Montag, 17. Mai 2021

Vorwärts zur Klimaneutralität! (mit fiktiven Technologien)

Die Hälfte der Emissionssenkungen bis 2050 oder 2045 wird von Technologien kommen, über die wir heute noch nicht verfügen.
Meint John Kerry, der Klimabeauftragte der neuen US-Regierung. Das Zitat macht klar, wie viel – in diesem Fall: wie verschwindend wenig – von der neuen amerikanischen Klimadiplomatie zu erwarten ist. Denn es gibt bisher keine technischen Lösungen, mit denen sich die Menge der Treibhausgase so sehr senken ließe, um die Klimakrise aufzuhalten oder wenigstens zu entschärfen. Und selbst wenn heute Nachmittag ein genialer wissenschaftlicher Durchbruch gelänge, würde es dennoch viel zu lange dauern, bis er überall zum Einsatz käme.

Die fiktive „Innovation“ spielt in der Klimapolitik eine verhängnisvolle Rolle: Sie dient als Rechtfertigung fürs Nichtstun, als Ausrede und als Ablenkungsmanöver. Aber nur mit umfassenden Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft und letztlich unserer Lebensweise können wir die Erderhitzung aufhalten.

Aus Klima Chaos Kapital:

„Innovation statt Verbote!“ lautete ein Wahlkampfslogan der FDP. „Die Fähigkeit der Märkte, Neues zu entdecken, ist notwendiger denn je“, erklärt der Journalist Nikolaus Piper. „Sie sollen zu den Innovationen führen, ohne die eine klimaneutrale Produktion kaum möglich sein wird.“ Das „Klimaschutzprogramm 2030“ der Bundesregierung dient ausdrücklich dazu, „dass Deutschland seine Stellung als innovativer Leitanbieter und Leitmarkt für klimafreundliche Technologien ausbaut und damit ein positiver Impuls für Wachstum und Wohlstand gesetzt wird.“ Der Glaube an die Machbarkeit wächst proportional mit dem Abstand zu den konkreten wissenschaftlichen und technischen Problemen. Er nimmt buchstäblich religiöse Züge an, insofern er Trost und Zuversicht spendet, ohne auf Beweise angewiesen zu sein.

Je stärker sich die Klimakrise im Alltag bemerkbar macht, umso wilder, scheint es, werden die Versprechen. Statt die planetaren Grenzen anzuerkennen, setzen Investoren Hoffnungen auf „Asteroiden-Bergbau“, um im Weltraum Metalle wie Kupfer abzubauen. Als Reaktion auf die Bodenkrise wandert landwirtschaftliche Erzeugung in die Innenräume (Controlled Environment Agriculture). Wie ein deus ex machina soll sie die Probleme lösen. Aber es rettet uns kein höheres Wesen namens Technologie.