Montag, 28. Februar 2011

Samstag, 26. Februar 2011

Fun fact # 1: Experten

Lord Browne, der ehemalige Chef von British Oil, dessen Rationalisierungskurs zu Umweltkatastrophen wie der im Golf von Mexiko beigetragen hat, ist heute Mitglied des Efficiency and Reform Board der britschen Regierung und entwickelt Vorschläge für eine "effizientere Verwaltung".

Donnerstag, 24. Februar 2011

Britische Regierung bereitet sich auf eine Streikwelle vor

Das berichtete der Independent vor zwei Tagen. Eine Arbeitsgruppe im Cabinet Office (ganz grob vergleichbar mit der Bundeskanzleramt) sucht nach "verwundbaren Stellen", sollte es wegen der geplanten Lohnkürzungen zu Arbeitskämpfen im öffentlichen Dienst kommen.
A special unit of civil servants has been set up in the Cabinet Office to "war game" areas of vulnerability in key services and infrastructure. They are also investigating how they can draft in private-sector "strike breakers" to cross picket lines. Services identified as vulnerable to strikes include transport, energy, prisons and the health service.
Ich will allerdings überhaupt nicht ausschließen, dass diese Enthüllung einer ungenannten Quelle von der Cameron-Regierung bewusst gestreut wird - zur Einschüchterung. Angeblich gibt es Überlegungen, die Gewerkschaftsrechte (die in England ohnehin nicht besonders groß sind) weiter einzuschränken. Die Botschaft an die unentschiedenen Gewerkschaften lautet LAO: "Überlegt euch gut, ob ihr euch mit uns anlegt".
The source said ministers had concluded that while some unions would be prepared to compromise with the Government, others – in particular the Rail, Maritime and Transport Workers (RMT), led by Bob Crow, and the Public and Commercial Services (PCS) union, led by Mark Serwotka – were spoiling for a fight.
Teams have been looking at examples of the ongoing strikes on the London underground network and British Airways to provide a model of how private-sector contractors could be brought in at short notice to limit the effectiveness of any mass strike action.
They are also considering how the "nuclear option" of legislation directly targeting the trade union movement could be employed. This could include a ban on union subscriptions being collected through the payroll and forcing any ballot for strike action to have the majority support of members – not just those who choose to vote.
Es wird spannend, was der Somer bringen wird, wenn die Arbeitslosigkeit, Verarmung und Inflation die Briten treffen werden.

Dienstag, 22. Februar 2011




Regie von Pieter Hugo, dem südafrikanischen Photographen

Heinsohn über "die drei Gruppen der jungen Männer"

Eine Revolutionstheorie ganz eigener Art - Gunnar Heinsohn über die Aufstände in Arabien und Nordafrika (irgendwie), "unsere Muslime, die studieren" und Migrationspolitik:



Beindruckend finde ich, wie Heinsohn mit der Selbstsicherheit eines deutschen Hochschuldozenten spricht (also in mehr oder weniger vollständigen Sätzen) und gleichzeitig wild konfabuliert:
Interviewerin: Jetzt ist es so, dass wir einerseits eine Fluchtwelle haben, auf der anderen Seite haben wir hier eine überalterte Gesellschaft. Liegt darin nicht auch eine Chance? Warum können wir nicht einfach sagen, wir nehmen die Menschen auf und bilden sie gut aus?

Heinsohn: Das ist eine der Hoffnungen bei uns im Land, dass man sagt: „Gut, wir nehmen die auf. Die sind jetzt vielleicht zum Teil nicht qualifiziert, aber dann gehen sie bei uns auf Sozialhilfe und dann werden sie bei uns erst mal Kinder haben und die Kinder kommen dann bei uns in die Krippen, und die erziehen wir so gut, dass sie dann in 20 Jahren die besten in Mathematik sind und China und Japan und Südkorea schlagen." Das ist eine Position. Das wird man in Europa auf jeden Fall versuchen. Die, die da dann herauslaufen müssen, weil sie sich in Blutvergießen nicht henein verstricken wollen, wenn die etwas können, dann ist Europa sehr gut beraten, die zu nehmen und keine Angst vor ihrer islamischen Religion zu haben. Ja? Weil die islamische Religion wird ja von den Menschen, die hier sind, nur als eine Schutzbehauptung verwendet. Wenn sie sonst nichts können, dann sagen sie: „Gut, jetzt bin ich diskriminiert, weil ich Muslim bin“ und machen das als Schutzbehauptung. Aber wenn sie etwas können, wir sehen das an unseren Muslimen, die studieren, die gehen genauso selten zur Moschee wie ein Deutscher in einer vergleichbaren Position zur Kirche.

Freitag, 18. Februar 2011

"Freiheit für die Offline-Provider"

Heute begann vor einem Berliner Amtsgericht das erste von einer ganzen Reihe von Strafprozessen gegen Buchhändler der Stadt. Sie sind angeklagt wegen Anleitung zu Straftaten beziehungsweise Verstößen gegen das Waffengesetz. Konkret geht es um die Verbreitung zweier "linksautonomer" Zeitschriften.

Dazu wäre einiges zu sagen, das aus bürgerrechtlicher Sicht brisanteste ist folgendes: Die Staatsanwaltschaft will die Händler für das bloße Zugänglichmachen der Texte wegen Beihlfe einer Straftat verantwortlich machen! Obwohl die bewussten Zeitschriften nicht verboten sind, sollen die Buchhändler den Inhalt der Bücher und Zeitschriften in ihren Länden prüfen und im Zweifelsfall strafrechtlich verantworten. Das wäre nichts anderes als eine "Providerhaftung der Buchhandlungen" (um ein Wortspiel von Anne Roth abzuwandeln).

