Dienstag, 11. Dezember 2007

File-sharing is not a crime!

Oder doch? Vor zwei Jahren habe ich geschrieben:
Um als Ware zu taugen, muss Wissen mit einem Eigentumstitel versehen werden, durch ein staatliches Zertifikat (wie im Fall der Universitätsabschlüsse), durch ein Patent oder Copyright. Gibt es eine staatliche Garantiemacht, ist das durchaus möglich.

Ganz im Gegensatz dazu meine Rezension von "Wikinomics" vom letzten Monat. Da habe ich mich, wie viel zu oft, weit aus dem Fenster gelehnt und behauptet:
Was heute ohne fixes Kapital hergestellt und verbreitet werden kann (also beispielsweise Texte, Musik und Filme), wird tendenziell außer Wert gesetzt.

Wäre ja schön, aber die Medienindustrie will da nicht mitmachen. Und offenbar kann sie sich bis auf weiteres durchsetzen. Ein paar Fakten:

In Frankreich hat die Regierung Sarkozy ein Abkommen „gegen den Diebstahl des geistigen Eigentums“ zwischen diversen Ministerien und der Industrie initiiert. Erarbeitet hat den Text Denis Olivennes, Chef der Großhandelskette FNAC. Stimmt das Parlament zu, wird eine eigene Polizeibehörde eingerichtet, die Urheberrechtsverletzungen verfolgen soll. Nutzer sollen nach zweimaliger Vermahnung vom Internet abgetrennt werden. Übrigens: als ich im September bei Telepolis erwähnte, dass Beckstein die sogenannte Online-Durchsuchung auch deshalb will, damit die Polizei nicht autorisiertes Downloaden besser verfolgen kann, wurde mir Alarmismus vorgeworfen.

Laut der Gesellschaft für Konsumforschung nutzen 7,5 Millionen Deutsche Tauschbörsen. Bisher war auch nach deutscher Rechtsprechung nur verboten, Dateien zur Verfügung zu stellen. Mit dem neuen Urheberrecht wird ab 1. Januar 2008 auch der Download von „offensichtlich rechtswidrigen Angeboten im Internet“ strafbar. Wie das Gesetz ausgestaltet wird, werden die Gerichte ab Januar entscheiden.

Der Umsatz auf dem Phonomarkt, inklusive Musikvideos und kostenpflichtigem Download, ist seit von 2,7 Millionen im Jahr 1998 auf 1,7 Millionen gesunken. Bevor jemand jetzt spenden will: die Profite der Kulturindustrie kommen nicht nur aus dem Verkauf, sondern immer mehr aus Lizenzen und Merchandising.

Laut Berliner Zeitung beschäftigt die Industrie in Deutschland über hundert Mitarbeiter, die Datei–Tauscher zur Anzeige bringen. Clemens Rasch, Anwalt der Deutschen Phonoverbände: „Wir wollen, dass jeder jemanden kennt, der erwischt worden ist.“ Rasch war Justitiar des „Verbandes der Musikindustrie“ und betreibt nun eine „Gesellschaft zum Schutz des Geistigen Eigentums“ namens PROMEDIA.

Laut FAZ steigt die Zahl der Anzeigen massiv an: bei der Berliner Staatsanwaltschaft beispielsweise gingen 2005 60 Anzeigen ein, 2006 fast 500 und 2007 im ersten Halbjahr 1 577. In Hamburg erhalte ein Staatsanwalt täglich 200 Anzeigen. Von 2004 bis 2006 waren es insgesamt 20 000 Anzeigen, 2007 „von Januar bis Spätsommer allein 30 000“. Fast alle Anzeigen enden mit Vergleichen. Üblich sind unglaubliche 10 000 Euro pro Musikdatei.