Montag, 27. Juni 2022

Wann erregt eine gesundheitliche Notlage Besorgnis?

Die Weltgesundheitsorganisation hat entschieden, die gegenwärtige Epidemie der Affenpocken nicht zu einer 'gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite' zu erklären. Ich finde diese Entscheidung falsch, denn um den Ausbruch einzudämmen, muss schnell - jetzt! - gehandelt werden. So ließe sich hoffentlich noch verhindern, dass sich das endemische Gebiet ausweitet oder dass das Virus sich in Risikogruppen dauerhaft einnistet.

Möglicherweise wurde die Entscheidung der WHO, wie so oft, von politischer Symbolik diktiert. Denn bekanntlich grassieren die Affenpocken in zentral- und westafrikanischen Ländern seit Jahren. Seit 2017 bringen sie immer mehr Menschen ins Krankenhaus und verursachen eine steigende Zahl von Todesfällen. Die entsprechenden Warnungen afrikanischer Wissenschaftler wurden weitgehend ignoriert. Und während der Ausbruch außerhalb von Afrika seit Mai bisher nur einen Menschen das Leben gekostet hat, waren es in den fünf Ländern, wo die Affenpocken endemisch sind, seit Anfang des Jahres bereits 69. Epidemiologen und Mediziner aus dem Globalen Süden sind verständlicherweise befremdet, dass der Ausbruch erst interessiert, seit Weiße sterben. Jetzt die Affenpocken zum Notfall zu erklären, wäre mehr als peinlich gewesen.

Für die Schweizer Wochenzeitung habe ich einen Artikel über die Vorgeschichte der Epidemie geschrieben (Paywall). Mittlerweile ist es oft gesagt worden, aber ich sage es trotzdem noch einmal: Wo lassen sich neuartige Infektionen bekämpfen? Dort, wo sie entstehen. Wie lassen sie sich bekämpfen? Durch Naturschutz und Wiederaufforstung und durch Gesundheitsversorgung für alle.