Weil das nun nicht üblich ist, argumentiert die Staatsanwaltschaft mit der Tendenz der Läden. Da es sich um Linke handelt, sollen sie auch für das schlimme linke Zeug in ihren Geschäftsräumen gerade stehen. Komisch, dass sich die sogenante kritische Öffentlickeit dafür nicht zu interessieren scheint!

Dietmar Dath hat übrigens gestern im ND das Verfahren kommentiert. Der lesenswerte Text findet sich hier.
Wir haben im Umfeld des Verfahrens, um das es in Berlin jetzt geht, davon gehört, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz, eine Säule der Rechtssicherheit, ohne die es keine Rechtsstaatlichkeit geben kann, nichts mehr wert sein soll: Es wird von staatlicher Seite offen zugegeben, dass nicht das Auslegen oder Verkaufen des Materials selbst der Tatbestand ist, der sanktioniert wird, denn wenn dasselbe Zeug bei braven Leuten läge, würde man, heißt es, nicht davon ausgehen, dass sie sich damit identifizierten. Es geht also um Haltungen – Leute, die in den verfolgten Läden arbeiten, werden kujoniert nicht für das, was sie etwa tun, sondern für das, was sie sich dabei mutmaßlich denken.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Samstag, 5. Februar 2011

Gunnar Heinsohn, der mad scientist unter den deutschen Reaktionären




Wahrscheinlich war es unvermeidlich, dass Gunnar Heinsohn sich zu den gegenwärtigen Umwälzungen in Nordafrika melden würde. Schließlich sind die Medien voll mit Graphiken, die nachweisen, wie jung die Bevölkerung in dieser Weltregion ist, und das irgendwie total wichtig finden.

Gestern erschien also im Feuilleton der FAZ eine Art demographische Analyse von Heinsohn, in der er abermals seine Theorie von den fatalen Folgen des Jungenüberschusses verbreitete. Diese besagt, knapp gefasst, dass gesellschaftliche Umstürze desto gewalttätiger ablaufen, je männlicher und je jünger die Bevölkerung ist. (Mohssen Massarrat hat vor drei Jahren das Nötige dazu gesagt.)

Es scheint eine Berufskrankheit der Demographen zu sein, jeden gesellschaftlichen Fakt aus dem Reproduktionsverhalten der Menschen abzuleiten. Ihr Motto ist: „Sag mir, wann sie mit wem ihre Kinder kriegen und wann sie sterben, dann erkläre ich dir ihre Gesellschaft!“ Heinsohn aber treibt diesen Reduktionismus auf die Spitze der Banalität. Alles, was ihm zur magrehbinischen Revolution einfällt, ist das Verhältnis der Jungen zur Alten.
Für die Einschätzung der längerfristigen Gewaltpotentiale ist das quantitative Verhältnis der Protestierer zu den von ihnen Bekämpften entscheidend.
Revolutionen sind für ihn nichts anderes als Raubzüge, bei denen die Jungen den Alten wegnehmen, was sie haben.
Bei youthbulge-, also von Jugendüberhang getriebenen Revolutionen setzt das große Töten erst nach dem Sieg der Bewegung ein, weil die frei werdenden Pfründe nur für einen Bruchteil der Revolutionäre ausreichen. Die Älteren sind nicht zahlreich genug für die Abwehr der Jüngeren. Diese aber sind weitaus zu viele für einen friedlichen Übergang.
(...) Jordanien und Syrien (...) mit einem Durchschnittsalter von 22 Jahren werden mögliche Umwälzungen weniger heftig austragen als (Jemen und Paläsina), haben aber entschieden mehr Dampf als Ägypten.

Als die beiden französischen Demographen Courbage und Todd vor drei Jahren darauf hinwiesen, dass das Bild eines archaischen Nahen Ostens ganz falsch ist, dass sich in den "muslimischen Ländern" die traditionellen Familienstrukturen bereits auflösen, und sich dehalb gegen das Bedrohungsszenario eines expansiven Islams wandten, da wurden sie in der FAZ belehrt, sie würden
die Demographie als prophetische Wissenschaft missverstehen

Aus demographischen Erkenntnissen allein lässt sich eben nicht ableiten, ob wir einen Kampf der Kulturen haben oder wie die Geschichte weitergeht.

In Heinsohns Text steht nun
  • nichts über steigende Lebensmittelpreise,
  • nichts über die Geschlechterverhältnisse in Nordafrika,
  • nichts zu der Beteiligung von Frauen an den Protesten in Ägypten und Tunesien,
  • nichts über Politik oder Wirtschaft
  • nichts, nichts, nichts!
Aber Professor Heinsohn weiß, wie blutig die Revolutionen sein werden, weil er den Altersdurchschnitt kennt. Ich finde das, im Wortsinn, irrsinnig. Aber natürlich, bei dem Untersuchungsgegenstand handelt es sich um Muslime, und da ist es mit Empirie und Methode so eine Sache. Schon das Sarrazin-Elaborat wurde in der FAZ so verhandelt, dass dessen "Methode" und Aussagen über Vererbung zwar, nun ja, falsch sind, "aber in der Sache hat er recht." So auch hier, denn mit Wissenschaft der nicht-irrsinnigen Form hat Heinsohns Text ja offensichtlich nichts zu tun. Das nennt man dann wohl Ideologie.