetzt? Schlimmer als "menschliche Signale der Grausamkeit", vielleicht. Vielleicht auch nicht. Bei web.de müssen Sprachgourmets jedenfalls leiden.

Interview mit Radio Orange

Als ich vor ein paar Tagen in Wien war, habe ich Radio Orange ein Interview über "Automatisierung und Ausbeutung" gegeben. Ich bin nach dem Auftritt etwas konfus, aber immerhin. Ein Mitschnitt der Sendung findet sich hier.

Donnerstag, 4. Mai 2017

Agrarindustrie 4.0

Sieht so die Zukunft der Landwirtschaft aus? Hoffentlich nicht, denn das würde bedeuten: höherer Kapitaleinsatz, mehr Monokultur (und daher mehr Dünger und Pestizide), Freisetzung von Erntearbeitern (die übrigens gar nicht so schlecht bezahlt werden, jedenfalls im Vergleich zum Dienstleistungssektor).
In meinem neuen Buch schreibe ich zur Digitalisierung der landwirtschaftlichen Produktion:

Mit Hilfe von KI und Robotern bemühen sich Ingenieure und Unternehmen gegenwärtig um die Vollautomation auf dem Acker. Gängige Ausdrücke dafür lauten Precision Farming oder Smart Farming. Gewaltige Mähdrescher mit einer Breite von bis zu 14 Metern lassen sich nicht mehr von Hand steuern, stattdessen werden sie mit GPS halbautomatisch gelenkt. Mit „Farb- und Multispektralkameras sowie weiteren Sensoren“ fliegen derweil Agrardrohnen über die Felder und schaffen ein digitales Abbild der „Verunkrautungssituation“.

Das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (Abteilung „Biosystems Engineering“) beispielsweise entwickelt einen Ernteroboter, der statt mit Gammastrahlen mit Hyperspektralkameras den Reifegrad von Blumenkohl/Karfiol bestimmt und so „die selektive Ernte vollautomatisch“ durchführt. Martin Steig, Landwirt und Geschäftsführer eines gleichnamigen Unternehmens, wird in der Pressemitteilung des Instituts folgendermaßen zitiert: „Die Automatisierung ist essenziell für uns Landwirte, denn mit dem Mindestlohn ist die Gemüseernte nicht mehr umsetzbar.“

... Im Gegensatz zu einem populären Vorurteil sind Erntearbeiterinnen nicht unqualifiziert, ganz im Gegenteil. Pflanzen unterscheiden sich in Form und Größe und reifen unregelmäßig. Während ein Salatkopf noch wachsen muss, ist der nächste schon überreif. Geübte Beschäftigte erkennen auf einen Blick oder mit einer kurzen Berührung, welche sie pflücken müssen und welche nicht. Ihre Aufgabe ist ebenso kognitiv wie taktil. Sie gehen mehrmals über die Felder, rupfen das reife Gemüse aus und lassen das unreife für später stehen. Seit vielen Jahrzehnten geht das Bemühen von Technikern dahin, diese Arbeit zu mechanisieren.

... Wer automatisieren will, muss standardisieren. In der Landwirtschaft und Tierzucht bedeutet das, die Pflanzen und Tiere so zu verändern, damit sie zur Maschinerie passen. Dieses Muster lässt sich bereits für die Baumwollplantagen in den amerikanischen Südstaaten im 19. Jahrhundert zeigen. Das Transformationsproblem (die Notwendigkeit der Kontrolle und Lenkung der Beschäftigten) und der Zwang zur Rationalisierung bedingen in der landwirtschaftlichen Produktion nicht nur, dass die Arbeitsmaschine zugleich eine Kontrollmaschine sein muss. Sie erfordert die planmäßige Umgestaltung der Natur. Ihre industrielle Aneignung muss „definieren, identifizieren, extrahieren“, wie es der Umweltforscher Christoph Görg ausdrückt. Die Unternehmen verändern die Lebewesen durch Züchtung mit dem Ziel, sie ertragreich, gleichförmig und robust genug zu machen, um sie zu verpacken und zu transportieren. Auf möglichst großen Flächen siedeln sie die gleichen Exemplare an, sie schaffen Monokulturen, weil nur so eine Rationalisierung möglich ist.

