Mittwoch, 7. Oktober 2015

Schleppende Anpasssung an den unvermeidlichen Klimawandel

Gestern brachte der Deutschlandfunk einen neuen Beitrag von mir über Klimaanpassung in Deutschland, mit dem etwas vollmundigen Titel "Warum Deutschland die Klimaanpassung an den Klimawandel verschläft".

Die kurze Antwort auf diese Frage lautet: Weil das Kapital in Deutschland die Klimakrise noch nicht am eigenen Leib verspürt. Über die lange Antwort sollte jemand ein Buch schreiben (aber ich werde nicht derjenige sein).

Nur so viel: Das Thema ist eine Art Steckenpferd von mir. Zuletzt habe ich darüber vor vier Jahren im selben Tenor geschrieben und, sorry to say, in der Zwischenzeit hat sich wenig getan. 2011 kam bei einer Umfrage unter Unternehmern heraus, dass sie gesetzliche Auflagen wegen des Klimawandels deutlich mehr fürchten als dessen Folgen. Allerdings erscheinen ihnen "Beschaffungsrisiken", also Stockungen der Zulieferung als ernstzunehmende Gefahr – sprich: der Klimawandel findet höchstens woanders statt und bedroht eventuell die Importe.

In einer Konkurrenzsituation verliert ja tatsächlich derjenige, der sich als erstes bewegt (weshalb übrigens bloß moralische Appelle ans Gewissen der Unternehmer verfehlt sind), solange die Anpassung keinen Produktivitätsvorteil bringt. Davon sind wir aber noch weit entfernt. Noch betreffen die Schäden durch die stärker werdenden klimatischen Veränderungen nicht sie, sondern beispielsweise die Gesundheit der Bevölkerung.

Diese Zeitreihe zeigt die Sterblichkeit unter älteren Menschen in Berlin (65 Jahre und mehr). Nach wie vor sind die größten Ausschläge in den Wintermonaten, aber die Todesfälle in den Sommermonate nehmen zu (mit einem schockierenden Extremwert im Jahr 2010!). Zu finden hier
Die Regierung wiederum vermeidet alles, was die Profite der deutschen Unternehmen (ihre "Konkurrenzfähigkeit") schmälern könnte. Die staatsoffizielle Klimaanpassung in Gestalt der Förderprogramme von Umwelt- und Forschungsministerium sucht typischerweise nach Wegen, um neue Märkte zu schaffen. Sie sucht nach "Win-Win" und "No Regret", was in der Praxis bedeutet, sie will es allen recht machen. Anpassungsmaßnahmen sollen sich für private Akteure lohnen. Das wäre aber erst der Fall, wenn der Staat entsprechend steuert und alle Unternehmen und Kommunen zwingt. Es lohnt sich sonst schlicht nicht, sich heute auf morgen oder übermorgen vorzubereiten. Deshalb bleibt es bisher bei "Leuchtturmprojekten", bei Aktionsplänen ohne Aktion.