Mittwoch, 21. März 2012

Jung, irakisch, Emo

Emos im Irak haben wirklich Grund genug, deprimiert zu sein: Mob-Gewalt, Mord und eine Kampagne der Regierung gegen eine angeblich unislamische Kultur. Inga Rogg berichtet in der taz :

Vor vier Wochen erklärte der Leiter der Sozialpolizei, der irakischen Sittenpolizei, dass das „Phänomen der Emos oder Teufelsanbeter“ unter Teenagern derart weit verbreitet sei, dass man dagegen einschreiten müsse. Seine Behörde sei autorisiert worden, in sämtlichen Schulen nach Emos zu suchen und sie „so schnell wie möglich zu eliminieren“. Begründung: Die Bewegung sei zu einer Gefahr für die Gesellschaft geworden.
Etwa zur gleichen Zeit verschickte der Minister für höhere Bildung, Ali Adib, ein Schreiben an sämtliche Hochschulen, in dem er ebenfalls die Ausmerzung der Emos fordert. Man erkenne sie an ihren engen Jeans, Shirts mit Totenköpfen und ihren Armbändern, heißt es in dem Schreiben. Die Emos seien Teufelsanbeter, die gegen die Scharia verstießen und von ausländischen Mächten unterstützt würden.

Roggs Artikel ist ein seltener Einblick in die soziale Realität im Irak nach der "Befreiung":
Angst haben auch die Jugendaktivisten, Menschenrechtler und Journalisten, die sich im vergangenen Jahr an den Protesten gegen die Regierung beteiligten. Nach dem die Sicherheitskräfte Dutzende von Demonstranten verhafteten und Menschenrechtler zufolge folterten, ist die Protestbewegung weitgehend verstummt. Im Herbst wurde der prominente Journalist Hadi al-Mehdi, ein scharfer Kritiker von Regierungschef Maliki, in seinem Haus erschossen. Seitdem trauen sich nur noch wenige, laut Kritik an der Regierung zu üben.
„Fast jeder hat Angst, er könnte der Nächste sein“, sagt ein Journalist. In der Kampagne gegen die Emos sieht er den jüngsten Versuch der Regierung, das Land auf den Kurs der fundamentalistischen Schiiten-Parteien zu bringen. Sowohl der Chef der Sittenpolizei als auch der Bildungsminister sind Schiiten. Bildungsminister Ali Adib ist nach Regierungschef Nuri al-Maliki der zweite Mann in der Dawa-Partei. Während al-Maliki die säkularen Sunniten in der Regierung jüngst in die Knie zwang, hat er schiitischen Extremisten die Tür zur politischen Teilhabe geöffnet.