Mittwoch, 11. Juni 2008

Gedanken anlässlich eines Interviews im öffentlich-rechtlichen Radio

Ob sich Völker genetisch in der Intelligenz unterscheiden, das wissen wir ja nicht so genau. Wir kennen ja noch nicht die Gene, die für Ausprägung in der Intelligenz verantwortlich sind.

So der Bildungsforscher Heiner Rindermann in einem Interview mit Deutschlandfunk im Dezember 2007. Noch kennen wir diese Gene nicht, aber bald schon könnten wir sie gefunden haben – was wäre dann? Der deutsche Psychologe beschäftigt sich schließlich nicht mit der Aufzucht und Kreuzung von Völkern, wenigstens nicht beruflich, sondern vergleicht Schulsysteme.
Dass er in dem Interview das Wort "Rasse" benutzte, verursachte einen kleinen Skandal; dass sich das nicht gehört, ist vielen bekannt. Der Sender sah sich genötigt, den ursprünglichen Titel "Es gibt genetische Unterschiede zwischen den Rassen" zur Frage "Gibt es Unterschiede in Intelligenz und Wissen zwischen den Bevölkerungen verschiedener Länder?" zu ändern. Klingt besser. Rindermann reagierte mit einer Erklärung (PDF), in der er seine Kritiker als intolerant und wissenschaftsfeindlich darstellt und sich mit dem jüdischen Intelligenzforscher William Stern vergleicht, der von den Nazis aus Deutschland vertrieben wurde:

Es scheint in Deutschland auch heute noch bei einer Minderheit einen Bodensatz ethisch höchst bedenklichen Denkens und Handelns zu geben, der Intelligenzforschung verbieten und untersagen will. Dies gepaart mit Unbildung und dem unreflektierten Bewusstsein, die Wahrheit zu besitzen. Siehe auch ähnliche Vorgänge zu anderen Themen um Peter Singer oder Peter Sloterdijk.

Die bewährte "Selber Nazi!"–Strategie, es hätte von Geschmack und Umsicht gezeugt, hätte er erwähnt, dass die Geschichte der Intelligenzforschung von Rassismus geprägt wurde. Geschenkt. Ich frage mich ohnehin, ob die Aufregung über das böse Wort „Rasse“ nicht das Thema und Problem verfehlt: die völlig gängige Art, wie Rindermann und andere Bildungsforscher und kognitive Psychologen das Zusammenspiel von Vererbung und Umwelt beschreiben:
Menschen mit bestimmter genetischer Ausstattung suchen sich eine andere Umwelt aus und beeinflussen auch ihre Umwelt in einer bestimmten Form, wie es ihren Genen eher entspricht und wie sie sich auch dann besser entwickeln können. Also, zum Beispiel Intelligentere gehen eher länger in die Schule, auf Universitäten, und die weniger Intelligenten, die meiden eher solche Umwelten.

Wer weniger intelligent ist, meidet instinktiv die Hochschule, besser für ihn: Wohlfühlen würde er sich dort bestimmt nicht. Ganz ähnlich wird erklärt, warum bei Vergleichsstudien die Bayern besser abschneiden als die Brandenburger: Wer schlau ist, findet woanders Arbeit und geht! Gestern habe ich übrigens gelesen, dass mit exakt dem selben Argument in den 1920er Jahren erklärt werden sollte, warum Schwarze in den industriell geprägten Nordstaaten der USA durchschnittlich intelligenter waren als Schwarze im ländlichen Süden. Das Tempo des wissenschaftlichen Fortschritte kann einem den Atem rauben.
Solche (ich muss das blöde Wort benutzen: affirmative) Argumentationen beruhen gar nicht auf einem Rassebegriff, sondern auf der Vorstellung, die individuelle Begabung oder Denkfähigkeit sei irgendwie vorhanden und fix und weise den Menschen ihre soziale Position zu. Niemals umgekehrt, nicht die Arbeitslosigkeit und geistlose Arbeit machen "dumm", nein: Wer dumm ist, wird arbeitslos. Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen.
Warum, warum kritisiert niemand das, statt darüber zu faseln, die Intelligenztests seien unfair, weil kulturabhängig? Als würde es einen Unterschied machen, wenn die Intelligenztests und Schulen und Universitäten fair selektieren.