Freitag, 23. Juni 2023

Tino Crupalla, unsexiest man alive, raubt angeblich den Atem. Mit einem geschwurbelten, allerdings völlig nebensächlichen Vergleich. Web.de schenkt der AfD trotzdem eine Schlagzeile.

Samstag, 17. Juni 2023

Fun fact # 64: Versandhandel

In Deutschland wird etwa jedes vierte bestellte Paket zurückgeschickt, das entsprach im Jahr 2021 schätzungsweise 530 Millionen Retouren. Sie verursachten knapp 800 000 Tonnen Kohlendioxid.

Mittwoch, 14. Juni 2023

Wie ChatGPT sprechen gelernt hat

Seit langer Zeit habe ich wieder einmal über KI geschrieben, provoziert von den Erfolgen der Large Language Models, die auch notorische Nörgler und Abwiegler wie ich wohl einräumen müssen. Immerhin:
Diese Systeme verfügen nicht über das, was «starke künstliche Intelligenz» genannt wird: echtes Verständnis, die Fähigkeit zur Analyse oder zum Lernen, Autonomie, Wahrnehmung. Dass viele der erzeugten Aussagen wahr und sinnvoll sind, liegt daran, dass die Eigenschaften der Dinge und ihre kausalen Zusammenhänge den relativen Häufigkeiten in den eingespeisten Texten entsprechen (worauf wir uns auf keinen Fall verlassen sollten!).
Der letzte Hinweis scheint mir besonders wichtig, denn viele Unternehmen planen bereits den Einsatz dieser Systeme zu Rationalisierungszwecken.

Samstag, 10. Juni 2023

"Große Sorge"

Endlich wird einem Kernkraftwerk dieselbe Fürsorge zuteil wie bislang nur kränkelnden Aristokraten und Promis - web.de sei Dank.

Dienstag, 6. Juni 2023

China als Projektionsfläche

Über China und die chinesische Digitalisierung wird hierzulande immer schablonenhafter und dämonisierender berichtet. Der Huawei-Konzern wurde seit 2018 erfolgreich aus dem "westlichen" Mobilfunkmarkt gedrängt. Seitdem betreiben Europa und die Vereinigten Staaten Wirtschafts- und Geopolitik mit dem Argument, es ginge um die Verhinderung von Spionage und Cybersabotage. Ein entleerter Begriff von "nationalen Sicherheit" wird beliebig eingesetzt, aber das scheint niemanden zu stören, solange es um China geht. Lediglich ein paar IT-Sicherheits-Nerds kratzen sich am Kopf und wundern sich, wie genau Kameras und Funkmodule aus chinesischer Herstellung eigentlich die Sicherheit in England, Australien oder Österreich kompromittieren sollen.

Da tut es gut, "Blockchain Hühnerfarm" von Xiaowei Wang zu lesen. Für die Sendung Andruck beim Deutschlandfunk habe ich es besprochen. Die Autorin beschreibt die Digitalisierung in China, ein Prozess, bei dem technische Innovation und soziale Widersprüche zusammenspielen.

Um herauszufinden, wie die Landbevölkerung sich Digitaltechnik aneignet, ist sie in abgelegenste Dörfer gereist. Biographisch bringt die US-amerikanische Autorin ideale Voraussetzungen für diese Recherche mit: Ihre Eltern stammen aus China, sie spricht die Sprache, Familienangehörige verschaffen ihr Einblicke in den Alltag. Und als ehemalige Programmiererin lässt sie sich vom Jargon der IT-Branche nicht blenden.

Die Reportagen fügen sich wie ein Mosaik zu einem Bild der chinesischen Gesellschaft zusammen, wobei das schwierige Verhältnis von Stadt und Land im Vordergrund steht. Digitale Technologien werden rasant, oft auch auf unvorhergesehene Art adaptiert. Online-Handelsplattformen durchdringen Arbeit und Konsum. Für viele Landbewohner bedeutet die Entwicklung den Ruin, einige machen Karriere, zum Beispiel als Drohnen-Piloten.

