Mittwoch, 22. Dezember 2010



Freitag, 17. Dezember 2010

Fünfzehn Jahre Haft für ein Transparent

Wenn die Studierenden in Italien, England oder Frankreich protestieren, ist die Polizei nicht zimperlich und drischt schon einmal mit dem Knüppel so zu, dass Demonstranten eine Hirnblutung erleiden. Aber was Karen Krüger in der FAZ von heute über die staatliche Reaktion auf die Studentenproteste in der Türkei berichtet, stellt das noch in den Schatten:
In der Türkei wird derzeit geprügelt, und geknüppelt, als befinde sich das Land im Ausnahmezustand. Seit gut einer Woche demonstrieren die Studenten gegen die drohende Privatisierung von Universitäten, vor allem aber demonstrieren sie gegen die Regierung Erdogan und dessen konservativ-muslimische Partei AKP. Die Polizei antwortet mit roher Gewalt: Eine neunzehnjährige schwangere Studentin wurde derart brutal zusammengeschlagen, dass sie ihr Kind verloren hat. Einem Studenten, der Europaminister Bagi in Ankara mit einem Ei an der Schulter getroffen hatte, drohen zwei Jahre Haft.
(...) Weil ein Student in einem Stadtpark Alkohol getrunken hatte, brach eine Gruppe von Polizisten ihm beide Beine und verletzte ihn schwer am Kopf – der Amtsarzt diagnostizierte jedoch nur leichte Verletzungen; im März wurden bei einem öffentlichen Auftritt Erdogans zwei Studenten verhaftet, weil sie ein Plakat mit dem Schriftzug „Wir wollen keine selbstbezahlte Bildung“ hochgehalten hatten – die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von fünfzehn Jahren, da die beiden angeblich einer verbotenen linken Organisation angehören.




Ein Bericht mit einem kurzen erklärenden Video findet sich hier.

"Öffentlichkeitsmanagement"


Wie funtionieren heute Zensur und Propaganda im Netz? In einem Artikel, der gestern in der Schweizer 'Wochenzeitung' erschienen ist, analysiere ich, aus Anlass der Wikileaks-Auseinandersetzung, neuere Entwicklungen.
John Gilmore, Internetaktivist der ersten Stunde, hat einmal gesagt: «Das Internet betrachtet Zensur als Funktionsstörung und findet einen Weg, sie zu umgehen.» Das Zitat entspringt der Überzeugung, aus dem «dezentralen Charakter» des Netzes folge notwendigerweise eine horizontale und demokratische Willensbildung. Heute wirkt das fast naiv. Machen sich doch MedienstrategInnen den anonymen Charakter der Internetdebatten just zunutze, um Aufmerksamkeit zu lenken, Gerüchte zu streuen und Kritik abzublocken. Das Netz taugt für viele Zwecke – und immer mehr auch für eine kaum merkliche Kontrolle der Öffentlichkeit.

Dienstag, 14. Dezember 2010



Les bourgeois c'est comme les cochons
Plus ça devient vieux plus ça devient bête

Montag, 13. Dezember 2010

"Der Backlash gegen WikiLeaks war zu erwarten!"

Gerade ist bei Telepolis mein Interview mit Evgeny Morozov erschienen. Evgeny ist Experte für Zensur und im weiteren Sinne "Internetkontrolle".
Sie wollen den Iranern und Chinesen das Internet als politische Waffe geben, damit sie ihre Regierungen stürzen – nicht, damit sie Pornos anschauen und verbotenerweise Spielfilme herunterladen.

Freitag, 10. Dezember 2010

Demotrend "Bücher-Block"

Ich bin mir nicht sicher - ist das kokett? Bildungsbürgerlich? Lustig ist es jedenfalls.



Montag, 6. Dezember 2010




Sicherungsverwahrung, zum allerallerallerletzten Mal und nur wegen dem Allerletzten - nämlich jenem Artikel, der vor zwei Tagen in der BILD erschien.
Sex-Täter will zurück in den Knast

