Mittwoch, 9. Oktober 2013

The War on Fat

In meinem letzten WOZ-Artikel geht es (auch) darum, dass die regelrechte Obsession der Gesundheitspolitik mit Übergewicht keine wirkliche medizinische Grundlage hat. Nun nimmt der Kampf gegen das Körperfett nirgendwo so skurille und brutale Formen an wie in den USA.

George W. Bush erklärte im Jahr 2002 dem Fett den Krieg - ja, er sprach wörtlich von einem war on fat. "Wer täglich Sport treibt, ist ein besserer Arbeiter", sagte der Präsident damals in einer Radioansprache. „Wer täglich Sport treibt, senkt die Gesundheitskosten in Amerika."

Seitdem häufen sich mehr oder weniger durchdachte Versuche, die Ernährungsgewohnheiten und Bewegungsmuster der Bevölkerung umzukrempeln. Jüngst sorgte der Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, für Schlagzeilen, als er versuchte, Getränke-Becher ab einer bestimmten Größe zu verbieten. Die Maßnahme sollte die New Yorker vom übermäßigen Konsum zuckriger Limonade abhalten. Außerdem machte sich Bloomberg für Hinweisschilder stark, damit sie Treppen steigen anstatt den Aufzug zu benutzen.

Im Bundesland Mississippi entstand vor einigen Jahren ein Präventionsprogramm mit der bezeichnenden Abkürzung POWER – Preventing Obesity with Every Resource. Es verpflichtet weiterführende Schulen, im Unterricht über die gesundheitlichen Folgen falscher Ernährung zu sprechen und mindestens zweieinhalb Stunden in der Woche Sport anzubieten. In anderen Bundesstaaten müssen Schulen die Jugendlichen regelmäßig auf die Waage stellen und ihren Body-Mass-Index (BMI) erfassen. In Tennessee und anderen Bundesstaaten müssen Schulen das Messergebnis sogar den Eltern schriftlich mitteilen. Der Wink mit dem Holzhammer ("Ihr Kind ist immer noch zu fett!") gerät langsam in die Kritik :



Der Glaube an den Body-Mass-Index (BMI) ist nicht leicht zu verstehen. Der BMI drückt das Verhältnis von Körpergewicht zu Körpergröße mit einer Maßzahl aus (zum Beispiel 80 Kilo durch 2 Meter im Quadrat, macht BMI 20). Ab 25 spricht man von Übergewicht, ab 30 von Fettleibigkeit (Adipositas). Wie viele andere medizinische Grenzwerte ist die Klassifikation von Übergewicht und Adipositas aber mehr oder weniger willkürlich. Ja, ein ideales Körpergewicht - also ein BMI zwischen 20 und 25 - ist gar nicht ideal. Statistisch haben leicht übergewichtige Menschen (mit einem BMI von 27) die längste Lebenserwartung.

Die Wurzeln für die Fixierung auf das Übergewicht hat eher kulturelle als medizinische Wurzeln (Medizin hier verstanden als Wissenschaft). Sie liegen im Puritanismus und im Schönheitsideal vom schlanken und angeblich besonders leistungsfähigen Körper. Und, natürlich, in der verbreiteten Lust daran, dicke Menschen zu verhöhnen.