Wertvoll macht "Blockchain Hühnerfarm", dass sich die Autorin einer nationalistischen Perspektive konsequent verweigert. Sie beschreibt das politische System als "fragmentierten Autoritarismus". Durch Künstliche Intelligenz und die maschinelle Lesbarkeit nahezu aller Lebensbereiche ergeben sich Potentiale für die Bevölkerungskontrolle und Unterdrückung. Diese Potentiale sind aber keineswegs auf China beschränkt. Dies wird zum Beispiel deutlich, als Xiaowei Wang ein IT-Unternehmen in Peking besucht, das Kamerasysteme für die Gesichtserkennung vertreibt.

Das Überwachungssystem der Regierung mit dem völlig ernst gemeinten Namen Skynet wird im Showroom ebenfalls präsentiert. Megvii / Face + + hat Investoren weltweit, von Südkorea über Russland bis Abu Dhabi. Die technischen Führungskräfte sind mannigfach international ausgebildet. Bei meinen Besuchen dort erwähnten etliche Mitarbeiter, mit denen ich ins Gespräch kam, nebenbei ihre Zeit in den USA oder ihre Arbeit beim Wall Street Journal. (…) Das Ganze erinnerte mich nicht bloß an Silicon Valley, es war Silicon Valley.
So steht das Unternehmen beispielhaft für den Zitat „globalen Charakter der Überwachungsindustrie“. Diese Software wird übrigens nicht nur von Polizeibehörden genutzt, sondern auch in Apps, um Selfies zu verschönern. Xiaowei Wang betont, dass Technologiekonzerne weltweit mit autoritären Regierungen kollaborieren.

„Blockchain Hühnerfarm“ zu lesen ist insofern unheimlich, im Sinne von Sigmund Freud: Das Befremdliche und Beängstigende, was sie uns präsentiert, ist in Wirklichkeit zu vertraut.

Freitag, 2. Juni 2023

Agrarwissenschaft im Klimawandel: Emergeny is the new normal

Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen setzen der Landwirtschaft immer stärker zu. In Europa wird Wasser knapp, der Kampf um die immer knappere Ressource verschärft sich. In einigen Regionen Spaniens wird die Getreideernte wohl völlig ausfallen. Preissteigerungen sind die Folge (auch weil der Handel die reale Verknappung für phantasievolle Aufschläge nutzt). Spanien und Frankreich haben für die Bauern ihres Landes finanzielle Hilfen bei der Europäischen Union beantragt. Die Zuschüsse sollen aus dem Notfallfonds und Reserven der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ kommen.

Eben diese EU-Agrarpolitik fördert allerdings Wasserverschwendung und behindert ein Umsteuern auf nachhaltigere Ackerfrüchte und Anbaumethoden. Sie nutzt dem Umweltschutz nicht, denn sie senkt weder die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen, noch wirkt sie dem Bodenverlust und dem Artensterben entgegen. Mit Subventionen gepäppelt – bis zu vier Fünftel des Einkommen deutscher Bauern sind Staatsgelder! - wird eine destruktive Landwirtschaft aufrechterhalten. Nun soll der Notfall auf Dauer gestellt werden, denn eine Rückkehr zu den alten klimatischen Verhältnissen ist ausgeschlossen. Emergeny is the new normal.

Die Landwirtschaft kann nicht so weiter machen wie bisher. Sie wird dazu nicht in der Lage sein, weil ihr Ressourcen und Ökosystemleistungen abhanden kommen. Hat die agrarwissenschaftliche Forschung etwas zu bieten, um Nahrung weniger umweltschädlich zu erzeugen? Für SWR Wissen haben ich ein Feature gemacht, das Forschungsprojekte für die „Agrarsysteme der Zukunft“ analysiert.