... Die „intensive Tierzucht“ und „intensive Landwirtschaft“ verbinden hohen Kapitaleinsatz, einen massiven Energie- und Chemikalienverbrauch mit minimalem Arbeitseinsatz. Aber sie überfordern auf viele Arten die Möglichkeit der Natur, als Senke für schädliche Abfälle und als Quelle zu dienen. „Seit einigen Jahren steigt die (produzierte) Menge kaum mehr“, konstatiert Jan Grossarth. „Die Böden verlieren an Humus.“ Die Nebenwirkungen der weltweiten Waren- und Materialströme zerstören die Lebensgrundlagen zahlreicher Gattungen. Die vermeintlichen Monokulturen lassen sich nur um den Preis zunehmend aufwendiger Schutzmaßnahmen aufrechterhalten. Der Verbrennungsmotor und das Verfeuern der fossilen Energieträger insgesamt verursacht bekanntlich die Klimaerwärmung, die sich gegenwärtig beschleunigt. Die Industrialisierung der Landwirtschaft beinhaltet schöpferische Zerstörung, aber dies nicht nur im Sinne Joseph Schumpeters, indem sie überholte Herstellungsverfahren vernichtet. Ihre Produktion ist zerstörerisch, weil sie unsere Lebensgrundlagen aufbraucht.

Vor diesem Hintergrund ist die digitale Revolution in der Landwirtschaft eine äußerst konservative Veranstaltung. Die Digitalisierung in den Agrarfabriken dient dazu, Technologien und Geschäftsmodelle zu retten, die unter Druck stehen. Sie sollen die Menge der ausgebrachten Pestizide und Stickstoffe senken – ob dies gelingt, ist übrigens völlig unklar –, auch den Energieverbrauch, damit die bestehenden Eigentumsverhältnisse, Transportketten und Stoffwechselkreisläufe erhalten bleiben.

Donnerstag, 13. April 2017

"Jeder vernünftige Mensch weiß doch, dass ..."

Ein Titelbild von 1978
Mittlerweile habe ich mein neues Buch einige Male öffentlich vorgestellt. Obwohl die Kritik am Hype um die Digitalisierung eigentlich gar nicht im Zentrum steht, bezogen sich die Kommentare und Fragen aus dem Publikum immer wieder darauf. Wie komme ich dazu, die Digitalisierung eine "konservative technische Revolution" nennen? Habe ich denn nicht von Deep Mind und seinen "kreativen Spielzügen" gehört? Wieso komme ich auf die Idee, dass die Rationalisierungspotentiale durch Künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Vernetzung beschränkt sind?

Nein, ich lebe nicht hinter dem Mond! Ja, ich habe die Debatte um die Künstlichen Neuronalen Netze und ihre erstaunlichen Leistungen nachvollzogen! Und dennoch, die gegenwärtigen Systeme werden die Arbeitswelt nicht grundlegend verändern. Es geht weiter wie bisher, das heißt: mit zunehmender Automatisierung, die aber im Vergleich zum den Sprüngen im letzten Jahrhundert eher Trippelschritte sind. Es ist kein Produktivitätssprung zu erwarten von der "späten Digitalisierung" - so nenne ich die Phase seit dem Platzen der dotcom-Blase. Sie ist vor allem geprägt durch das Wachsen des Internet. So fallen die Massendaten an, mit denen die "schlauen Algorithmen" "trainiert" werden. Aber auch diese Massendaten machen die lebendige Arbeit nicht überflüssig.