Polizisten bewachten ihn wochenlang, rund um die Uhr. Klaus-Dieter W. (51) ist ein gefährlicher Sextäter, musste aber aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden. Jetzt will er zurück in den Knast – freiwillig! Letzte Woche rief der Mann (saß u.a. wegen Vergewaltigung) in der JVA Werl an, jammerte über die „feindliche Umwelt". Dann sagte er: „Ist mein Arbeitsplatz noch frei? Muss ich denn was tun, um unter Eure Fittiche zu kommen?“
Na, eben das, wonach die Journaille geifert: einen Mord begehen, vergewaltigen. Aber unbedingt vorher BILD Bescheid sagen, damit die einen Fotographen vorbeischicken.
Ein weiterer Fall: Der in Dortmund lebende Sextäter Walter W. (48, Name geändert). Er zu BILD: „Ich habe Angst um mein Leben.“ Der gelernte Dreher wollte angeblich von vorne anfangen. „Doch das ist nicht leicht. Versuchen Sie mal, mit Polizeibeamten im Schlepptau Bewerbungsgespräche zu führen.“
Die Autoren dieses Artikels "A. Wegener und F. Schneider" haben zu erwähnen vergessen, dass nicht nur Polizeibeamte, sondern auch Boulevard-Journalisten den Entlassenen rund um die Uhr folgen und beispielsweise die Nachbarn fragen, was sie eigentlich davon halten, dass ein "Sex-Gangster" in ihrer Nähe wohnt. Dass BILD sogar eine Deutschland-Karte veröffentlicht hat, in der die Aufenthaltsorte der Ex-SVler preisgegeben werden. Dass Anfang November der Justizminister von Sachsen angekündigt hat, SVern eine "Anschlussunterbringung" anzubieten, weil "viele gar nicht raus wollen", haben sie auch nicht mitbekommen. Nachdem BILD und andere Gossenblätter alles getan haben, um ihre Resozialisierung unmöglich zu machen, finden die Schreiber es kurios, dass manche der Entlassenen zurück in den Knast wollen.

Sonntag, 5. Dezember 2010

Hingucken verboten!

Die bisher lustigste Reaktion auf die Veröffentlichung der "Cablegate"-Papiere durch Wikileaks kommt von der Regierung der USA: Sie verbietet ihren Beamten und Angestellten einfach, die Informationen zur Kenntnis zu nehmen. Laut New York Times gab das Office of Management and Budget am Freitag eine entsprechende Anweisung heraus:
Classified information, whether or not already posted on public websites or disclosed to the media, remains classified, and must be treated as such by federal employees and contractors, until it is declassified by an appropriate U.S. Government authority.
Die NYT nennt das treffend
a classic case of shutting the barn door after the horse has left

Donnerstag, 2. Dezember 2010

You want change? You get more of the same! II


Vielleicht sollte ich eine neue Rubrik unter diesem Motto einrichten?

Gina Thomas berichtet für die FAZ über die Schulpolitik der britischen liberal-konservativen Regierung, speziell über deren gerade erschienenes Weißbuch "The Importance of Teaching". Thomas nennt dieses Papier "eine bemerkenswerte Studie"; ich frage mich, warum - auf den 95 Seiten wird nichts studiert, untersucht oder analysiert. Die Regierung legt lediglich ihre Pläne für die nächste Runde der Schulreform dar, und das klingt beispielsweise so:
The evidence from around the world shows us that the most important factor in determining the effectiveness of a school system is the quality of its teachers.

Ok, wenn's sogar weltweit belegt ist. (Diese reichlich pauschale Aussage ist übrigens mit einer Fußnote versehen, die auf die britische Higher Education Statistics Agency Bezug nimmt und auf nicht näher bestimmte "nationale Datenbanken".) Eine gute Zusammenfassung bringt der Guardian, mit der passenden Schlagzeile "Bad teachers out, social mobility in". Die Lehrer und ihre didaktischen Fähigkeiten in den Mittelpunkt der Bildungsdebatte zu rücken, finde ich nicht besonders bemerkenswert, sicher nicht originell.

Aber was hat die Regierung denn nun mit den Schulen vor? Gina Thomas:

Um das Niveau zu heben, werden sich die mit neuen Befugnissen ausgestatteten Schulleiter künftig leichter von ungeeignetem Personal trennen können. In einer dramatischen Abkehr von den politisch-korrekten Auflagen der letzten Jahre sollen Lehrer mit größeren Freiheiten ausgestattet werden und sogar "angemessene Gewalt" anwenden dürfen, um Disziplin im Klassenzimmer wahren zu dürfen.
(...) In der Gestaltung des Lehrplanes sollen Schulleiter ebenfalls unabhängiger agieren. (...) Die Koaltitionsregierung will jeder Schule ermöglichen, ihren eigenen Charakter zu entwickeln und ihr eigenes Ethos zu definieren.

Von der anti-zentralistischen Rhetorik abgesehen - die von den vorigen Regierungen übrigens auch gepflegt wurde - klingt das nach genau dem bildungspolitischen Programm, das schon die US-amerikanischen öffentlichen Schulen ruiniert hat. Wer das nicht glaubt, kann es in Diane Ravitchs "The Death and Life of the Great American School System" nachlesen.