Die Masse hat eine große Überzeugungskraft, auf uns alle. Wenn aus sämtlichen medialen Kanälen die gleiche Botschaft dringt – in diesem Fall: gegenwärtig fände eine tiefgreifende Umwälzung der Produktionstechnik statt –, gilt es geradezu als verrückt, bestenfalls als naiv und uninformiert, das Gegenteil zu behaupten. Aussagen wie
Die ersten Computer stellen Diagnosen für Krankheiten, hören und sprechen und verfassen lesbare Prosa, während Roboter durch die Lagerhäuser schwirren und Autos mit minimaler oder ganz ohne Einmischung des Fahrers unterwegs sind.
von Andrew McAfee und Erik Brynjolfsson sind common sense geworden. Nur leider eben trotzdem falsch.

Einer der wenigen Vorteile des Alterns – mögicherweise der einzige! - besteht darin, schon einige Hype Cycle persönlich miterlebt zu haben. Ich habe mittlerweile oft genug erlebt, wie wissenschaftlich gesicherte Wahrheiten aufsteigen und platzen wie Seifenblasen. Beispiele gefällig?
"Die Roboter kommen!"
"Die Entschlüsselung des Genoms wird die Medizin revolutionieren."
"Die Möglichkeiten des Neuroenhancement stellen unser Menschenbild auf den Kopf!"
"Die neuen Psychopharmaka sind ungefährlich und unschädlich!"
"Die Roboter kommen. (Diesmal wirklich!)"
Wie lange wird es dauern, bis diese Seifenblase platzt? Erste Absetzbewegungen der öffentlichen Meinung sind bereits zu erkennen.

Montag, 3. April 2017

"Mehr Stress, mehr Überwachung, mehr Risiko, weniger Lohn"

Die erste Rezension von "Automatisierung und Ausbeutung" ist (ausgerechnet) in der Jungen Welt erschienen: wohlmeinend, ohne ins Detail zu gehen.
Becker kennt die Arbeitswelt aus erster Hand, war Produktionshelfer, Callcenteragent und hat bestimmt schon mal im richtigen Moment den falschen Knopf gedrückt. Er schreibt in dieser Tradition über die Automatisierung – von Sharing-Plattformen bis zu Traktor-Sitzen, von Büroarbeitsplätzen bis Industrie 4.0. Automatisierung ist immer auch ein Herrschaftsinstrument, eine Managementtechnik zur Kontrolle der lebendigen Arbeit.

Sonntag, 19. März 2017

Ich habe ein Buch geschrieben

Was lange währt, wird endlich fertig: Seit kürzlich ist mein neues Buch in jeder gut sortierten analogen oder Online-Buchhandlung erhältlich (zum Beispiel direkt beim Verlag). „Automatisierung und Ausbeutung“ fragt danach, was aus der Arbeit im digitalen Kapitalismus wird. Ich bin schon gespannt auf die Besprechungen und Reaktionen bei den Veranstaltungen.

Die Digitalisierung und Vernetzung haben eine regelrechte Flut von Veröffentlichungen ausgelöst. Bücher, die Schlagworte wie „Industrie 4.0“, „Internet der Dinge“ oder eben auch „digitaler Kapitalismus“ im Titel führen, gibt es mittlerweile wie Sand am Meer oder Bytes auf der Festplatte. Von ihnen unterscheidet sich „Automatisierung und Ausbeutung“ dadurch, dass ich die technische Entwicklung aus der Perspektive der konkreten lebendigen Arbeit beschreibe. Anders als die Automatisierungsenthusiasten, die uns menschenleere Fabriken und Roboter-Facharbeiter in Aussicht stellen, beschreibe ich konkret die neuen Formen der Arbeitsteilung, die Digitaltechnik möglich macht - zwischen Mensch und Maschine, aber vor allem zwischen Mensch und Mensch.

Dienstag, 21. Februar 2017

Montag, 13. Februar 2017

Donnerstag, 26. Januar 2017

Ich schreibe ein Buch

Das dauert ...

Montag, 16. Januar 2017